„Autonomie-Fenster öffnet sich“
Albrecht Plangger und Renate Gebhard berichten von der „historischen“ SVP-Landesversammlung in Vahrn.
Vahrn/Vinschgau - Von einer „historischen“ Landesversammlung der SVP sprechen der ehemalige Vinschger Kammerabgeordnete Albrecht „Abi“ Plangger und die amtierende Abgeordnete Renate Gebhard. Sie waren bei der außerordentlichen Versammlung, auf welcher 98,37 Prozent der SVP-Funktionäre der Autonomie-Reform zustimmten, dabei und haben uns folgenden Beitrag zukommen lassen. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist gemacht, aber der Weg ist noch lang. Es braucht doppelte Lesungen in Kammer und Senat mit einer 3-monatigen „Nachdenkpause“ dazwischen und am Ende eine absolute Mehrheit. Das Ganze soll spätestens bis zum Frühjahr 2027, dem natürlichen Ende der aktuellen Legislaturperiode, über die Bühne gehen. Das bedeutet: die Zeit ist knapp, „Betriebsunfälle“ darf es keine geben. In Rom hat sich eine Chance ergeben und diese gilt es nach guter SVP-Tradition zu ergreifen. Um es mit Silvius Magnago zu sagen: „Die Blumen am Wegrand zu pflücken“. Das war das Erfolgsrezept der Südtiroler Volkspartei in den letzten Jahrzehnten und wird es auch in Zukunft sein. Die italienischen Regionen mit Normalstatut - vor allem jene im Norden, sprich Lombardei, Veneto, Emilia Romagna usw. - versuchen seit Jahren, mehr Kompetenzen und mehr gesetzgeberische Autonomie zu bekommen, während die Kompetenzen der Regionen mit Sonderstatut, wie Trentino-Südtirol, durch die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes immer wieder beschnitten wurden. Also beschlossen auch die Sonderautonomien, die Gunst der Stunde zu nutzen und der Regierung einen Vorschlag nach mehr oder klareren Kompetenzen zu übergeben. Unser Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde sogar zum Sprecher der 5 Regionen ernannt. Aber bald schon ist die Region Sardinien mit einer neuen 5 Sterne-Regionalregierungspräsidentin vom gemeinsamen Projekt ausgeschieden, sodass sich Kompatscher und der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti gezwungen sahen, ihre Wünsche und Forderungen allein mit der Regierung und dem Regionenminister Roberto Calderoli weiter zu verhandeln.
Mit Erfolg!
Das Ergebnis der Verhandlungen, deren Ursprung in der Antrittsrede von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Jahr 2022 mit dem Versprechen an Südtirol, die verlorenen Kompetenzen wiederherzustellen, liegt, ist nun da: Am Montag, 14. April um 19.20 Uhr werden die SVP-Funktionäre in Vahrn begrüßt, das Präsidium und die Stimmzähler gewählt. Auch der Bezirk Vinschgau ist trotz der Entfernung mit seinen Stimmrechten gut vertreten. Es fehlen nur Ortsgruppen, in denen wegen der Gemeindewahlen zeitgleich Wahlveranstaltungen stattfinden. Der Innsbrucker Universitätsprofessor und Autonomieexperte Walter Obwexer zeigt den Inhalt des Verhandlungsergebnisses auf und bewertet es aus juridischer Sicht (siehe Infokästen).
Die Ausführungen und Erklärungen von Walter Obwexer waren aus unsere Sicht „allumfassend und verständlich.“ Fragen zu Sachthemen aus dem Publikum beantwortete er mit höchster Professionalität, aber auch mit Sympathie.
