Regisseur Harry Putz im Gespräch mit Moderatorin Brigitta Villaronga.
Auf dem Filmplakat ist das Gletscherbegräbnis am Großglockner zu sehen.
Am Podium (v.l.): Klaus Bliem, Rainer Prinz, Elmar Pichler-Rolle und Brigitta Villaronga.

Vom Holozän zum Anthropozän

Naturdokumentarfilm „Requiem in Weiß“ rüttelt auf. „Mit dem Gletscherschwund geht uns ein Stück Heimat verloren.“

Publiziert in 7 / 2025 - Erschienen am 8. April 2025

Schlanders - Sehr gut besetzt war der Veranstaltungsraum KASINO in der BASIS in Schlanders, als der Naturdokumentarfilm „Requiem in Weiß - das würdelose Sterben unserer Gletscher“ auf dem Programm stand. Im Film stellt der Dokumentarfilmer Harry Putz aus Vorarlberg seine Sicht des Sterbens der Gletscher dar. Geografisch wird der Bogen vom Rhonegletscher, über die Zugspitze und Sölden bis zum Schnalstaler Gletscher gespannt. Ausgangspunkt des Films ist ein symbolisches „Gletscherbegräbnis“ samt geistlicher Begleitung an der Pasterze im September 2023, eine Aktion der NGO Protect our Winters. Putz ist sich sehr wohl des Konflikts zwischen Naturschutz und touristischer Nutzung der Gletscherregionen bewusst. Seine achtsame Herangehensweise prägt auch den Film. Ausgewogen kommen Touristiker genauso wie Naturschützer sowie Wissenschaftlicher zu Wort. 

„In 20 Jahren sind die Ostalpen gletscherfrei“

So unterstreicht der bekannte Glaziologe Georg Kaser, dass Emotionen in der Klimadebatte fehl am Platz seien und dass voraussichtlich viel früher als geplant die 2-Grad-Temperaturerwärmung erreicht wird und damit das gesamte Klimasystem kollabieren wird. „In 20 Jahren sind die Ostalpen gletscherfrei“, prophezeit er im Film. Seit 1952 werden Messungen des Instituts für Glaziologie der Universität Innsbruck am Hintereisferner, am Hochjoch zwischen dem Ötz- und dem Schnalstal, durchgeführt. Im letzten Jahr ist dort die Gletscherhöhe um 4 Meter zurückgegangen. Das wirft vielfältige Probleme auf, wie die Schwierigkeit, Schutzhütten im Sommer aufgrund von Wassermangel betreiben zu können, sowie die Mur- und Steinschlaggefahr für die Bergsportler, betont der Permafrostforscher Michael Krautplatter an der Zugspitze. 

Erschreckende Bilder

Ein Schweizer Bergführer, der seit Jahrzehnten am Alteschgletscher Touren führt, wirft die Frage in den Raum, ob „die nach der Gletscherschmelze vermutlich verbleibenden drei Gebirgsseen nicht auch schön sind anzusehen“. Für viele Kinobesucher erschreckend waren die Bilder über das Ausmaß des Mikroplastiks, das durch die Abdeckung der Gletscher mit Polyprophylenfasern über Abrieb und Zersetzung über das Schmelzwasser bis ins Tal gelangt. Forscher der Uni Innsbruck arbeiten seit 20 Jahren an der Erforschung von geeigneten Materialien und haben diesen Faktor komplett außer Acht gelassen. Nun werden Versuche mit Zellulose durchgeführt, die erfolgsversprechend sind. Im Gespräch mit Moderatorin Brigitta Villaronga erklärte Regisseur Harry Putz im Anschluss an den Film seine Absicht hinter diesem über eineinhalb Jahre dauernden Filmprojekt und seinen persönlichen Weg vom Snowboarder zum Naturfilmer. „Meine Idee ist es, möglichst viele Perspektiven rund um das Gletschersterben einzubauen. Ich wurde insbesondere von der Vitalpin (einem internationalen Netzwerk von Unternehmen und Interessensverbänden, die im Dialog mit Menschen, Interessenvertretungen und der Politik versuchen Naturschutz und Wirtschaft zu verbinden, Anm. Redaktion) – nicht nur finanziell – unterstützt. Damit ist der Raum zur Diskussion aufgegangen und das war mir wichtig“. In einer kurzen Podiumsdiskussion mit Klaus Bliem, Referatsleiter für Natur und Umwelt im Alpenverein Südtirol sowie Förster, Rainer Prinz, Glaziologe und Klimatologe an der Uni Innsbruck und Elmar Pichler Rolle als Unternehmenssprecher der Athesia (u.a. Eigentümer der Schnalstaler Gletscherbahnen) und Obmann der Vitalpin wurden die verschiedenen Sichtweisen nochmals vertieft. Alle drei zeigten sich von den Bildern beeindruckt. Pichler Rolle unterstrich die Dialogbereitschaft der Wirtschaft. Prinz ging in seinem Statement auf die unmittelbaren Folgen des Klimawandels ein, wie Hitzewellen im Tal und Starkniederschläge, sowie die sogenannten Kippelemente (geringe äußere Einflüsse können unumkehrbaren Reaktionen in den Klimasystemen auslösen, wie Abschmelzen der Polareisschilder usw. Anm. der Redaktion). Bliem unterstrich die Rolle des AVS als Umweltschützer und -mahner, „denn uns geht ein Stück Heimat mit dem Gletscherschwund verloren“.

Appell an die Politik

Mehrfach wurde nicht nur am Podium, sondern auch im Publikum an die Politik appelliert, endlich klare Schritte Richtung Klimaschutz zu setzen. Auch wenn dies mit dem Legislatur-Denken im Fünf-Jahres-Rhythmus unbequem sei, „wobei jeder Bürger selbst die Verantwortung trägt, da er das passive und aktive Wahlrecht hat und mitentscheiden kann, was morgen passiert“. Matthias Weger, Extremsportler aus Meran, sah im Film ein gutes Beispiel, wie man diplomatisch Fragen aufwerfen kann, „denn Extreme schaffen nur Widerstand“ und auch er äußerte die Vermutung, dass es ohne Verbote seitens der Politik kein Umdenken geben werde. Daria Habicher, Sozialökonomin, forderte Zivilcourage und mit gutem Beispiel vorangehen, um den Klimawandel noch abzuwenden. 

Nur „akademische Übung“

Von Waltraud Plagg angesprochen wurde die skurrile Idee vom Glaziologe Felix Keller, der seit Jahren den Morteratschgletscher mit künstlicher Beschneiung retten möchte. Rainer Prinz antwortete, dass dies aus technischen, ästhetischen und wissenschaftlichen Gründen nichts bringe und bezeichnete die Aktion als eine „schöne akademische Übung“. Bereits seit 2000 gibt es den Vorschlag, das jetzige Zeitalter als Anthropozän zu bezeichnen, jenes Zeitalter, in dem der Mensch zu einem der wichtigsten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse auf der Erde geworden ist und auf dem besten Weg ist, diese zu zerstören, wie Moderatorin Brigitte Villaronga hinzufügte. 

Andrea Kuntner
Andrea Kuntner

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