„Viel Zulauf von jungen Leuten“
STF-Bezirkssprecher Benjamin Pixner über den Aufschwung, Selbstbestimmung und mehr. 5 Bürgermeisterkandidaturen
Vinschgau - Es war 2007, als die Süd-Tiroler Freiheit gründet wurde. Die Partei, die sich mehr als Bewegung versteht, hat sich seitdem als zweitstärkste Kraft im Land etabliert. Da sind einerseits die rund 6.000 Mitglieder und andererseits die Vertretungen in den Gemeindestuben: Die Bewegung kann in der zu Ende gehenden Verwaltungsperiode auf 43 Gemeinderatsmitglieder in 24 Gemeinden bauen. Im Landtag ist die Süd-Tiroler Freiheit genauso wie das Team K mit vier Mandatar/innen vertreten. In den sozialen Netzwerken ist die Bewegung gar die Nummer 1. Im politischen Vinschgau ist sie in sechs Gemeinden präsent, zudem in Naturns. Es sollen noch mehr werden, zeigt Benjamin Pixner klare Kante. Der Kastelbeller, seit sechs Jahren Bezirkssprecher, hat den Aufschwung von Beginn an miterlebt. Wir haben mit ihm gesprochen.
der Vinschger: Herr Pixner, warum Süd-Tiroler Freiheit und nicht SVP?
Benjamin Pixner: Das hat bei mir auch einen familiären Hintergrund. Mein Vater war bereits in der Union für Südtirol mit Eva Klotz aktiv. Ich hatte mit ihr schon in jungen Jahren Kontakt, sie hat mich stets fasziniert. Ihre Geradlinigkeit und ihr Durchsetzungsvermögen haben mich begeistert. Man kann sagen, dass Eva Klotz somit ein Antrieb für mich war, in die Politik zu gehen.
Sie haben den Aufschwung seit 2007 miterlebt. Zuletzt bei den Landtagswahlen gipfelte dies in fast 11 Prozent, im politischen Bezirk Vinschgau kam ihre Bewegung gar auf über 20 Prozent. Was hat sich in den vergangenen Jahren geändert, was führte dazu?
Es hat sich vieles geändert, insbesondere auch auf Ortsebene. Das Einparteiendenken gibt es nicht mehr. Die Menschen sind offener, auch für andere Parteien und Listen zu kandidieren. Ich denke, dass die Leute sich generell politisch in den vergangenen Jahren geöffnet haben. Es gibt nicht mehr den Druck, vor Ort einer Lobby ausgesetzt zu sein, sprich Bauernbund und Co. Viele Landwirte kandidieren heute nicht mehr für die SVP, sondern für andere Listen. Wir von der Süd-Tiroler Freiheit holen alle Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen ab.
Was hat euch stark gemacht?
Wir sind konsequent unserer Linie treu geblieben, von Anfang an. Bis heute haben wir immer unsere Linie verfolgt. Wir haben sehr starke Jugendarbeit geleistet in der Partei. Das hat uns diesen Aufschwung gebracht. Ein großer Punkt ist aber auch, dass wir immer ohne Streit innerhalb der Partei und ohne Skandale ausgekommen sind. Im Gegensatz zu anderen Parteien.
Im politischen Bezirk Vinschgau holte die STF über 4.000 Stimmen. Warum ist die Bewegung besonders hier so gefragt?
Im Vinschgau sind wir mittlerweile eine etablierte Partei. Wir waren konstant immer präsent und sind die einzige Alternative in diesem Bezirk. Es gibt keine Freiheitlichen, keine Grünen. Dadurch, dass wir in den Gemeinden vertreten sind, Gemeinderäte stellen und uns auch konkret um Bezirksthemen kümmern, haben wir im Vinschgau weiter an Zuspruch gewonnen. Sicherlich hat auch die politische Repräsentation, wie durch meine Person, Karin Meister als Frauensprecherin oder die ehemaligen Bezirkssprecher Sieglinde Gander Stocker und Alfred Theiner, dazu beigetragen. Wir setzen darauf, gut vernetzt zu sein und sind, denke ich, im Tal bekannt.
Wie holt ihr so viele junge Wähler ab?
