Nathalie und Kevin Trafoier nahmen sich Zeit für ein ausführliches Interview mit dem der Vinschger.
In der Sternekategorie muss auch das Ambiente passen, wie im Speisesaal des Kuppelrain.
Mit viel Liebe zum Detail: Chefkoch Kevin Trafoier beim Anrichten der Speisen.
Zahlreiche Zutaten stammen aus dem eigenen Garten.
Ein Mitfaktor für den Stern: Die süßen Köstlichkeiten von Nathalie Trafoier.

Dort, wo der Stern leuchtet 

Über Herausforderungen der Sterneküche, Michelin-Mythen, die internationalen Kuppelrain-Gäste und mehr: Die Juniorchefs vom einzigen Vinschger Sternerestaurant im Interview.

Publiziert in 2 / 2025 - Erschienen am 28. Januar 2025

Kastelbell - Auszeichnungen gab es zuletzt für das Restaurant Kuppelrain in Kastelbell zuhauf. Erst Ende des vergangenen Jahres wurde das Gourmet-Lokal neben acht weiteren Südtiroler Restaurants in die französische Liste der 1000 weltweit besten Restaurants („La Liste Top 1000 Restaurants 2025“) – ein vergleichsweise junges, aber sehr populäres Gourmet-Ranking – aufgenommen. Die prestigeträchtigste Bestätigung ist aber natürlich der Michelin-Stern, der 2001 für den Betrieb erstmals leuchtete. Damals gab es nur eine Handvoll Lokale in ganz Südtirol mit einem Stern. Seitdem wurde der Stern stets bestätigt, auch im aktuellen Guide Michelin scheint das Lokal mit einem Stern auf. Im Vinschgau ist das Restaurant damit ohnehin einzigartig. Kein Wunder, dass es galt, die Familiengeschichte zu Buche zu bringen. Im Herbst 2024 erschien „Zu Gast im Kuppelrain: Gelebte Nachhaltigkeit in der Sterneküche“. Und auch der Generationenwechsel wurde bereits auf den Weg gebracht. Seit rund 10 Jahren sind Kevin und Nathalie Trafoier in den Familienbetrieb miteingestiegen: Kevin als Chefkoch, Nathalie als Verantwortliche für die Patisserie und alle süßen Köstlichkeiten. Die jüngste der Trafoiers, Giulya, hilft ebenfalls bereits tatkräftig mit. Die Eltern, der frühere Chefkoch Jörg Trafoier im Service und Sonya Egger Trafoier in der Weinbegleitung (sie hat 2022 als erste Frau in Italien den Michelin Sommelier Award erhalten), sind im Betrieb aber freilich nach wie vor omnipräsent. der Vinschger hat mit Nathalie und Kevin Trafoier gesprochen. 

der Vinschger: Welche Herausforderung ist es, den Stern immer wieder zu verteidigen, insbesondere mit dem Generationenwechsel? 

Kevin: Ich habe es eigentlich immer locker gesehen. Wir haben immer das Beste gegeben, geben heute noch unser Bestes und werden auch weiterhin alles geben. Natürlich wäre es richtig schade, wenn es plötzlich nicht mehr reichen würde und klar wäre es ein großer Verlust. Das Kribbeln und die Nervosität, wenn der Michelin-Guide im November herauskommt, sind schon immer da. Aber es ist sicher nicht so, dass ich deshalb nicht mehr schlafen kann.  

Nathalie: Wir hoffen natürlich immer, dass es mit unserem Familienbetrieb auch weiterhin für den Stern reicht, unser Vater kommt meist gleich sobald der Michelin-Guide erschienen ist mit diesem zu uns. Aber das Datum haben wir nicht eingekreist (lacht).

Was macht eine Gourmet-Küche aus? 

Kevin: Man darf nicht stehen bleiben und muss stetig versuchen sich weiterzuentwickeln. Wir versuchen immer wieder Neues in der Küche, setzen aber auch auf zeitlose Klassiker, die unsere Gäste seit jeher zu schätzen wissen. Zudem werden aus Experimenten oft solche Klassiker. Zum Beispiel war der Wolfsbarsch mit Safran, Speck und Kimchi nur ein Versuch. Auf die Idee bin ich gekommen, weil eben eine Vinschger Firma begann, Kimchi zu produzieren und auch Safran seit einigen Jahren direkt in Tschars angebaut wird. Da es uns generell wichtig ist, auf lokale Kreisläufe und Nachhaltigkeit zu setzen, ist diese Kombination entstanden. Aus dem Versuch – von dem ich anfangs selbst nicht begeistert war – wurde ein voller Erfolg, die Gäste waren und sind voll des Lobes. Nun ist das Gericht nicht mehr aus unserer Küche wegzudenken. 

Wie funktioniert die Vergabe der Michelin-Sterne? 

