Sie wollten die Leichtathletik retten
Sepp Rinner aus Latsch und Erwin Schuster aus Vetzan war die Grundsportart ein Anliegen.
Latsch/Schlanders/Eyrs - Es gibt eine Notiz im Jubiläumsband „100 Jahre SV Latsch“, die knapp und klar ausdrückt, warum es im Jänner 1972 in Eyrs zur Gründung des Leichtathletikclubs Vinschgau gekommen ist: „Der Latscher Bürgermeister Sepp Rinner wollte die Leichtathletik im Vinschgau retten“. Die eigentlichen Beweggründe für die Rettungsaktion einer Sportart reichen in das Jahr 1952 zurück. Damals meldeten der Tischlermeister Luis Gerstl in seiner Rolle als technischer Leiter im SV Latsch, und sein Bruder, der Grundschullehrer Georg Gerstl als Sektionsleiter, bei der FIDAL (Federazione di Atletica Leggera) die erste Sektion Leichtathletik aus dem Vinschgau an. Sepp Rinner war damals 15, hatte wie die meisten Latscher Jugendlichen viel Zeit auf der „Tuchbleiche“, dem damaligen Sportplatz, verbracht und die sportliche Vielseitigkeit einiger Kriegsheimkehrer bewundert. Zwei Jahre später besuchte er die Geometerschule in Bozen und gehörte sofort zur Leichtathletik-Gruppe. Seine Turnlehrer – darunter Luis Mantinger aus Latsch – setzten den groß gewachsenen, hageren Latscher selten in dessen Lieblingsdisziplin Weitsprung ein, sondern ließen ihn wegen seiner Vielseitigkeit auch als Sprinter, Hochspringer oder Werfer Punkte sammeln. Daraus entstand der Gedanke, an den italienischen Zehnkampf-Meisterschaften in Mailand teilzunehmen. Hatte man doch mit Burkhard Pohl aus Kastelbell den besten Zehnkämpfer Südtirols im Verein und konnte mit Hermann Oberhofer eine starke Dreiermannschaft auf die Beine stellen. Von der abenteuerlichen Fahrt übers Stilfserjoch im 600er des Luis Gerstl erzählte Sepp Rinner oft.
Mehrkampf-Tradition im LAC
Damit wären die Wurzeln der großen Mehrkampf-Tradition im Sportverein Latsch und später im LAC Vinschgau erklärt. Dass Sepp Rinner ab 1962 zu den „schweren Disziplinen“ wechselte und heute sein Ergebnis im Hammerwerfen (48,90 m im Jahr 1967) als beste Leistung bezeichnete, hatte einmal mit der Gewichtszunahme und dann mit dem Zufall zu tun. Er eiferte dem damals besten Hammerwerfer des Landes, Willi Strobl aus der Nachbargemeinde Schlanders, nach. Seiner Begründung „Ich war in die Leichtathletik verliebt“ glaubt man gern. Eine Ämterhäufung lag dem „Treindler Sepp“ (Vulgo-Name in Latsch) fern, als er 1964 den Vorsitz im SV Latsch übernahm. Es war die Blütezeit der Sektion Leichtathletik und des Vereins. Hinter Tridentum Trient hatte der SV Latsch einen 2. Platz bei der Regionalmeisterschaft erreicht und alle deutschsprachigen Stadtvereine übertroffen – mit Hilfe von Athleten aus Kastelbell-Tschars, Naturns, Laas und Plaus. Es bedurfte wenig Weitsicht zu erkennen, dass es solche Konstellationen nicht lange geben würde. Rinner nutzte die Stunde und den Ruf des SV Latsch, eine Hochburg der Leichtathletik zu sein. Der eigentliche Hintergrund, die Präsidentschaft anzunehmen, war sein Traum von einer 400 m Kunststoffbahn in Latsch. Inzwischen hatte Rinner den „Verband der Südtiroler Sportvereine“ (VSS) mitbegründet. Auch die Vinschgauer „Leichtathletik-Landschaft“ war bunter geworden. Die Vinschgaumeisterschaften zeigten Wirkung. In 7 Gemeinden hatten sich inzwischen Sektionen gebildet. In Ermangelung von Anlagen war es vor allem die durch Querfeldein- und Dorfläufe im Aufwind befindliche Laufbewegung, die Sektionsgründungen nach sich zog. Nicht nur aus finanziellen Gründen konnte oder wollte sich andrerseits kein Dorfverein eine Sektion Leichtathletik leisten. Es fehlten vor allem geschulte Übungsleiter. Zudem hatte man Angst, dass beliebten Mannschaftssportarten der Nachwuchs fehlen könnte. Das führte vor allem im Hauptzentrum des neuen Vereins, in Latsch, zu einer Konkurrenzsituation. Der neu gegründete LAC musste sich gegenüber dem SV Latsch im Belegen der Anlagen behaupten und durchsetzen.
