Von der Wiederentdeckung der Palabirne
Publiziert in 19 / 2006 - Erschienen am 20. September 2006
Kein Baum hat das Landschaftsbild des Vinschgaus zwischen Kastelbell und Mals so geprägt wie der Palabirnbaum. Die meist riesigen, knorrigen und starkwüchsigen Bäume sind einzeln oder in Gruppen im Hofanger angesiedelt und tragen eine der gesündesten Früchte, die Palabirne. „Wenn die Palabirnen reif sind, kann ich in Urlaub gehen“, hatte schon Hans Mair, der frühere Gemeindearzt von Mals, festgestellt. Tatsächlich wurde die Sommerapothekerbirne wegen ihrer Heilkraft von Ärzten und Apothekern verschrieben. Die alte traditionsreiche Birnensorte wurde unter dem Namen Pilli-Palli-Birne bereits bei der ersten Vinschger Obstbaumzählung im „Churburger Anger und im Pfaffenegg Anno 1755“ erwähnt. Sie wird auch Türkische Birne genannt, da sie aus dem Osten wahrscheinlich über den Balkan in den Vinschgau „importiert“ wurde.
von Ingeborg Rechenmacher
Vor noch nicht allzu langer Zeit kamen die Leute aus dem Engadin, dem Inntal, aus dem Vinschger Oberland und aus den Städten, um Palabirnen zu kaufen oder mit Wein oder Kartoffeln zu tauschen. Heute sind die fast hundertjährigen Naturdenkmäler von der Vernachlässigung bzw. Schlägerung. bedroht, da sie ihre wirtschaftliche Bedeutung verloren haben, und jährlich müssen einige der stolzen Exemplare dem Bagger weichen. Um die Bäume vor dem Aussterben zu bewahren, haben Liebhaber und Hobbybauern in jüngster Zeit wieder begonnen, junge Bäume zu pflanzen.
Es gibt einige beispielhafte Initiativen im Vinschgau, um die gute, alte Palabirne vor dem Vergessen zu bewahren:
Gold für Palabirnenbrot
Die Palabirne eignet sich wegen ihres intensiven Aromas besonders zum Backen. Wer schon einmal ein „Palabirnbrot“ probiert hat, weiß, was damit gemeint ist. Der Laatscher Bäcker Peter Schuster dörrt in seiner Bäckerei jährlich an die 6000 kg Palabirnenschnitz oder „Kloazn“. Die getrockneten Früchte werden unter den Roggenpaarlteig gemischt und so entsteht das fruchtig-saftige Palabirnbrot, für das die Bäckerei Schuster mit dem Qualitätszeichen in Gold ausgezeichnet wurde.
Manche Mutter hat früher die Palabirnschnitz in der Dachkammer versteckt, um die Weihnachtszelten damit zu süßen. Das Trockenobst galt als Zuckerersatz, als aromatische Krapfenfülle und süße Nachspeise. Heute hat die Verarbeitung von Obst zu Trockenobst eine neue Bedeutung gewonnen, für einige Bauernfamilien ein willkommener Nebenerwerb.
„Die gut gereifte Palabirne hat einen Karamel-Zimtgeschmack“, weiß Alois Riedl, Bäckermeister in Glurns. Er erinnert sich an Bäuerinnen, die beim Keksbacken in seiner Backstube Palabirnenhonig zum Süßen mitgebracht haben. Die typischen Zelten wurden früher nur mit eigenen Produkten wie Palabirnschnitz, getrockneten Zwetschgen und Walnüssen zubereitet. Palabirnen wurden unter die Brennsuppe gemischt und zum Binden in die Preiselbeermarmelade gerieben. In Notzeiten waren die getrockneten und gerösteten Birnenschnitz ein willkommener Kaffeeersatz. Doch nicht nur für die armen Leute waren die Palabirnen gut genug. Im 19. Jahrhundert wurden die leicht verderblichen Früchte in Holzkisten verpackt an den Zarenhof nach Russland verschickt.
„Meine Nandl hatte immer ein paar Schnitz in der Kitteltasche“, erinnert sich Frau Riedl an ihre Kindheit. Es war üblich, dass Kinder ein Stück Brot und eine Handvoll Schnitz mit auf den Schulweg bekommen haben. „Es gibt nichts Köstlicheres als ein frisches Paarlbrot mit dünnen Palabirnscheiben belegt“, schwärmt Alois Riedl.
