„Zu einer Wahl gehört eine Auswahl“
Der Latscher Bürgermeister Mauro Dalla Barba fühlt sich bereit für eine zweite Amtsperiode und scheut auch keine Gegenkandidaten.
Latsch - Auch mit seinen erst 45 Jahren kann Mauro Dalla Barba als Urgestein im Latscher Gemeinderat bezeichnet werden: Seit 2000 hat er dort – mit einer vierjährigen Unterbrechung – seinen Platz, insgesamt acht Jahre arbeitete er als Referent, seit 2021 steht er der Gemeinde als erster Bürger vor. „Tue recht und scheue niemanden“, steht in großen Lettern als Leitspruch auf seinem Bürgermeisterschreibtisch. „Die Leute sollen halt gleich wissen, wenn sie mich besuchen, dass ich ihnen nichts Böses will“, so Dalla Barba. Fairness und Korrektheit seien ihm generell wichtig. Warum er auch keine Gegenkandidaten innerhalb der Partei scheut, erklärt er dem der Vinschger im ausführlichen Bürgermeister-Interview.
der Vinschger: Die erste Verwaltungsperiode neigt sich dem Ende. Ich gehe davon aus, dass Sie sich nach erst einer Amtsperiode erneut zur Wahl stellen?
Mauro Dalla Barba: Ja. Aber die Entscheidung war eigentlich alles andere als klar und steht erst seit kurzem fest. Ich habe in den letzten Wochen zuerst mit meiner Familie ausführlich darüber gesprochen. Als wir hierbei den Entschluss getroffen haben, bin ich an den SVP-Koordinierungsausschuss herangetreten, der mir einstimmig das Vertrauen ausgesprochen hat. Meine definitive erneute Kandidatur steht somit eigentlich erst seit Anfang Jänner fest. Ich bin nun jedenfalls bereit und würde – sofern ich das Vertrauen der Bevölkerung erhalte – gerne nochmals als Bürgermeister arbeiten.
Erwarten Sie sich weitere Bewerber/innen innerhalb der SVP für das Bürgermeisteramt?
Ich wünsche mir zumindest einen Gegenkandidaten oder eine Gegenkandidatin innerhalb der Partei (Anm. bis 14. Februar können sich Interessierte beim SVP-Ortsausschuss melden). Denn meiner Ansicht nach gehört zu einer Wahl eine Auswahl. Es macht eine Wahl interessanter und ist gut für die Politik, wenn sich viele Bürger/innen einer Gemeindewahl stellen, dies trifft auch auf das Amt des Bürgermeisters zu. Die Zeiten sind aber nicht einfach; selbst Kandidaten oder Kandidatinnen für den Gemeinderat zu finden, ist kompliziert. Insbesondere für das Amt des Bürgermeisters, das nicht nur mit Prestige, sondern auch mit viel Verantwortung verbunden ist, wird es immer schwieriger Personen zu finden. Dies betrifft aber sicherlich alle Gemeinden in Südtirol.
Laufen eventuelle Bewerber/innen innerhalb der SVP nicht Gefahr, chancenlos ins Rennen um das Bürgermeisteramt zu gehen?
Absolut nicht. Es wird sicher keine Alibi-Kandidatin oder keinen Alibi-Kandidaten geben. Das will die Partei nicht und das will ich nicht. Und dafür gibt sich auch niemand her. Wenn jemand da ist, der sagt, ich mache das besser als der Mauro, dann wird sich die Person zur Verfügung stellen und kann natürlich auch berechtigte Hoffnungen haben, das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten. Es ist dann eine faire Wahl. Auch innerhalb der Partei ist eine Gleichbehandlung garantiert. Im Wahlkampf und darüber hinaus sind absolut beide gleichgestellt. Dies steht nicht zur Diskussion. Dass der amtierende Bürgermeister gewinnt, ist ja auch keine gmahnte Wies. Dies hat man ja auch bei der letzten Wahl 2020 gesehen, wo ich mich gegen den amtierenden Bürgermeister Helmut Fischer durchsetzen konnte (Anm. auf Dalla Barba entfielen damals 1.298 Stimmen. Für seinen SVP-Parteikollegen Fischer entschieden sich 918 Wähler/innen. Michele Modica von der Bürgerliste Mitanond-Insieme-Latsch-Laces erhielt 424 Stimmen).
Der Gemeindeausschuss besteht ausschließlich aus SVP-Leuten. Mit der Bürgerliste, die zu dritt im Gemeinderat vertreten ist, und der Süd-Tiroler Freiheit mit einem Gemeinderatsmitglied, gibt es Opposition. Wie funktioniert die Zusammenarbeit?
