Der Tunnel

Publiziert in 17 / 2003 - Erschienen am 11. September 2003
Bürger- und Rathaus Naturns von Hannes Benedetto Pircher Musik: Ernst Thoma Regie: Jacinta Zimmermann Mit dem Kirchenchor St. Zeno Naturns, in Zusammenarbeit mit der Volksbühne Naturns und dem Bürger- und Rathaus Musikalische Leitung: Josef Pircher. Premiere: Samstag, 13. September 2003 um 20.30 Uhr Wie alle transalpinen Verkehrswege können auch durchfahrbare Löcher im Berg zum Schicksal werden. Für die Naturnser und ihre Gäste hat der neue Tunnel jedoch eine durchwegs positive, ja befreiende Funktion. Die Freude über die lang ersehnte Fertigstellung dieses längsten Bauwerkes seiner Art in Südtirol war dementsprechend groß. Einem phantasiebegabten, dem Theater verbundenen Vinschgauer Künstler kann das sogar zur Quelle der Inspiration werden. Der Nutzen eines solchen Tunnels, seine große entlastende Wirkung für die Bevölkerung, sind nicht hoch genug einzuschätzen. Als Thema für das Musiktheater, wie es von Hannes B. Pircher aufgegriffen wurde, war es aber doch etwas zu prosaisch. So entschied er sich für eine phantastische Geschichte. Eine Geschichte, die auf etwas weit ausgreifende Weise vorführt, wie ein neuer Tunnel zum Schicksal für einen ganzen Ort werden kann. Nichts ist darin der alltäglichen Wirklichkeit abgeschaut, bis auf einige Äußerlichkeiten. Das wäre ja auch zu banal. Man könnte behaupten, es wird dabei viel gelogen, was Vinschger ja gern tun, wie man ihnen nachsagt. Vielleicht hat diese Eigenschaft sogar Schuld daran, dass der Vinschgau mit Künstlern – fabulierenden, malenden, bildhauernden – besonders reich gesegnet ist. Diese Spezies kann ihre Mitmenschen mit Phantasie und ausgefallenen Ideen teils beglücken oder aufschrecken, so, dass der Geist auf jeden Fall belebt wird. Durch unterirdische Verkehrswege werden heute vornehmlich Schätze in Form von Waren hin- und hertransportiert. In Tirol jedoch wurden weit unter der Erdoberfläche vor einigen hundert Jahren auch verborgene Schätze (Silber u.a.) gehoben und dadurch auch die Phantasie der Menschen belebt. So nahm man an, dass es besonders begabte Knappen fertig bringen, Silber- und Golderz, das sie nicht gleich verarbeiten zu können, "blenden", das heißt, unsichtbar zu machen. In Sulden gab es einen Knappen mit Zauberkräften, der im ganzen Vinschgau bekannt wurde, der "Tembl". Es hieß, er ließ "Rösslgulden" aus Silber, das er im Ortlergebiet abbaute, zum Verdruss der örtlichen Bergbehörden schlagen. Das war etwa in der Mitte des 16. Jahrhunderts. "Tembl" konnte sowohl Erz blenden, als auch sich selbst unsichtbar machen und in einer Nacht zwischen Sulden und Venedig, woher er seine Zauberkraft hatte, hin- und herfahren. Wegen des Schlagens von "Rösslgulden", die mit eingeprägtem Ross und Reiter versehen waren, sollte "Tembl" in Wien vor das kaiserliche Gericht. Er fand in der Reichshauptstadt jedoch Gnade, da seine "Rösslgulden" größer und schwerer waren, als die österreichischen Reichsgulden. Es wurde Silber abgebaut in Meran/Lana, in Taufers im Münstertal Gold, in Tschengls Silber, ebenfalls in Terlan/Nals und Villanders. Es könnte ja sein, dass sich seit damals eine Vorstellung der plötzlichen Entdeckung von Goldadern vor allem im Unterbewusstsein der Künstler und Dichter erhalten hat. Sehr bewegliche, lebendige Nahrung und vieles andere spendende Schätze findet man natürlich auch im Vinschgau – die Schnalser Schafe. "Die heiligen Opfertiere der Antike wurden sicher nicht sorgfältiger gepflegt, als so mancher Zuchtwidder in Schnals: nur das Beste vom Besten war für den ‘Eibmmull’ gut genug. Seine Hörner wurden immer wieder mit Öl eingerieben; sie waren der besondere Stolz des Besitzers. Der apotropäischen Kraft dieser Hörner vertraute der Bauer schließlich seinen Hof an. An zahlreichen Giebeln Schnalser Höfe kann man sie heute noch sehen." (Siegfried W. de Rachewiltz) In einer phantastischen Geschichte, die im Vinschgau handelt, können Schafe sogar zu einer treibenden, vertreibenden Kraft werden und tief, sehr tief, in die Existenz einer Dorfbevölkerung eingreifen. Zum Glück aber gelingt es den beiden Schutzpatronen des Ortes, zuletzt doch noch alles zum Guten zu wenden – freilich im Sinne eines völligen Neubeginns mit einem Menschenpaar. Horst Ringel Hannes B. Pircher arbeitet als Schauspieler, Schauspielpädagoge, Regisseur und Grabredner. Seit 2001 Assistent von Juri M. Krasovsky (Staatliche Akademie für Theaterkunst, St. Petersburg) am STUDIO W. MEYERHOLD Wien - St. Petersburg. Lehrauftrag am Franz-Schubert-Konservatorium. Naturnser des Jahrgangs 1971. Studium der Philosophie in Salzburg, Bologna und München. 1994-2000 Mitglied des Jesuitenordens. Studium der Theologie. Schauspielstudium in Innsbruck, Wien (Diplom) und St. Petersburg (intermaster-class). Publikationen zum Thema Liturgie und Theater. Als Schauspieler u.a. an der Volksoper (Wien), Künstlerhaus (Wien), Tiroler Landestheater (Innsbruck), Augenspiel Theater (Hall i.T.), Theater des Augenblicks, Metropol (Wien). Ernst Thoma 1955 in Stilfs geboren. Gesangsstudium am Konservatorium in Bozen; Musiklehrer an den Mittelschulen Prad und Mals; seit 1979 Organist und Chorleiter in Mals; Mitglied des Malser Viergesanges; Referent für Volkslied und Chor bei verschiedenen Sommerlehrgängen. Kompositionen: Verschiedene Volksliedsätze; geistliche Chormusik; Korrnrliadr von Luis Stefan Stecher; Musik für Kinder; Singspiele; Musik zur Freilichtaufführung "Liebe, List und Vinschgerbahn" von Josef Feichtinger. Ernst Thoma hat sämtliche beim Malser Kirchtag aufgeführten Stücke und die dazugehörige Musik geschrieben: Der Lotsch (1994), Der Lugenlandtag (1996), Starke Frauen (1998), Die ungute alte Zeit (2000), Haspingers Irrfahrt (2002). Im Jahre 2003 das Musical "Stones, oder die Sage vom Tartscherbühel" für die Mittelschule Mals.
Vinschger Sonderausgabe

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