Am 30. September hat in Innsbruck die neue Konzertreihe „Innsbrucker Hofmusik“ unter der künstlerischen Leitung von Marian Polin (Bildmitte) begonnen.
Marian Polin

Weltklasse zwischen Renaissance und Barock

Die am 30. September begonnene neue Konzertreihe „Innsbrucker Hofmusik“ knüpft an eine große Tradition an, bringt Geschichten der Vernetzung ans Licht und setzt auf das Zusammenspiel von Klangraum, Grundlagenforschung und Experimentierfreude.

Publiziert in 18 / 2022 - Erschienen am 11. Oktober 2022

Mals/Innsbruck - Im September 2022 erhielt der gebürtige Malser Marian Polin – als erster Südtiroler – den Preis des siebten Internationalen Daniel- Herz-Orgelwettbewerbs, seit diesem Jahr ist er gemeinsam mit Lukas Punter künstlerischer Leiter des Festivals „Orgelkunst Vinschgau-Meran“. Damit nicht genug: Nun ist er künstlerischer Leiter der just gegründeten Konzertreihe „Innsbrucker Hofmusik.“ Eine Reihe, die nicht nur Musikfreunde aufhorchen lassen wird. Denn die Musik dieser Innsbrucker Blütezeit – von der Renaissance bis zum Hochbarock; von den Anfängen in der Zeit Kaiser Maximilians um 1500 bis zur Auflösung der Hofmusik um 1730 – bietet nicht nur ein reichhaltiges Repertoire geistlicher und weltlicher Musik, sondern zeigt die enormen Verknüpfungen von Musikern aus ganz Europa. Während bis ca. 1600 flämische Musiker die europäische Musikwelt dominierten, entwickelte sich ab 1600 in Italien der Barock und seine Musiker begannen, sich zu etablieren. Das Haus Habsburg spielte hier durch seine geographische Lage und die engen familiären Verbindungen zu Häusern wie Gonzaga oder Este eine entscheidende Rolle: Innsbruck als Residenzstadt ist Dreh- und Angelpunkt der musikalischen Elite Europas. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg geriet dieser nicht unwesentliche Aspekt der Musikgeschichte in den Hintergrund, obwohl ihre Protagonisten zur Weltklasse gehörten. „Unsere Intention ist“, erklärt Marian Polin, „alles zum Klingen zu bringen, was im Fokus der kaiserlichen Hofkapelle stand“.

Klangmöglichkeiten fernab vom Standard

Der unveränderte Renaissance-Klangraum der Innsbrucker Hofkirche, die Chororgel von 1558, die italienische Renaissance–Orgel, weltweit das einzige Instrument der Organo di legno-Tradition, sowie ein Orgelpositiv um 1700 werden dabei „abseits von Konventionen“ genutzt werden, bestätigen die Ideengeber der Reihe, Franz Gratl und Marian Polin. „Das bedeutet vor allem, dass Musikerinnen und Musiker Zeit haben, sich der Fülle an Klangmöglichkeiten der Kirche anzunehmen, auszuprobieren, auszuschöpfen. Fernab von Standardlösungen wollen wir die Aufführungspraxis auf historischen Instrumenten mit einer Mischung aus wissenschaftlicher Erkenntnis und Experimentierfreude fördern, ausbauen und ausreizen“, sagt Marian Polin.

Kein Leichtgewicht: Der Komponist Leopold von Plawenn

Die Musik des 1628 in Innsbruck geborenen Benediktiners Leopold von Plawenn, dessen Obervinschgauer Stammsitz heute von weitem sichtbar rosa leuchtet, war im süddeutschen und österreichischen Raum weit verbreitet. Das gedruckte Original seines Requiems entdeckte Franz Gratl vor kurzem in Krakau. Marian Polin bezeichnet den produktiven Barockmusiker als absolut auf der Höhe seiner Zeit. Doch nicht nur Leopold von Plawenn, auch der gebürtige Kalterer Alphons Sepp, Pater im Kloster Marienberg, reicht sein musikalisches Erbe in der Konzertreihe an das Heute weiter. Ihre Wege werden sich mit denen der Durchreisenden des Öfteren gekreuzt haben – und auf Achse waren sie selbst. Zwar hat der Brenner bereits ab dem 15. Jahrhundert den Reschenübergang als wichtige Handels- und Reiseroute abgelöst, doch den einen oder anderen, und damit dessen musikalische und kulturelle Inspiration, hat es weiterhin in die Durchgangsregion par excellence Oberer Vinschgau gespült.

Monteverdi und Innsbruck, Ziani beim Kaiser in Wien

Die Marienvesper von Claudio Monteverdi, der in Mantua – das wiederum enge Kontakte zu Innsbruck hielt – über ein exzellentes Ensemble verfügte, macht den Auftakt der Konzertreihe; ein Stück, das der Musiker dem Borghese Papst Paul V. widmete. Herzog Vincenzo I. Gonzaga ließ 1608, als er Monteverdi bereits an seinen Hof geholt hatte, Innsbrucker Bläser nach Mantua senden, um dort beim Karneval aufzuspielen. Die guten Beziehungen des späteren Markuskapellmeisters zu den Habsburgern ließ die Kritiker spotten: Er komponiere zu viel für den Adler, zu wenig für den Löwen. Einige seiner Hauptwerke sind in der Tat dem Kaiserpaar gewidmet. Die venezianische Musikerin Barbara Strozzi widmete 1655 der Tiroler Landesfürstin Anna de’ Medici eine Sammlung geistlicher Motetten, wohl in der Hoffnung, am Innsbrucker Hof angestellt zu werden. Der Komponist Marc Antonio Ziani kam von Venedig über Mantua zu Leopold I (der eigene musikalische Werke hinterließ), wo er 1700 Vize-Kapellmeister, unter Karl VI., dann kaiserlicher Hofkapellmeister in Wien wurde. International vernetzt sind auch die Macher der Reihe. Ihr Publikum dürfte es heute einfacher haben, die Konzerte zu besuchen. Von der Grenze am Reschenpass in die Innsbrucker Hofkirche sind es keine 120 Kilometer, wobei die eine oder andere Konzertwiederholung, besonders zum Thema Marienberg, auch in der Heimat des künstlerischen Leiters Marian Polin angedacht ist.

Katharina Hohenstein
Katharina Hohenstein

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