Es soll tropfen
Bonifizierungskonsortium Vinschgau mit Mega-Investitionen in Beregnungsanlagen. Bald fast 100 Prozent mit Tropfberegnung abgedeckt.
Vinschgau - Schaut man sich in einigen Wäldern und Feldern im mittleren Vinschgau um, dann sieht man Bagger und Bauarbeiten. „Die Arbeiten für die Tropfberegnung laufen auf Hochtouren“, sagt Gottfried Niedermair, Geschäftsführer des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau. Was da derzeit in Schlanders, Kortsch, Göflan, Tarsch und Latsch geschieht, ist mehr als ein gewöhnliches Infrastrukturprojekt. Es ist ein weiterer Quantensprung für die Landwirtschaft im Vinschgau – ein leises, aber nachhaltiges Plätschern in Richtung Zukunft. Insgesamt werden 900 Hektar Wiesen mit einem neuen, modernen Tropfberegnungssystem ausgestattet. Die Kosten belaufen sich auf rund 15 Millionen Euro. „Das ist ein Generationenprojekt“, bringt es Gottfried Niedermair im Gespräch mit dem der Vinschger auf den Punkt. Etwa 70 Prozent der Investitionssumme stammen aus Fördermitteln des Landwirtschaftsministeriums. Den Rest stemmen die Landwirte selbst, anteilsmäßig pro Hektar. Für die Bauern kein Grund zur Sorge, wie Paul Wellenzohn, Präsident des Bonifizierungskonsortiums, betont: „Die Landwirte sehen die Vorteile ganz klar.“ So lag die Zustimmungsrate für die Arbeiten bei den Mitgliederversammlungen in vielen betroffenen Gebieten bei rund 80 bis 90 Prozent, in Göflan gar bei 100 Prozent der bei der Projektabstimmung teilnehmenden Mitgliedern. Ein Grund für diesen Zuspruch ist die Flexibilität, die das neue System mit sich bringt. „Der Bauer kann künftig dann bewässern, wann er es braucht – und auch gezielt nur dort, wo es nötig ist“, erklärt Wellenzohn. „Gerade im Frühjahr, wenn die Bäche wenig Wasser führen, kann man effizient arbeiten und sparen.“ Die Tropfberegnung bringt das Wasser direkt Richtung Wurzeln der Pflanzen – Verluste durch Verdunstung oder Wind wie bei der Überkronenberegnung werden dadurch minimiert. Einsparungen von bis zu 30 Prozent beim Wasserverbrauch seien realistisch.
Wasser wird gezielt und gerecht verteilt
Bernhard Pirhofer, Verantwortlicher der Beregnungsanlage Marein-Kandlwaal in Latsch, führt durch das Projektgebiet bei Latsch/Tarsch, wo derzeit die Leitungen eingegraben werden und der Bau der großen Filteranlage quasi abgeschlossen ist. „Das Wasser aus den Speicherbecken in Ramini bei Tarsch wird künftig durch eine moderne Filteranlage geleitet und dann gezielt verteilt – 210 Hektar in Latsch und 240 Hektar in Tarsch profitieren davon.“ In der Gemeinde Laas wurde ein solches System bereits vor knapp zwei Jahren auf über 400 Hektar Fläche realisiert – damals beliefen sich die Kosten auf über sechs Millionen Euro. Die positiven Erfahrungen von dort sprechen für sich. Wellenzohn betont, dass auch aus agronomischer Sicht kaum noch ein Weg an der Tropfberegnung vorbeiführt. „Der Landwirt kann nun Pflanzenschutzmittel ausbringen, mulchen oder sogar nebenbei ernten – ohne auf ein fixes Beregnungsfenster warten zu müssen.“ Besonders während der Blütezeit, wenn wegen Feuerbrandgefahr ein Beregnungsverbot für Überkronenberegnung gilt, bietet die Tropfvariante den entscheidenden Vorteil: Sie darf weiterlaufen. Der Wandel ist dabei nicht nur technischer, sondern auch ökologischer Natur. Niedermair verweist auf den gesellschaftlichen Mehrwert. So werde der schonende Umgang mit Wasser immer wichtiger, es bleibe schlichtweg mehr Wasser in den Bächen: „Die Umwelt profitiert.“ Die Tropfberegnung sei nicht nur gerechter, sondern auch nachhaltiger. Ein Konzept, das in Zeiten des Klimawandels mehr denn je überzeugt. Pirhofer ergänzt: „Wir müssen uns an veränderte Bedingungen anpassen. Durch die große Sortenvielfalt in unserer Region ernten wir von August bis Dezember – da ist eine punktgenaue Bewässerung Gold wert.“
Bald flächendeckende Tropfberegnung
Mit dem aktuellen Projekt schreitet die Umstellung im Vinschgau weiter zügig voran. Zur Erinnerung: Das Bewässerungseinzugsgebiet des Bonifizierungskonsortiums zählt rund 8.500 Hektar. Es reicht von den Gemeinden Partschins bis Mals. Den Obstbau betreffen rund 5.000 Hektar - nach Abschluss der laufenden Maßnahmen sind etwa 4.000 Hektar mittels Tropfberegnung versorgt. Weitere Projekte in Schlanders sind bereits genehmigt und finanziert, einzig für Morter und die Zone Plafad in Latsch steht die Finanzierung noch aus. Wenn auch dieses Projekt realisiert wird, ist spätestens 2027 eine nahezu flächendeckende Umstellung im Obstbaugebiet erreicht. In Prad werden lediglich einige hundert Hektar vorerst noch ohne gemeinschaftliche Tropfbewässerung bleiben, da in diesem Einzugsgebiet viele Mischkulturen vorhanden sind. Die Umsetzung der laufenden Projekte in Kortsch/Göflan und Latsch/Tarsch verantwortet die Bietergemeinschaft Mair Marx Hofer. Das Konsortium bedankt sich ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit: „Viele lokale Partner wurden ins Boot geholt – das stärkt die Region zusätzlich“, so Niedermair. In Tarsch ist die Filteranlage bereits fertiggestellt, schon bald soll es für die Tarscher und Latscher Landwirte eine erste Probebewässerung geben. Der reguläre Betrieb ist dann ab der Bewässerungssaison 2026 geplant – exakt ein Jahr nach Projektbeginn. Auch die Arbeiten in Schlanders, Kortsch und Göflan schreiten zügig voran und sind bis spätestens Herbst des kommenden Jahres fertig.
„Ein Meilenstein“
Die ersten Tropfbewässerungsanlagen waren im Vinschger Einzugsgebiet bereits vor über 20 Jahren in Betrieb genommen und als alleiniges Bewässerungssystem genutzt worden. Dass die Umstellung auf Tropfberegnung kein kurzfristiger Trend, sondern ein langfristiger Strategiewechsel ist, macht Wellenzohn deutlich: „Vor 50 Jahren war die Überkronenberegnung ein Meilenstein. Doch mit den heutigen Anforderungen – knapper werdende Wasserressourcen, flexible Bewirtschaftung, Klimawandel – braucht es ein System, das zukunftsfähig ist.“ Dort, wo eine Frostberegnung weiterhin nötig sei, setze man zusätzlich auf die Überkronenberegnung. Zudem könne sie in Zeiten, wo es mehr als genug Wasser gebe, verwendet werden. Größere Investitionen in diese Technik seien jedoch zu hinterfragen.