Wir setzen auf die neuen Medien, die sozialen Netzwerke. Wir versuchen auch die Sprache der jungen Menschen zu sprechen. Nicht umsonst, sind wir momentan Marktführer im Social-Media-Bereich in Südtirol. Keine andere Partei ist auf Instagram, Facebook und Tik Tok so stark vertreten. Große Komplimente gehen an dieser Stelle an unser zuständiges Online-Team.
Was sind die brennendsten Themen im Vinschgau?
Natürlich die Reschenbahn, das Krankenhaus, Abwanderung, sowie Verkehr und Mobilität.
Sie wollen mit einer Reschenbahn die Lücke zwischen Mals und Landeck schließen. Ist das realisierbar?
Wenn die SVP von ihrem hohen Ross runtergehen würde, dann wäre es realistisch. Dazu müssten wir aber endlich vom Parteiendenken wegkommen und auf Zusammenarbeit setzen. Schauen Sie, der Bahnhof Mals soll nicht Endstation für den Zugverkehr sein. Sicherlich fahren hier Busse nach Österreich und in die Schweiz, aber das ist doch umständlicher und auch ökologisch nicht sinnvoll. Im Endeffekt will man heute alles auf die Schiene bringen. Warum soll dann nicht auch der Vinschgau eine internationale Drehscheibe für den Zugverkehr sein. Das ist ein sinnvolles Zukunftsprojekt mit viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Gleichzeitig würde man mehr Verkehr auf die Schiene bringen und unter dem Verkehr stöhnt das ganze Tal.
Das Krankenhaus Schlanders existiert nach wie vor. Was gibt es hierbei zu bemängeln?
Es ist ein brenzliges Thema. Wir als Bewegung bekommen immer wieder Meldungen von Mitarbeitern. Ihnen wird das Leben hart gemacht, viele Fachkräfte gehen ins Ausland. Das Krankenhaus wird regelrecht ausgehungert und langfristig vielleicht nicht mehr so sein, wie es einst war. Unser Vorschlag ist es, das Krankenhaus Schlanders zu erhalten und eher aufzustocken, damit es zukunftsfähig bleibt. Beim letzten der Vinschger-Interview mit den SVP-Vertretern fehlte mir dieses Thema übrigens ganz stark.
Südtirol hat im Bereich Sanität aber nur sekundäre Zuständigkeiten, massiv Spielraum gibt es aufgrund staatlicher Bestimmungen auch nicht.
Da sind wir beim Punkt, was das Autonomiepolitische angeht. Die Landesregierung macht es sich bequem und schiebt nicht angenehme Sachen auf den Staat. Andererseits reden wir immer von der Wiedererlangung der Autonomie und einer Vollautonomie. Das wäre ein Aspekt, wo das Land handeln kann, wir sollten die Sanität zu uns holen, wir wissen, wie unsere lokalen Verhältnisse sind und können es somit am besten bewerkstelligen. Und in erster Linie finanzieren tun auch wir das alles, also soll auch das Land entscheiden. Kurzum: Die primären Zuständigkeiten in Sachen Sanität sollen ans Land. Da muss aber der politische Wille da sein. Die SVP hat immer von Vollautonomie gesprochen, das wäre ja ein Teil davon. Wobei die Vollautonomie doch nur eine Floskel ist. Ich mag diesen Begriff nicht.
Was ist ihre „staatliche“ Vision?
Unsere Bewegung ist ja danach ausgerichtet, dass wir so viele Zuständigkeiten wie möglich von Italien erhalten. Das Buch „Kann Südtirol Staat?“ etwa ist ein gutes Beispiel, dass auch ein Freistaat prinzipiell funktionieren könnte. Wir müssen uns mit dieser Thematik befassen und alle Möglichkeiten abwiegen, wir sind schließlich eine österreichische Minderheit und haben nur dadurch die Autonomie erhalten.
Wäre ein Zurück zu Österreich eine ernsthafte Möglichkeit?