Südtirols 1. Talschaftsverein
Als Sepp Rinner im SV Latsch und der aktive Athlet Erwin Schuster, Jahrgang 1948, vom SC Schlanders an die Vereinsgründung schritten, dachte niemand an solche Szenarien. Im Herbst 1971 vereinbarten sie am Sitz der Talgemeinschaft, den Talschaftsverein LAC Vinschgau ins Leben zu rufen. Es war der erste Verein in Südtirol, der mehrere Gemeinden und mehrere Sportvereine umfasste, aber eigenständig blieb. Die Tageszeitung Dolomiten brachte dazu im Herbst 1971 die kurze Meldung „Eine Talschaft und ein Verein“. Für den Zusammenschluss ausgesprochen hätten sich bereits: Latsch, Schlanders, Mals, Glurns, Schluderns, Prad, Laas und Naturns, liest man in der Notiz. Die tatsächliche Gründung erfolgte in Eyrs, im Gasthof Edelweiß, Ende Jänner oder anfangs Februar 1972 in Anwesenheit von Sepp Rinner, Erwin Schuster, Andreas Prister (Kastelbell), Bernhard Winkler (Glurns), Herbert Bersan (Laas). Den Vorsitz übernahm Rinner; Schuster wurde Übungsleiter, Prister Vize-Präsident. Das LAC-Büro befand sich in der Mittelschule Latsch mit dem Sekretär Georg Tapfer. Als Vereinsfarben wurden Gelb und Blau gewählt. Rinner zu Ehren bildete ein stilisierter Hammerwerfer das Vereinswappen. Im Frühjahr 1972 hatte Günther Schöpf in L’Aquila das Sportlehrerstudium abgeschlossen. Noch vor seinem Eintritt in den Schuldienst an der Mittelschule Latsch ersuchte ihn Erwin Schuster, an den Mannschaftsmeisterschaften teilzunehmen und für den LAC die 400m Hürdenstrecke zu bestreiten. Ein 3. Platz und wertvolle Punkte für den Klub waren die Ausbeute und der Beweggrund für Schöpf, an die Wettkampftätigkeit unter dem SV Latsch anzuknüpfen.
Da wären noch die Frauen
1973 übernahm Schöpf die Aufgaben eines „technischen Leiters“ und begann im gleichen Jahr mit der Bildung einer Mädchengruppe im Rahmen des Schulsports. In Laas baute Sepp Platter ab 1975 eine Mädchenstaffel auf. Sepp und Reinhard Gunsch in Schluderns und Ignaz Veith in Mals verfolgten ähnliche Ziele. Zuständig für provinziale, regionale und nationale Meisterschaften ab 16 war nach wie vor Erwin Schuster. Der Begriff Talentförderung bekam durch Erfolge in allen Leichtathletik-Disziplinen und durch fehlende Sportangebote für die weibliche Jugend konkrete Umrisse. Albert Blaas (Latsch, Jg. 1939), Hansi Schweitzer (Naturns, Jg. 1948), Erwin Schuster (Schlanders, Jg.1948) und Günther Schöpf (Latsch, Jg. 1948) wurden im Mehrkampf selbst zu Zugpferden. Es begann eine Entwicklung, die im August 1986 mit dem „Interregionalen Mehrkampf mit ausländischer Beteiligung für Frauen“ in Latsch begann und mit den „Internationalen Italienmeisterschaften im Sieben- und Zehnkampf“ 1994 und dem glänzenden Abschneiden von Franz Kiem (Goldrain, Jg. 1969), Michael Pfeifer (Naturns, Jg. 1972) und Hannes Gamper (Latsch, Jg. 1969) einen Höhepunkt erreichte. Die Großveranstaltungen und die sich erweiternde Tätigkeit waren nur möglich durch die Raiffeisenkassen des Vinschgaus und durch punktuelle Förderung von Wettkämpfen. Gleichzeitig mit den Mehrkampfinitiativen im Unteren Vinschgau hatte sich im Obervinschgau eine Laufbewegung im Mittel- und Langstreckenbereich emanzipiert, deren Vertreterinnen und Vertreter immer öfter nationale Limits erreichten und an entsprechenden Italien-Meisterschaften teilnahmen oder für Länderkämpfe nominiert wurden.