Ich bin ja schon lange im Gemeinderat und habe mehrere Vergleichsperioden. Ich glaube, ich kann durchaus sagen, die Zusammenarbeit in der zu Ende gehenden Verwaltungsperiode hat auf allen Ebenen beispielhaft funktioniert – sowohl im Gemeindeausschuss als auch im Gemeinderat mit der Opposition. Es standen und stehen nie persönliche Interessen im Vordergrund, sondern alle arbeiten für die Gemeinde Latsch und das Wohl der Bürger/innen. Ich und wir als SVP unterscheiden nicht nach Listen und Parteizeichen, konstruktive Vorschläge wurden stets aufgegriffen und auch umgesetzt. Ich glaube in der letzten Verwaltungsperiode hat man gesehen, dass einiges auf den Weg gebracht und auch abgeschlossen werden konnte. Das ist nicht das Verdienst des Bürgermeisters und des Gemeindeausschusses, sondern des gesamten Gemeinderats und aller Gemeindemitarbeitenden.
Sie haben es angesprochen, es hat sich vieles getan. Was waren die größten und wichtigsten Projekte?
Die Erstellung des Leitbilds der Gemeinde Latsch war uns als Gemeindeverwaltung ein großes Anliegen. Weil das ist die Grundlage für unser weiteres Arbeiten. Ein solches Leitbild hatte Latsch ja bisher noch nie. Entstanden ist es mit viel Bürgerbeteiligung. Nur so können wir verstehen wo Handlungsbedarf ist. Im Einklang mit diesem ist auch das Gemeindeentwicklungsprogramm entstanden, das sich in der Endphase befindet. Millionenprojekte waren zuletzt die Sanierung des Goldrainer Vereinshauses, die Sanierung des historischen Latscher Schießstandes oder die Sanierung des Goldrainer Kindergartens. Auch die Revision der Seilbahn St. Martin und Umbauarbeiten an der Talstation wurden durchgeführt. Das Quartier am Mühlrain mit dem Aspekt des leistbaren Wohnens wurde auf den Weg gebracht. Das Speicherbecken in Tarsch wurde erneuert. Viel Geld wurde in den Schießstand Goldrain investiert. Viel wurde auch ins ländliche Wegenetz investiert, vor allem in St. Martin im Kofel. Auch für die Sicherheit wurde einiges getan, sprich Fußgängerwege etc. Die Unterführung der Staatsstraße bei Tiss entstand in wenigen Monaten, vom CulturForum bis zur Seilbahn wurde die Straße neugestaltet. Zudem stehen ständig kleinere Instandhaltungsarbeiten bei den Straßen und den öffentlichen Strukturen an. Einiges ist bereits geplant, noch Mitte Februar beginnt die Gestaltung des Kirchplatzes in Latsch.
Welche wichtigen Projekte warten in der nächsten Verwaltungsperiode?
Ein prioritäres Projekt ist die Sanierung vom Vereinshaus Morter. Hier sind die Planungen vergeben und das Geld dafür reserviert. Das größte Projekt wird aber sicherlich die Neustrukturierung des Altersheims. Hier befinden wir uns in der Findungsphase und bei vorbereitenden Arbeiten für einen internationalen Ideenwettbewerb. Die Baukosten sind derart hoch, dass es international ausgeschrieben werden muss. Der Standort wird derselbe sein. Wir geben das Volumen und einige weitere Punkte vor. Dann wird durch den Ideenwettbewerb ermittelt, welche Lösungen möglich und sinnvoll sind. Auch die Planung der neuen Tribünen am Sportplatz in Goldrain läuft, hier wollen wir noch heuer die Planungen abschließen und im Herbst um Landesbeiträge ansuchen. Ein weiteres großes Projekt ist natürlich das Eisstadion. Die Finanzierung steht zwar bereits, aber die Planung ist nicht einfach. Ein Eisstadion gibt es ja nicht überall. Da braucht es viele Gespräche mit spezialisierten Personen. Das gesamte Gebäude am Lacusplatz, wo auch die Gemeinde ihren Sitz hat, soll saniert werden. Die Ausschreibungsphase für das Digitalisierungsprojekt, wo wir 500.000 Euro an EU-Geldern erhielten, läuft. Damit soll unter anderem ein intelligentes Parkplatzmanagement fürs AquaForum entstehen, eine digitale Friedhofsverwaltung, die Digitalisierung der Speicherbecken, eine intelligente Bewässerung, die Digitalisierung der Gemeindeakten und mehr. Noch in den nächsten eineinhalb Jahren wird der große öffentliche Parkplatz beim Quartier am Mühlrain fertiggestellt. Auch in der Mobilität stehen einige Verbesserungen an, um die innerörtliche Vernetzung sicherer zu machen. So ist ein Gehweg von Goldrain in die Latscher Industriezone geplant, genauso wie eine Bushaltestellte beim Haus der Gesundheit, wofür bereits Gespräche mit dem Land laufen.