Ja, sie sind ja auch unsere Schutzmacht. Es geht aber nicht um ein Zurück. In erster Linie geht es um die Selbstbestimmung. Diese muss unser oberstes Ziel sein. In einem Prozess der Selbstbestimmung sollte dann eine Entscheidung getroffen werden, was am sinnvollsten und am besten für unser Land ist – eine Rückgliederung an Österreich, ein Freistaat oder eben vielleicht auch der Verbleib bei Italien.
Vieles hört sich an, wie die SVP anno dazumal.
Uns kann man, was volkstumspolitische Themen anbelangt, sicher mit der alten SVP vergleichen. Wir glauben aber immer noch an diese Werte und sind überzeugt, dass sich, sofern der politische Mut vorhanden ist, vieles realisieren lässt.
Kommen wir zu einem anderen Thema. Im Landtagswahlkampf setzte es scharfe Kritik am Plakat „Kriminelle Ausländer abschieben“, ja sogar eine Anzeige. Waren es zu harte, zu provokante Aussagen?
Für uns war es eine neue bzw. besser gesagt, eine weitere Linie, die wir gefahren sind. Ich würde nicht sagen, dass es zu harte und provokante Aussagen waren, sondern klare. In erster Linie ging es darum, kriminelle Ausländer abzuschieben. Genau das, was der Quästor heute versucht zu praktizieren und was mittlerweile auch viele andere Parteien fordern. Was Anzeigen betrifft, da werden Gerichte entscheiden. Vielleicht wurde auch einiges missverstanden. Es war nie die Intention darzustellen, dass Ausländer kriminell sind oder es darum gehe, Ausländer generell abzuschieben. Aber das ist doch klar. Es ging einzig und allein darum, jene, die immer wieder durch Straftaten in Südtirol auffallen, abzuschieben. Ich würde politisch auch nie befürworten, Ausländer generell abzuschieben oder als kriminell zu betiteln.
Auch in Sachen Einwanderung liegen die Zuständigkeiten beim Staat.
Es muss aber Regelungen geben. Und Möglichkeiten, etwas zu tun, die gibt es durchaus. Zum Beispiel rigorose Streichung der Beiträge und Unterstützungen seitens des Landes für Kriminelle. Weil es sich um Landesbeiträge handelt, könnte auch das Land entscheiden. Um nur ein Beispiel zu nennen.
Kommen wir zu den Gemeinderatswahlen. Ihre Bewegung ist derzeit in Graun, Stilfs, Prad, Latsch, Schlanders Kastelbell-Tschars sowie in Naturns vertreten. Kommen bei den nächsten Wahlen weitere Gemeinden hinzu?
Definitiv. Und zwar steht, was mich besonders freut, die Liste in Martell fix und auch in Schnals ist die Kandidatur so gut wie sicher.
Und in Schluderns? Gerade dort trumpfte ihre Bewegung mit 21,5 Prozent auf und lag nicht allzu weit hinter der SVP (28,9 Prozent). Woran liegt dies und woran hakt es in den weiteren fehlenden Gemeinden?
In Schluderns fehlen leider noch die treibenden Kräfte, die die Zügel in die Hand nehmen. In Mals, Glurns und Taufers i.M. ist es ebenfalls schwierig. In beiden letzteren sind Bürgerlisten vertreten, wie auch in Laas. Wir wollen grundsätzlich immer eine Alternative stellen, aber da, wo es bereits eine gibt, sind wir auch offen mit diesen zu kooperieren und lassen unseren Mitgliedern offen, für diese Listen zu kandidieren.
In welchen Gemeinden stellt die Süd-Tiroler Freiheit Bürgermeisterkandidaten und was sind die Ziele?
Bürgermeisterkandidaten als STF stellen wir in Stilfs mit Simone Platzer, in Schlanders mit Karin Meister und in Naturns mit Elmar Karl Müller. In Prad mit Matthias Horrer und in Kastelbell-Tschars mit meiner Person treten wir über das Freie Bündnis an. Mit Kurt Agethle in Prad waren wir die vergangene Verwaltungsperiode zum ersten Mal in einem Ausschuss vertreten, nun ist es unser Ziel, erstmals einen Bürgermeister oder eine Bürgermeisterin zu stellen, bzw. zumindest in ein, zwei Gemeinden ein Wort um das Bürgermeisteramt mitzureden.