Lauftreffs in Schluderns und Mals
Ein Zentrum hatte sich durch die überragenden Leistungen von Verena Tragust (Jg. 1960) und Reinhard Gunsch in Schluderns gebildet. Ermöglicht wurde die umfangreiche Organisation von internen Wettkämpfen – Cross-Läufen, Dorfläufen, Hallenmeisterschaften – durch eine gut ausgebildete Kampfrichtergruppe. Sie hatte sich um Andreas Prister, Bernhard Gamper, aber auch um Lorenz Waldner und seiner Frau Annelies Veith gebildet. Sie garantierte die objektive Abwicklung der internen, provinzialen, regionalen und nationalen Wettkämpfe. 1980 trat Gründer und Förderer Sepp Rinner einen Schritt zurück und wurde mit seinem Nachfolger auf dem Bürgermeistersessel, mit Franz Bauer aus Goldrain, zum Ehrenpräsidenten ernannt. Erwin Schuster – aus der Gemeinde Schlanders stammend und in Tartsch (Gem. Mals) wohnend – mit Stellvertreter Ignaz Veith (Mals) und Sekretär Josef Gunsch (Schluderns) trat an die Spitze des Leichtathletikclubs. In dieser Zeit wurden Vinschger Leistungsträgerinnen und Leistungsträger intensiv von Läuferclub und LV Südtirol umworben. Präsident Schuster wurde zu einem europaweit vernetzten Koordinator von internationalen Sportereignissen im Vinschgau; man denke an die „Meetings“ in Mals, seit 1991, später des „Stabhochspringens auf dem Platzl“ in Schlanders seit 2002 und des Hochsprungmeetings „Super Jump“ in Latsch seit 2009. Zur Jahrtausendwende hatte sich im Oberen Vinschgau der „Rennerclub“ gebildet mit den Aushängeschildern Ignaz Veith (Mals) und Kurt Fliri (Taufers i.M.). Durch die Mehrkampfmeisterschaft 1994 und durch verschiedene Missverständnisse zwischen LAC und Gemeinde Latsch hatte sich im LAC ein „Finanzloch“ ergeben. Günther Schöpf fühlte sich verantwortlich, trat als technischer Leiter zurück und konzentrierte sich auf die Betreuung seines Sohnes Armin, damals in der Nationalen Juniorenauswahl der Zehnkämpfer.
Talentförderung in Blau-Gelb
Einer der stärksten Mittelstreckler des Landes, Michael Traut aus Goldrain, Jahrgang 1970, und als rechte Hand Rupert Pfeifer aus Naturns, Jahrgang 1973, übernahmen die Jugendförderung und nach und nach die Verantwortung für den LAC. Die „Klammer des Vereins“ blieb als Vereinsvorsitzender Erwin Schuster. Die „Neuen“ an der Spitze konzentrierten sich auf die Jugend- und Talentförderung, wobei der blau-gelbe Faden – nach den Vereinsfarben – durch Hallenmehrkämpfe und die alljährlich stattfindenden talübergreifenden Dreikämpfe der Mittelschüler, 1. Klassen, weiter gesponnen wurde. 2006 übergab Erwin Schuster die Präsidentschaft an Heiner Pohl aus Kastelbell, Jahrgang 1967 und in der Einstellung auch wieder ein Mehrkämpfer. Nach 4 Jahren übernahm Tobias Lechthaler aus Kortsch (Jg. 1991) den Vorsitz. Auch er kam aus der Reihe der Mehrkämpfer und setzte zusammen mit dem ehemaligen Landesrekordler im Hochsprung, mit Hannes Gamper neue Akzente in der Jugendförderung durch die Organisation von Leichtathletik-Camps in Latsch und Mals. Inzwischen zieht Lechthaler als Präsident erstmals auch die Fäden als technischer Leiter und kann auf einen kompetenten Ausschuss bauen. Mit Monika Müller (Mals, Jg. 1984) und Hannes Gamper (Latsch, Jg. 1969) ist eine Entwicklung im Bereich Mehrkampf weiterhin möglich.
Jubiläumsfeier im CulturForum
Der amtierende Ausschuss ist konkret dabei, die 50-jährige Leichtathletik-Tradition durch den LAC mit einer großen Jubiläumsfeier am Samstag, 22. April im CulturForum von Latsch auch an die Öffentlichkeit zu tragen und ladet ehemalige, aktive Leistungsträger, Sponsoren und Gönner herzlichst ein.