Danach kam das absolut Neue
Die Grußbotschaft des Regionenministers Calderoli, eines ausgewiesenen Autonomie-Freundes und Kämpfers für mehr Kompetenzen für die Regionen mit Normalstatut, bewerten wir als eine selbstredende Interessensbekundung, die Reform auch beim langen Weg durch das Parlament zu begleiten und zu Ende zu bringen. Senator Meinhard Durnwalder hat als Mitglied der 6er- und 12er-Kommission vor allem am „technischen Tisch“ zum sehr guten Ergebnis beigetragen. Er hob hervor, dass es im Rahmen solcher Verhandlungen auch notwendig ist, auch die Anliegen der Italiener in die Reform einzubinden. Das Interesse der Italiener an dieser Reform ist die größte Garantie, dass der Weg durch das Parlament hoffentlich ohne „Betriebsunfälle“ verläuft. Es brauche jetzt in Rom – vor allem bei den Parlamentariern – ein gutes, gemeinsames Auftreten. Parteiobmann Dieter Steger stellte die zu genehmigende „Resolution“ vor und warb mit viel Schwung für ein neues Autonomieverständnis. Die SVP sei die Autonomie-Partei, an der dynamischen Autonomie könne weitergearbeitet werden. Man müsse auch etwas wagen, um etwas gewinnen zu können. Bei den Verhandlungen mussten auch Kompromisse eingegangen werden, aber diesen könne man mit gutem Gewissen zustimmen. Der Protagonist des Abends war Landeshauptmann Arno Kompatscher. Er hat als Verhandlungsführer die Hauptverantwortung getragen und musste sich in den vergangenen Monaten viel Unehrenhaftes gefallen lassen. Das Ergebnis ist sehr gut und das Abstimmungsergebnis hat dies bestätigt. Man habe auf keine Minderheitenrechte verzichtet, sondern gemeinsam mit den Italienern sinnvolle Anpassungen des Statutes gemacht, die Autonomie somit weiterentwickelt und damit zur Aufrechterhaltung des friedlichen Zusammenlebens beigetragen. Bemerkenswert war die Wortmeldung von Karl Zeller und seine Aufforderung, nicht auf Leute zu hören, „die in der Suppe mit allen Mitteln das Haar suchen, obwohl sie die Suppe selbst schon überhaupt nicht wollen.“
Mehr Verantwortung
Mit dieser Reform steigt aber gleichzeitig die Verantwortung, wie dies schon der Verfassungsrechtler Francesco Palermo in den Vortagen angemahnt hatte. Und die Landesgesetze „müssen besser werden.“ Für eine gute Umweltpolitik, auch rund um den Nationalpark, für eine sinnvolle, an die Südtiroler Realität angepasste Regelung der Abfallbewirtschaftung wird nun Südtirol Verantwortung tragen müssen und dürfen.
Reform des Autonomiestatus
Die Minderheitenschutzbestimmungen bzgl. Wahlrecht (Ansässigkeitsklausel von 4 Jahre auf 2 Jahre) und Kann-Bestimmungen bei Zusammensetzung Landesregierung und Gemeindeausschuss werden nicht aufgeweicht (ohne Zustimmung des Gemeinderates bzw. des Landtages nicht möglich), sondern sind sinnvolle Anpassungen des Statutes zu Gunsten aller Sprachgruppen zu bewerten. Die Herabsetzung der Aufenthaltsdauer für das Wahlrecht von 4 auf 2 Jahren (Trient und Aosta haben nur ein Jahr) betrifft zwar auch die Italiener, ist aber auch ein Vorteil für unsere Studenten, die einige Zeit im Ausland leben und nach ihrer Rückkehr nicht mehr vier Jahre warten müssen, bis sie wählen dürfen.
Primäre (ausschließliche) Zuständigkeiten bei der Ordnung der Landesämter und des zugewiesenen Personals. Die Zuständigkeiten bei Raumordnung und Bauleitplänen werden weitergefasst: Raumordnung inklusive Stadtplanung, Bauwesen und Flächennutzungspläne. Mehr autonome Kompetenzen bei der Regelung öffentlicher Dienste wie z. B. bei der Abfallbewirtschaftung (ganz wichtig!). Verloren gegangene Kompetenzen werden zurückgeholt.
Durchführungsbestimmungen über die 6er- und 12er-Kommission können in Zukunft auch zur „Harmonisierung“ der Kompetenzen zwischen Staat und Land eingesetzt werden.
Neue Zuständigkeiten für das Land gibt es Im Bereich „Schutz der Umwelt und des Ökosystems“ und beim Wildtiermanagement (Bär, Wolf, Steinwild, Murmeltier, Fuchs, Dachs, Kormoran) sowie bei Wasserbauten, kleinen und mittleren Wasserableitungen zur Erzeugung elektrischer Energie und Handel (Ladenöffnungszeiten).
Die neue Bezeichnung der Region in italienischer Sprache „Regione Trentino-Alto Adige/Südtirol“ und die Begriffe „Provincia autonoma“ betonen die Autonomie und die „Spiegelung“ entspricht der Gleichstellung der deutschen mit der italienischen Sprache. Das ist ein wichtiges Signal.
Das Einvernehmensprinzip bei Abänderungen des Autonomiestatutes wird als wichtiger Meilenstein festgeschrieben. Ohne Einvernehmen mit der Region und den Ländern kann das Parlament nur beschließen, sofern die bestehenden Autonomierechte nicht angetastet werden. Die sogenannte „Schutzniveausicherungsklausel“ ist von besonderer Relevanz. Im Begleitbericht wird zusätzlich auf das international verankerte Schutzniveau von 1992 verwiesen.
Der Landtag erhält mehr gesetzgeberischen Spielraum. Die vom Verfassungsgericht immer wieder herbeigezogenen Schranken der „grundlegenden Bestimmungen der wirtschaftlich sozialen Reformen“ wird gestrichen. Die Schranke der Achtung des „nationalen Interesses“ bleibt zwar, aber damit hat bisher das Verfassungsgericht unsere Kompetenzen nicht beschnitten. Die Schranke der in den Gesetzen des Staates festgelegten Grundsätze wird auf die wesentlichen Grundsätze („principi fondamentali“) reduziert.