Die Tage sind gezählt…
…wenn man einem Volk seine Sprache nimmt.
Kastelbell - Die Schützenkompanie Kastelbell unter Hauptmann Dietmar Pixner versuchte herauszufinden, welche Bedeutung den Katakomben-Schulen und den vorzugsweise weiblichen Lehrpersonen zukommt im Ringen um die Identität der Südtiroler als österreichische Minderheit. Die Kompanie wollte wissen, wie sich die Südtiroler seit mehr als einem Jahrhundert ihre angestammte Kultur und die vielen Dialekte als Minderheit unter einem 50 Millionen-Volk behaupten konnten. Um Antworten auf diese Fragen bemühte man sich über ein Projekt in Zusammenarbeit mit dem Bildungsausschuss und der Bibliothek. Dazu sollten auch eine Filmvorführung, die Buchvorstellung mit der Historikerin, ehemaligen Oberschullehrerin und Politikerin Eva Klotz und dem einstigen Landeskommandanten der Schützen und Herausgeber Werner Thaler, eine Wanderausstellung im Widum des Kastelbeller Dorfteils Marein und ein Vortragsabend mit der Historikerin und Landespolitikerin Martha Stocker i. R. beitragen. Die Vorstellung des Buches im Kastelbeller Rathaussaal eröffnete Werner Thaler mit dem Hinweis „Ein jedes Wissen des Menschen beginnt mit der Muttersprache“ und der Verstärkung durch ein Wilhelm von Humboldt-Zitat: „Die wahre Heimat des Menschen ist eigentlich die Sprache.“ Es folgte als Negativbeispiel die Assimilierung der Elsässer durch die Franzosen, aufgezeichnet von einem Elsässer Historiker. Eva Klotz zitierte dazu, wie das „Elsässerditsch“ verspottet wurde und zu Komplexen führte. Thaler stellte die Entwicklung der Schulsysteme in der Monarchie Österreich-Ungarn und in Italien gegenüber und ging auf die teils offenen, zum Teil unterschwelligen Maßnahmen der italienischen Behörden ein, die deutsche Sprache aus den Schulen zu verbannen. Der „Laager Schulstreit“ von 1919/1920 und die Willkür der Behörden nahm breiten Raum am Abend der Buchvorstellung ein. Detailliert gingen die beiden Referenten auf den Widerstand der Laager (Laag bei Nemarkt) ein, die deutsche Schule zu schließen, auf das Verbot, an die alten Tiroler Helden zu erinnern und den Tiroler Adler im Wappen führen.
„Die Deutschen brauchen keine Schulen“
Als Höhepunkt „der Deutsch-Verachtung“ trug Klotz dann die Episode um den italienischen Unterpräfekten Giuseppe Bolis vom 3. November 1923 vor, der 600 protestierenden Müttern die Worte an den Kopf warf: „Die Deutschen brauchen keine Schulen. Und Italien braucht keine Deutschen.“ Daraus hat die Autorengruppe dann den aufrüttelnden Buchtitel entnommen und zum Nachdenken über die Aktualität der Sprachvermischung derzeit in Südtirol den Untertitel mit Fragezeichen „Südtirols Geschichte oder Zukunft?“ gewählt. Koordiniert von der Historikerin Margareth Lun sind 14 Autoren in 13 Kapiteln über 188 Seiten auf „100 Jahre Südtiroler Schulgeschichte“ eingegangen. Der Druck erfolgte im Verlag: Effekt!Buch, Neumarkt. Herausgeber ist der Verein Südtiroler Geschichte. Der Preis beträgt 24,90 Euro.
