Deserteure und Kriegsdienstverweigerer
Erinnerung an Markus Dapunt, der 1944 in Kortsch exekutiert wurde.
Kortsch - Um das Thema „Desertion und Kriegsdienstverweigerer in Südtirol“ ging es kürzlich in einem Vortrag von Leopold Steurer und Martha Verdorfer im Haus der Dorfgemeinschaft in Kortsch, zu dem der Bildungsausschuss Kortsch und die Bibliothek Schlandersburg eingeladen hatten. Etwa 400 wehrpflichtige Südtiroler, zumeist jüngere Jahrgänge, weigerten sich 1943-1945 der Einberufung zum Kriegsdienst Folge zu leisten oder desertierten aus der Wehrmacht Adolf Hitlers. Leopold Steurer nannte den Rückzug aus Stalingrad als Anstoß für die beginnende Widerstandsbewegung in Südtirol. Wer waren nun diese Wehrdienstverweigerer? Desertion war vor allem ein ländliches Phänomen und die Deserteure kamen aus Landgemeinden oder aus abgelegenen Weilern; viele waren Kleinbauern, Knechte oder Arbeiter, stammten aus Außenseiterfamilien ohne jegliche politische oder gesellschaftliche Stellung im eigenen Dorf. Als Motive für die Desertion spielten ein christlicher Pazifismus, erlebte Schikanen in der Ausbildung, vor allem aber Schlüsselerlebnisse an der Front eine Rolle. Bombenangriffe, Heimat- oder Genesungsurlaube boten Gelegenheit, die Wehrpflicht nicht mehr anzutreten. Vom Frühjahr 1944 bis zum Herbst 1944 desertierten 90 Prozent der gesamten Deserteure.
Angewandte Repressionsmaßnahmen gegen die Deserteure waren im Falle einer Ergreifung des Täters dessen Erschießung, die Einlieferung in ein Konzentrationslager oder die Verschickung an die Front in eine Strafkompanie. Bei flüchtigen Deserteuren wurden in vielen Fällen Hunderte von Familienangehörigen verhaftet, ins Polizeiliche Durchgangslager nach Bozen gebracht und deren Höfe beschlagnahmt. Diese Sippenhaft wurde je nach Ortsgruppenleiter mehr oder weniger streng durchgeführt. Besonders die Frauen und Familienangehörigen der Deserteure waren es, die unter Lebensgefahr über Monate die Deserteure mit dem Lebensnotwendigsten in ihren Verstecken versorgten. Martha Verdorfer ging in ihrem Beitrag näher auf das 1944 errichtete Polizeiliche Durchgangslager von Bozen ein. Es sei lange nicht sehr präsent in der Südtiroler Bevölkerung gewesen, obwohl neben Juden, Sintis und Roma, Kriegsgefangenen, Partisanen auch sehr viele Südtiroler Sippenhäftlinge dort interniert waren. In Bozen sei auch Südtiroler Wachpersonal beschäftigt gewesen, so Martha Verdorfer. Sie wünsche sich, dass das Durchgangslager in Bozen eine Gedenkstätte bleibe. Ein Deserteur, der am 29. August 1944 am damaligen Militärschießstand in Kortsch exekutiert wurde, war der Gadertaler Markus Dapunt. Einige Zuhörer erinnerten sich noch an den Gefangentransport mit Militärmusik auf die Kortscher Wiesen, wo Hunderte Soldaten der Exekution beiwohnen mussten. Adolphine Pernthaler aus Schlanders hat als Zehnjährige die Grabstätte Dapunts abseits der geweihten Erde des Schlanderser Friedhofs lange mit Blumen geschmückt.
Eine Tafel, gemalt von Heinrich Lechthaler, soll an den grausamen Tod von Markus Dapunt erinnern.
Auch an den gebürtigen Sonnenberger Martin Kaserer erinnerten sich viele im Saal. Er hatte sich lange Zeit am Sonnenberg versteckt und wurde von seiner Familie vom Moarhof versorgt.