Rundum gesund
Fronthaler referiert in Prad. „Haben Sie manchmal ein Date mit sich selbst?“
Prad - „Rundum gesund“ lautete das Thema des gut besuchten Vortrags- und Diskussionsabends, der am 16. April im Rahmen der Prader Nachhaltigkeitstage „Nochholtig guat“ im Bürgersaal im Rathaus stattgefunden hat. Der Referent Martin Fronthaler, Psychotherapeut und Leiter des Therapiezentrums Bad Bachgart, befasste sich mit der seelischen Gesundheit. „Hinter allen psychischen Erkrankungen von Menschen stecken auch gesunde Anteile“, schickte Fronthaler voraus. Die Ursachen dafür, warum Menschen, die eigentlich gesund sind, in eine Krise geraten können, sind vielschichtig. Trennungen und finanzielle Probleme können ebenfalls der Auslöser sein, wie Einsamkeit, Leistungsdruck oder Verlust von Angehörigen. Entscheidend für die Überwindung von Krisen sei die Resilienz, sprich die Fähigkeit eines Menschen, sich trotz widriger Umstände, Niederlagen, Krankheiten oder anderer Kümmernisse wieder zu fangen und neu aufzurichten. Menschen, die früh gelernt haben, negativen Einflüssen standzuhalten und sich im Laufe des Lebens weiterzuentwickeln, können Rückschläge besser verarbeiten. Eine große Rolle spielt das Lernen des Umgangs mit Emotionen, und zwar nicht nur mit positiven, sondern auch negativen wie Trauer, Wut oder Aggression. In der heutigen Gesellschaft werde laut Fronthaler oft versucht, „Kinder und Jugendliche unbeschadet und heil durch das Leben zu bringen.“ Die Kehrseite diese Medaille sei aber, dass sie im Falle von Krisen nicht gut gewappnet sind, um sie zu bewältigen. Als seine größte Sorge nannte Fronthaler die zunehmende Individualisierung und Vereinsamung junger Menschen. Stark gefördert werde diese Entwicklung von der übermäßigen Nutzung, ja Abhängigkeit vom Smartphone: „Schon 9- bis 10-jährige Kinder stecken tief im Smartphone-Kanal, sodass die zwischenmenschliche Kommunikation leidet.“ Allen Störungsbildern, sei es Depression, Angst oder Panik, liege der verzweifelte Versuch der Betroffenen zu Grunde, Kontrolle zu erfahren und etwas zu fühlen: „Das Ritzen gibt Jugendlichen das Gefühl, dass sie zumindest den Schmerz spüren.“ Zur Steigerung der seelischen Widerstandskraft können nicht zuletzt Gruppen und Gemeinschaften beitragen, in denen Werte und der Zusammenhalt großgeschrieben werden. Auch mit Tipps und Vorschlägen zur Steigerung der individuellen Resilienz wartete Fronthaler auf: Akzeptieren, was da ist und nicht verändert werden kann, sich selbst wertschätzen, auf die eigene Handlungsfähigkeit vertrauen, ein Beziehungsnetz aufbauen und erweitern, die Zukunft planen, den Humor nicht außen vor lassen, den Körper als Quelle für Resilienz sehen und somit auf gesunde Ernährung, viel Bewegung und ausreichend Schlaf achten, selbst für sich sorgen und sich mit sich selbst beschäftigen. Als der Referent die Frage in den Saal warf, ob jemand manchmal eine Verabredung mit sich selbst treffe, blieb es ruhig. Im Lauf der Diskussion wurden auch Fragen zu Alkoholmissbrauch und anderen Abhängigkeiten sowie weiteren Themen aufs Tapet gebracht. Der Alkohol ist laut Fronthaler weiterhin „Südtirols Volksdroge“ Nummer eins. Die Zahl der Jugendlichen, die übermäßig trinken, nehme zwar seit Jahren ab, „aber die Restgruppe ‚kübelt’ heftig.“ Im Vergleich zu Alkohol und Nikotin sei der Konsum von Cannabis statistisch gesehen beinahe irrelevant. Erfreulich sei, dass immer mehr junge Menschen bereit seien, über Abhängigkeiten und psychische Erkrankungen offen zu reden. Stark sei, wer Gefühle zeigt. Nachholbedarf gebe es im Bereich der Selbsthilfe in Form von Selbsthilfegruppen. Waltraud Telser Gianordoli dankte dem Referenten im Namen aller Organisatoren der „Nachhaltigkeitstage“ für den aufschlussreichen Vortrag. Abgeschlossen wird die Reihe „Nochholtig guat“ am 26. April mit dem „Aktionstag zum Thema Nachhaltigkeit“ auf dem Hauptplatz (Flohmarkt, Thementische, Essen, Musik).