Den dritten Sonntag im September, eigentlich der Bundesfesttag der Bruderschaft „Sieben Schmerzen Mariens“ haben die Glurnser schon längst in „Pala-Pira-Sunnta“ umgetauft und ihn zu ihrem heimlichen „Kirchta“ auserkoren.
In Lichtenberg kocht die Bäuerin Hildegard Wallnöfer ein süßes Gericht, den „Holermann“ nach einem mündlich überlieferten Rezept ihrer Schwiegermutter. Sie mischt dabei gekochte Holunderbeeren mit gut gereiften Palabirnen, Zimt und Zucker. Eine köstliches Süßspeise!
Erste Bio-Brennerei Südtirols
Seit heuer ist der Biolandwirt und Hotelier Friedrich Steiner aus Mals im Besitz einer Brennereilizenz für hochgradigen Alkohol. Neben Marillenschnaps und Obstler möchte der passionierte Bauer ganz auf dem Slowfood - Gedanken setzen und aus der alten heimischen Sorte einen „Palabirnschnaps“ brennen, um ihn den Gästen seines Hotels, dem ersten Biohotel Italiens, anbieten zu können. „Es braucht schon viel Passion für diese Arbeit“, ist Steiner überzeugt, denn allein die Ernte und die Verarbeitung sind mit großen Aufwänden verbunden. Ein ausgewachsener Palabirnbaum kann eine Höhe von 15 bis 18 Metern erreichen, und die süßesten, schönsten Früchte hängen naturgemäß in der obersten Baumkrone.
Es verlangt ein besonderes Geschick, die langen „Luanen“ richtig zu platzieren und dann schwindelfrei den „Klaubsack“ voll zu kriegen, weiß der Hotelier aus eigener Erfahrung. Durch die unterschiedliche Reifung der Früchte eines Baumes ist auch das Einmaischen ein längerer Prozess.
Friedrich Steiner hat sich die Erhaltung und Nutzung der etwas in Vergessenheit geratenen Hausbirne zum Ziel gesetzt. Dem Palabirnbaum sowie der Frucht soll durch die wirtschaftliche Nutzung wieder mehr Wertschätzung entgegengebracht werden.
Unterstützt wird der Landwirt dabei von Ethical Banking, einer alternativen Sparform der Raiffeisenkasse Prad mit einem zehnjährigen Darlehen. Das Ethical Banking-Finanzierungssystem bietet zweckgebundene Sparprodukte an, um einen aktiven Beitrag für eine gerechte und umweltbewusste Gesellschaft zu leisten.
Friedrich Steiner ist von der hohen gesundheitlichen Qualität der Palabirne und auch von ihrer vielseitigen Verwendungsmöglichkeit in der Küche überzeugt. Während der Palabirnenzeit servieren seine Köche gleich mehrmals in der Woche Süßspeisen und Desserts aus der typischen Vinschger Frucht. Die schönsten Früchte verarbeitet Friedrich Steiner schon seit 20 Jahren zu Birnenschnitz. Diese werden entweder unter die Zelten gemischt oder den Gästen bei den Hauswanderungen als Jause mitgegeben. „Was den einen der Speck und die Kaminwurz, sind unseren vegetarischen Gästen die Palabirnschnitz“, sagt Steiner.
Dr’ Palapirnschittlturtn
Zubereitung:
In einen Shaker gibt man
bis 150ml Öl
bis 300ml Naturjoghurt
bis 500ml Zucker
1Vanillezucker
3 Eier
Nun wird kräftig geschüttelt.
In eine Schüssel gibt man
350 gr Mehl
1/2 Backpulver
2 El geriebene Nüsse
2 El geriebene Schokolade
2-3 feingehackte Palabirn
Alles zusammen zu einem dickflüssigen Teig rühren.
Den Teig in eine Backform geben und bei ca. 170 Grad ca. 1 Stunde backen.
Den gebackenen Kuchen mit einer Schokoladenglasur überziehen.
Gutes Gelingen wünscht Sandra Mair aus Kortsch
Ingeborg Rainalter Rechenmacher