Nah am Käse
Tag der offenen Sennalmen
Sepp Ladurner (links) bei der Führung durch den Verarbeitungsraum.
Gottfried Gurschler, der Vater der Hirtin, sorgte für Musik.
Feststimmung vor der Alm.
Gruppenbild mit Almleuten und Gästen auf der Kaproner Alm (v.l.): Almmeister Rudl Pinggera, Hirtin Margarita Gurschler, Sennin Birte Adomat, Wanderführer Theo Plangger, die Gäste-Paaer Heiko und Silke Zorn sowie Rüdiger und Anja Fuchs, Senn Sepp Ladurner und die Zuhirtinnen Collin Mönter und Lisa Gamper.

Tiefe Einblicke

Führungen und Verkostungen für Einheimische und Gäste auf Kuhalmen im Vinschgau.

Publiziert in 14 / 2024 - Erschienen am 31. Juli 2024

Langtaufers - Er schmeckt gut, ist qualitativ hochwertig und alles andere als das, was man Billigware nennt. Viele kennen ihn zwar, den Vinschger Almkäse, aber was hinter seiner Herstellung steckt, wissen so manche nicht. Um Gästen und Einheimischen einen tiefen Einblick in das Leben und Arbeiten auf den Sennalmen zu bieten, hat Vinschgau Marketing am 27. Juli in Zusammenarbeit mit den Tourismusvereinen und den Vinschger Almvertretern auch heuer zu einem „Tag der offenen Sennalmen“ eingeladen. Auf der Prader Alm, Schlanderser Alm und Schliniger Alm gab es Führungen und Verkostungen. Den „Tag der offenen Sennalm“ auf die Kaproner Alm in Langtaufers hatte die Ferienregion Reschenpass zudem mit einer Almwanderung verknüpft. Es waren zwei Gäste-Paare aus Deutschland, Silke und Heiko Zorn aus der Nähe von Gera im Osten Thüringens sowie Anja und Rüdiger Fuchs aus Frankfurt, die der Wanderführer Theo Plangger um 9.30 Uhr auf dem Areal vor dem Alt-Grauner Kirchturm willkommen hieß. Es dauerte nur wenige Minuten, bis die Gruppe die Annakapelle erreichte und somit den Lärm und Trubel beim Turm-Areal hinter sich lassen konnte. Die Wanderung führte zunächst entlang des Panoramaweges, über den man von Graun bis nach nach Melag, dem hintersten Weiler von Langtaufers, gelangt.

Wie war das mit der Seestauung?

Zumal beide Gäste-Paare zum ersten Mal einen Urlaub im Oberland verbrachten, legte Theo Plangger entlang der Wanderung immer wieder kurze Pausen ein, um den Gästen aus dem „Flachland“ zu erzählen, was es mit der Seestauung auf sich hat, was am Rand des Wanderweges bei Malsau und Raffein blüht und gedeiht, was die Aufschrift „Krampusloch“ bedeutet, auf die man an der Holzbrücke über den Karlinbach stößt und warum es auf die Zapfen der Zirben im Rieglwald nicht nur die Tannenhäher abgesehen haben. Als die Worte der Menschen vom Rauschen des Bachs aus dem abgeschiedenen Roselltal übertönt wird, wo sich die Ochsenberg Alm (2.198 Höhenmeter) befindet, wird es spannend. „In Kürze sind wir auf der Kaproner Alm“, kündigt Theo Plangger an. Vor rund einer Stunde hat die Gruppe noch die Feuerwehrsirene und Kirchenglocken von Pedroß herauf gehört.

