„Wir brauchen kühle Nächte und sonnige Tage“
Erzeugergenossenschaft Martell (MEG) hofft auf ein gutes Erntejahr.
Martell - Die heurige Auflage des Südtiroler Erdbeerfestes, das jährlich viele Besucher aus nah und fern ins Martelltal lockt, musste zwar infolge der Covid-19-Sicherheitsvorgaben abgesagt werden, doch die Ernte ist pünktlich angelaufen. Seit dem 6. Juni werden in Martell Erdbeeren gepflückt und zur Erzeugergenossenschaft Martell (MEG) gebracht. Mittlerweile ist die Haupterntezeit angebrochen. „Bleiben die Wetterbedingungen günstig, dürfen wir uns heuer auf insgesamt rund 400 Tonnen Erdbeeren freuen“, sagte Philipp Brunner aus Tschengls, seit 2014 Betriebsleiter der MEG, Ende Juni dem der Vinschger. Günstig ist das Wetter für die Erdbeeren immer dann, „wenn die Nächte kühl sind und die Tage sonnig, aber nicht heiß.“ Im Gegensatz zu heuer hatte es 2019 zum Teil arge Probleme gegeben. Zu den größten gehörten der Frost und später eine Hitzewelle. Im Vorjahr belief sich die Erdbeerernte auf nur rund 325 Tonnen.
25 Hektar Anbauflächen
Die Erdbeeranbauflächen in Martell sind auf fast das ganze Tal verstreut. Die am tiefsten gelegenen Felder befinden sich auf ca. 900 Höhenmetern, die höchsten liegen auf 1.700 Metern. Insgesamt werden auf rund 25 Hektar Erdbeeren angebaut. Einen kräftigen Aufschwung erlebte der Erdbeeranbau Hand in Hand mit der Gründung der MEG vor über 30 Jahren. 2014 erfolgte eine Neuausrichtung. Es kam zu einem Neustart unter dem Dach und in enger Zusammenarbeit mit der VI.P, dem Verband der Vinschgauer Produzenten für Obst und Gemüse. Sehr zugute kam und kommt der MEG, dass die VI.P die Vermarktung übernahm. Der Erdbeeranbau in Martell konnte somit an seine bisherige Erfolgsgeschichte anknüpfen. Bei ca. einem Drittel der derzeit 44 MEG-Mitglieder handelt es sich um Erdbeerproduzenten und bei einem Drittel um Steinobst- und Gemüseanbauer. Ein Drittel der Mitglieder ist derzeit nicht aktiv.
Elsanta als Hauptsorte
Die am häufigsten angebaute Sorte ist Elsanta. Sie weist eine gute Haltbarkeit auf, ist schmackhaft und hat ein starkes Erdbeer-Aroma. Bei rund 90% der Pflanzen handelt es sich um einmal tragende Erdbeeren, wobei sich die Ernte auf rund 3 Wochen erstreckt. Viel länger ist das „Erntefenster“ bei den mehrmals tragenden Erdbeeren. Es wird in der Regel im Juni und Juli geerntet und nach einer Ruhepause nochmals im Spätsommer bzw. Frühherbst. In Martell werden zum Teil noch im Oktober frische Erdbeeren gepflückt. Das gute Gedeihen der Früchte ist vor allem auf die günstigen klimatischen Besonderheiten zurückzuführen. Auch für Neues sind die Marteller Produzenten stets offen. So hat etwa ein Anbauer Aroniabeeren gepflanzt. Die Schwarzen Apfelbeeren gelten als heimische Superbeere (Superfood) mit einem außergewöhnlich hohen Gehalt an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen. Zum Absatz der Marteller Erdbeeren kann Brunner mit Zufriedenheit feststellen, „dass die Nachfrage stets größer ist als das Angebot.“ Während der Anfangszeit der Ernte werde zunächst der lokale Handel im Vinschgau bedient, „dann folgen ganz Südtirol sowie große Supermärkte und Lebensmittelketten.“ Auch nach Mailand, Genua und Rom werden frische Erdbeeren aus Martell geliefert, sowie an die Adriaküste und viele weitere Gegenden. Der Name Martell fährt dabei natürlich immer mit.
Nicht nur Erdbeeren
Zusätzlich zu den Erdbeeren umfasst die Palette der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der Marteller Bauern noch viele weitere Produkte höchster Qualität. So werden etwa im heurigen Erntejahr ca. 20 Tonnen Himbeeren erwartet, 8 Tonnen Johannisbeeren, 7 Tonnen Heidelbeeren und 2 Tonnen Brombeeren. Die Kirschernte dürfte sich bei 100 Tonnen einpendeln. Nur eine Nische in der Nische sind die Marillen, für die das Klima in Martell nicht gerade ideal ist. Ein immer größerer Stellenwert kommt indessen dem Gemüseanbau zu. „Wir rechnen heuer mit rund 350 Tonnen Gemüse. Beim Großteil davon handelt es sich um Blumenkohl“, prognostiziert Philipp Brunner.
Wichtiger Arbeitgeber
Mit bis zu 30 Saisonarbeitern ist die MEG auch ein nicht zu unterschätzender Arbeitgeber im Tal. Ein Teil der Arbeitskräfte ist am Sitz der Genossenschaft beschäftigt, wo die Erzeugnisse sortiert, verpackt und gelagert werden, und ein Teil in der von der MEG geführten „Erdbeerwelt“, dem Detailgeschäft in Trattla. Hinzu kommen Erntehelferinnen und Erntehelfer, die von den Anbauern eingestellt werden. Zusätzlich zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus europäischen Ostländern haben heuer aufgrund der Covid-19-Situation auch vermehrt Einheimische eine Beschäftigung gesucht und gefunden, so etwa Personen, die früher im Gastgewerbe tätig waren. Viel Zuspruch finden in der „Erdbeerwelt“ u.a. auch die Konfitüren, die Peter Seibstock (Seibstock Manufaktur) in Trattla herstellt. Die Konfitüren, erzeugt mit ausschließlich Marteller Beerenobst, bestechen vor allem mit einem hohen Fruchtanteil.
„Auch für die Gastronomie wichtig“
Der Marteller Bürgermeister Georg Altstätter wertet den Anbau von Beeren, Gemüse, Kirschen und anderen Erzeugnissen sowie deren teilweise Veredelung vor Ort nicht nur als wichtiges Standbein für die örtliche Landwirtschaft, sondern auch als Mehrwert für die gesamte Wirtschaft im Tal, speziell für die Gastronomie und den Tourismus. Martell habe sich als „Beerental“ längst einen Namen gemacht. Es gelte weiterhin, auf die Regionalität zu setzen, auf die Vielfalt der Produkte und auf die kleinen Kreisläufe. Die Absage des Südtiroler Erdbeerfestes 2020 sei zwar bedauerlich, „dafür aber werden wir uns bei der Auflage im nächsten Jahr umso mehr ins Zeug legen.“ Worauf sich der Bürgermeister und viele andere schon jetzt freuen, ist die offizielle Eröffnung des Marteller Almenweges am 19. Juli. Der neue Wanderweg in Hintermartell schließt an den Plima-Schluchtenweg an und ist als Fortsetzung desselben zu sehen, als Weiterführung in Richtung Madritschboden und Pedertal, wobei man von Alm zu Alm gelangt.