Latsch ist seit jeher vom Bauernstand geprägt. Ihre Vorgänger, Helmut Fischer und Karl Weiss, waren Landwirte. Wie schwer tut sich ein Nicht-Bauer wie Sie in Latsch?
Ich tue mich damit überhaupt nicht schwer. Die Frage müsste man an die Landwirte stellen, wie zufrieden sie mit so einem Nicht-Bauer als Bürgermeister sind (lacht). Ich glaube, die Zusammenarbeit verläuft konstruktiv. Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Latsch und hat ihre Bedürfnisse und Notwendigkeiten. Einiges konnte gelöst werden. Das große Thema der öffentlichen Wegenetze konnte aber leider auch in dieser Verwaltungsperiode nicht gelöst werden (Anm. Vertreter der Landwirtschaft wollen, dass viele Feldwege, die im Besitz der Gemeinde sind, an das Bonifizierungskonsortium abgetreten werden). Die Gespräche hierzu laufen aber weiter, Vorschläge werden immer wieder unterbreitet. Es herrscht hierbei auch Redebedarf innerhalb der Landwirtschaft selbst. Es gibt jedenfalls keine verhärteten Fronten.
Die Geschäfte in Latsch scheinen immer weniger zu werden. Wie geht es dem Handel?
Die Probleme, welche Städte und andere größere Dörfer haben, machen vor Latsch nicht Halt. Wir als Gemeinde versuchen die Rahmenbedingungen für belebte Ortskerne zu schaffen und auch Anreize durch Wirtschaftsförderungen geben. Aber wir können nicht Geschäfte eröffnen und führen. Ich mache mir keine Illusionen, ich kenne mich im Handel gut genug aus; es wird auch weiterhin schwierig, es wird auch weiterhin Geschäftsschließungen in ganz Südtirol geben. Eine gute Nahversorgung mit alldem was man für den täglichen Gebrauch braucht, muss aber gewährleistet sein. Alles andere ist ein schöner Zusatz und wir sind froh um alles. Solange viele Menschen aber halt weiterhin alles online bei den Internetriesen bestellen, wird es sicher nicht einfacher werden.
Was tut sich in der Industriezone?
Wir haben eine attraktive Industriezone. Ein Problem sind die Flächen, nicht bei größeren Industriebetrieben, sondern bei Kleinbetrieben. Die große Industrie hat sich schon ihre Flächen gesichert, aber auch ein kleiner Handwerker muss zu einem vernünftigen Preis zu einem Grund kommen. Das ist die große Herausforderung. Wir müssen hierfür mehr verdichten. Aber klar ist auch, dass sich die Industriezone sicher nicht weiter in Richtung Dorf entwickeln wird.
Auch der Tourismus spielt in Latsch eine Rolle. Wie steht es um diesen?
Die Touristiker machen eine gute und wichtige Arbeit, auch angesichts der oft schwierigen Rahmenbedingungen. Ich kann die Kritik und den Unmut der Bevölkerung in Tourismus-Hochburgen wie dem Gadertal, Gröden oder Kastelruth verstehen. Aber in Latsch und dem gesamten Vinschgau gibt es ganz sicher keinen Übertourismus. Da ist noch Luft nach oben, insbesondere was Privatzimmervermietungen und Pensionen betrifft. Vom Tourismus profitieren alle. Daher werden wir ihn auch weiterhin unterstützen.
Wie lebenswert ist Latsch?
Ich lebe nicht nur gerne in Latsch, ich bin stolz ein Latscher zu sein. Es ist seit jeher ein wichtiger Ort im Vinschgau. Ganz viele Leute vor mir haben gute Arbeit in der Verwaltung geleistet, um Latsch zu solch einem lebenswerten Ort zu machen. Wir haben hier alles, was man braucht. Es gibt Arbeitsplätze, wir haben viele Sportinfrastrukturen, ein Schwimmbad, ein Eisstadion, zwei Seilbahnen, wir haben den Wald daneben, sind quasi mitten im Grünen und doch bestens an das öffentliche Netz angebunden, es gibt einen zentralen Bahnhof, ein Jugendzentrum, viel Kultur und durchaus auch attraktive Geschäfte und Lokale. Nicht zuletzt dürfen wir auf unser vorbildhaftes Vereinswesen stolz sein.