Kevin: Dazu gibt es sehr viele Mythen. Der einzige Fakt ist: Es kommen Testerinnen bzw. Tester, sogenannte Inspektoren. Offiziell gibt es in Italien fünf, sechs davon. Es kann jeder sein; ein Pärchen, Mann oder Frau alleine am Tisch, eine kleinere oder größere Gruppe. Man weiß es einfach nicht. Man weiß auch nicht, wann sie kommen und es kann auch sein, dass mehrmals getestet wird. Wir kennen sie nicht. 

Nathalie: Sie kommen anonym und sie bleiben anonym. 

Kevin: In den vergangenen 25 Jahren hatte sich erst zweimal ein Tester im Nachhinein ausgewiesen. Als wir den Stern anfangs erhielten, war es ein Schweizer. Warum damals ein Schweizer und kein Italiener das Lokal getestet hat, wissen wir nicht. Es könnte ein Zweittester gewesen sein. Sobald aber ein Tester in einem Gebiet bekannt ist, also nicht mehr anonym ist, dann darf dieser dort auch nicht mehr testen. Privat darf er natürlich weiterhin kommen. 

Welche Auszeichnung bedeutet euch am meisten? 

Nathalie: Am meisten bedeutet uns ehrlich gesagt, dass die Stammgäste immer wieder kommen, auch internationale Gäste. Dies ist die schönste Auszeichnung. 

Spätestens sobald ein Michelin-Stern im Spiel ist, wird die Gästeliste internationaler. Aus welchen entfernten Ländern kommen eure Gäste?

Nathalie: Zu uns kommen zum Beispiel viele US-Amerikaner, die in Italien Urlaub machen. Diese unternehmen teils regelrechte „Sterne-Touren“ in Südtirol, sprich sie besuchen so viele Michelin-Restaurants in Südtirol wie möglich. 

Kevin: Auch Gäste aus dem Osten, wie etwa Tschechien, werden immer mehr. Abgenommen haben die Gäste aus dem asiatischen Raum. Russen hatten wir noch nie wirklich viele. Die meisten internationalen Gäste kommen aber natürlich aus dem nahegelegenen Ausland, insbesondere der Schweiz.

Spielt die Lage im Vinschgau für die Sterneküche eine Rolle – ob Vor- oder Nachteil? 

Kevin: Als Durchzugstal ist der Vinschgau vielleicht eher ein Vorteil. Aber ein großer Faktor ist die Lage für ein Sternerestaurant denke ich nicht. 

Neben dem Sternerestaurant bietet ihr mit dem Bistrot „Le petit Kuppelrain“ eine Mittagsküche an. Ist die Sterneküche allein nicht lukrativ genug? 

Kevin: Da wir Kinder auch in den Betrieb eingestiegen sind, galt es den Betrieb zu vergrößern. Die Ressourcen waren da. Daher haben wir uns vor einigen Jahren dazu entschieden, auch Mittagsgerichte anzubieten. Im Gegensatz zur abendlichen Sterneküche werden hier auch einfachere Gerichte angeboten, im Rahmen eines Mittagsmenüs oder als kleinere Gourmet-Menüs. Zudem gibt es mittags im Gegensatz zu abends auch eine Tageskarte. Nicht zuletzt kommen Nathalies Nachspeisen durch die Öffnungszeiten am frühen Nachmittag noch mehr zur Geltung. 

Nathalie: Für viele junge Menschen aus dem Ort ist das preiswertere Mittagsmenü vielleicht auch eine gute Gelegenheit, sich an die Gourmet-Küche heranzutasten. 

Wolltet ihr persönlich schon immer diesen Weg einschlagen? 

Kevin: Als Jugendlicher hätte ich noch nicht daran gedacht, damals haben mich insbesondere die Arbeitszeiten eher abgeschreckt. Ich dachte mir, man verpasst einfach viel zu viel. Die Abende in der Gastronomie, wo bis spät in die Nacht gearbeitet wird, sah ich damals als verlorene Abende an. Eine Oberschule für das Gastgewerbe kam für mich nicht infrage, daher absolvierte ich die damalige Fachoberschule für Grafik und Design in Meran. Als ich ein Praktikum im Architekturbüro von Walter Dietl in Schlanders machte, wurde mir jedoch schnell klar, dass es in jedem Beruf – wenn man erfolgreich sein will – lange und außergewöhnliche Arbeitszeiten gibt. Da das Kochen schon immer meine Leidenschaft war, hat es sich dann ergeben, dass ich in den Betrieb hineingewachsen bin. 

Nathalie: Wir wollten uns alle Möglichkeiten offenhalten, auch unseren Eltern war wichtig, dass wir eine Oberschule besuchen, die uns andere Chancen bietet. Mich interessierten Jura, Medizin und eben Chocolaterie. Nach der Matura im Sprachenlyzeum absolvierte ich eine Lehre zur Konditorin und arbeitete in Brüssel beim Meisterchocolatier Laurent Gerbaud. Die Leidenschaft für das Süße und die gute Küche war immer schon da, bereits als Kind habe ich gerne gekocht und herumprobiert. Ich denke, heute können wir sagen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.