„Aufgestanden wird um 3.45 Uhr“

Zum Empfang auf der Kaproner Alm, die am Eingang des Kuhtals auf 1.965 Höhenmetern liegt, gibt es das, was auf der Alm Tag für Tag mit viel Herzblut, Leidenschaft, Können, Hingabe und harter Arbeit hergestellt wird: Almkäse. Der Almmeister Rudl Pinggera aus Kapron schlüpfte anlässlich des Tages der offenen Sennalm in die Rolle des Grillmeisters. Die Alm gehört der Alminteressentschaft Kapron, die derzeit 26 Mitglieder zählt. „Die Melkkühe stammen aus Langtaufers und weiteren Orten des Vinschgaus und darüber hinaus“, verrät der Almmeister. Gehütet werden die 50 Melkkühe, bei denen auch ein Stier dabei ist, und das Galtvieh, unter dem sich 60 Muttertiere befinden, von der jungen Hirtin Margarita Gurschler aus Unser Frau im Schnalstal. Sie verbringt schon den dritten Sommer auf der Kaproner Alm und kann sich keine schönere Arbeit vorstellen. Heuer erfolgte der Auftrieb am 13. Juni. „Es hat viel geregnet, die Weide ist gut“, so Margarita. Für die Verarbeitung der Kuhmilch – täglich bis zu 1.000 Liter – zu Käse und Butter ist seit zwei Jahren die erfahrene Sennin Birte Adomat zuständig. Sie führte in den Arbeitsalltag auf der Am ein: „Aufgestanden wird täglich um 3.45 Uhr.“ Die Kühe werden morgens und abends zum Melken in den Stall geholt. Während der Zeit dazwischen steht  die Arbeit in der Sennerei in der Almhütte im Mittelpunkt des Tagesgeschehens. Einen regelrechten Buschenschank gibt es auf der Kaproner Alm zwar nicht, aber eine kleine Marende und Getränke werden den gelegentlichen Besuchern natürlich nicht vorenthalten. Die Milch von rund 120 Ziegen, die zwei Mal täglich auf der Ochsenberg Alm gemolken werden, wird täglich zur Kaproner Alm gebracht und dort vom Senn Sepp Ladurner zu Ziegenkäse verarbeitet. Für die weitere Pflege kommt der Ziegenkäse wieder zurück auf die Ochsenberg Alm. Vor seiner Tätigkeit auf der Kaproner Alm war Sepp Ladurner unter anderem 12 Jahre lang Senn auf der Schliniger Alm. Insgesamt werden auf der Kaproner Alm pro Sommer rund 5.000 Kilogramm Käse erzeugt. Aus ca. 10 Prozent der Kuhmilch wird Butter. Die hochwertigen Produkte werden zum Teil direkt auf der Alm verkauft, von den Mitgliedern der Interessentschaft abgeholt bzw. anderweitig an den Mann und die Frau gebracht. Das gilt auch für den Ziegenkäse. Die Weich- und Hartkäse der Kaproner Alm wurden in den vergangenen Jahren immer wieder mit Preisen ausgezeichnet, unter anderem bei den jährlich stattfindenden Südtiroler Alpkäseverkostungen in der Fachschule Fürstenburg in Burgeis. Dasselbe gilt für den Käse der Ziegen auf der Ochsenberg Alm.

8 Schafe von Wolf gerissen

Buchstäblich sauwohl fühlen sich auf der Kaproner Alm auch 14 Schweine. Weniger Glück hatte heuer die Schafherde eines Züchters. Von den rund 40 Schafen wurden vor einigen Wochen 8 von einem Wolf gerissen, sodass sich der Schafzüchter gezwungen sah, alle restlichen Tiere vorzeitig von der Alm zu holen. Das vermehrte Auftreten des Großraublides, speziell des Wolfes, bereitet den „Almleuten“ immer größere Sorgen. Dass Bär und Wolf vor allem auf Jungvieh- und Kleinviehalmen zu Problemen führen, hatte Markus Joos vom Bezirksamt für Landwirtschaft West und von der „ARGE Vinschgauer Milchviehalmen“ unter anderem bei der 12. Südtiroler Alpkäseverkostung im Vorjahr unterstrichen: „Es ist dringend notwendig, Managementpläne und Entnahmekriterien einzufordern und endlich auch konsequent umzusetzen.“

25 Milchviehalmen

Insgesamt gibt es im Vinschgau zwischen Graun und Schnals 25 Gemeinschafts-Viehalmen. Im Vorjahr wurden im Vinschgau 1.386 Kühe – durchschnittlich 55 pro Alm –
und 261 Milchziegen – auf 3 Almen – aufgetrieben. Hinzu kamen 370 Alpschweine für die Molkeverwertung. Durchschnittlich werden 2,2 Kühe pro Betrieb bzw. Bauer auf die Alm gebracht. Die 25 Kuhalmen werden mit Kühen von rund 630 Betrieben bzw. Bauern bestoßen. In Sachen Alppersonal hält Markus Joos einen zunehmenden Wechsel vom ursprünglichen lokalen „Älpler“ auch zu Personen von außerhalb der Landwirtschaft und außerhalb des Landes fest. Der Frauenanteil als Sennerinnen sei beträchtlich, ebenso der Anteil von jungen Leuten, die auf den Almen arbeiten. Der Kraftfuttereinsatz auf den Kuhalmen belaufe sich auf durchschnittlich rund 2 kg pro Kuh und Tag. Die Almgebäude und Verarbeitungsräume seien vom baulichen Zustand her zum Großteil in Ordnung, nicht zuletzt auch dank der öffentlichen Finanzierungen und Anstrengungen in den vergangenen rund 30 Jahren (Alpverantwortliche, Forstbehörde, Leader, Bergwirtschaft, Landwirtschaft). 8 Almen im Vinschgau sind in punkto Hygienevorschriften EU-zertifiziert, die restlichen sind als Direktvermarktungsbetriebe eingetragen. 2023 wurden auf den 25 Vinschger Kuhalmen rund 130.000 kg Käse und knapp 15.000 kg Butter erzeugt. Über die konkreten Verarbeitungsabläufe wurden die Gäste und Besucher auf der Kaproner Alm von Sepp Ladurner und Birte Adomat informiert. Unsere zwei Gäste-Paare wanderten nicht nur mit einem guten Käse-Nachgeschmack zurück nach Kapron und Graun, sondern auch mit bleibenden Eindrücken von einer urigen und typischen Kuhalm im Vinschgau. Ihr Fazit: „So nah am Almkäse waren wir noch nie.“

Josef Laner
Josef Laner

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