Zwischen elitär und provinziell
Publiziert in 17 / 2003 - Erschienen am 11. September 2003
1998 wurde sie gegründet, mit 235 Studierenden wurde die Lehrtätigkeit damals aufgenommen und heute sind 1668 Studenten an der Freien Universität Bozen inskribiert. Diese durchaus beachtlichen Zahlen sprechen für eine gesicherte Zukunft für den Weiterbestand der Uni. Soweit so gut, jedoch unterschwellig erreichen auch weniger erfreuliche Nachrichten die Öffentlichkeit. Euphorisch wurde zu den Gründerzeiten mit "internationalen Kapazitäten" (Steinherr) geworben, hinterher folgte dann das böse Erwachen.
Über den Abgang des ehemaligen Rektors wurde viel geschrieben und gesprochen, aber die Transparenz blieb dabei auf der Strecke. Worauf lässt sich eine solche Fehlentscheidung zurückführen, war sie einmalig und was wurde in den Entscheidungsabläufen geändert, damit sie sich nicht wiederholt? Stellt man sich diese Frage überhaupt?
Interessant für die zukünftigen Studenten wäre, wenn auch an dieser Uni, Lehre und Forschung von externen Fachleuten, einer sogenannten Evaluation unterzogen würden. Studienangebote könnten getestet und mit denen von anderen Universitäten verglichen werden. Stärken und Schwächen würden deutlicher hervortreten, das Profil würde geschärft werden, und der Student bekäme ein objektives Bild.
[F] Einige Professoren und Lehrbeauftragte aus dem Vinschgau [/F]
[F] „Pflichtpraktikas sind von Vorteil“ [/F]
„Der Vinschger“: Welche Hilfe bietet das Amt für Ausbildungs – und Berufsberatung bei der Wahl des Studiums?
Karl Bernhart (Berufsberater): Die "Hilfe zu Selbsthilfe" steht bei unserer Tätigkeit im Vordergrund. Wir vermitteln Informationen, leisten Orientierungshilfe und versuchen die Ratsuchenden dahingehend zu begleiten, dass sie schließlich selbst in der Lage sind eine Entscheidung zu treffen.
Welche Vor- und Nachteile ergeben sich Ihrer Meinung nach für die Absolventen der Freien Universität Bozen beim Einstieg in die Arbeitswelt?
Ein Vorteil ist sicher die Verbindung zwischen Theorie und Praxis und die damit verbundenen Pflichtpraktikas in Betrieben. Dadurch könnte vielen Studierenden der Einstieg in die Arbeitswelt erleichtert werden und so manch ein/e StudentIn wird vielleicht nach Abschluss des Studiums die Arbeit an seinem/ihrem ehemaligen Praktikumsplatz beginnen. Als eventuellen Nachteil empfinde ich, dass in Südtirol Studierende sicherlich weniger Auslanderfahrungen sammeln können und von einem "richtigen" Studentenleben wenig mitbekommen.
Wie groß ist das Interesse an Informationen über die Freie Universität?
Hauptsächlich interessieren sich Ratsuchende aus dem Vinschgau für die Fakultät der Bildungswissenschaften in Brixen, am häufigsten werden dabei Informationen über die Lehrgänge für KindergärtnerInnen und GrundschullehrerInnen eingeholt. Bezüglich der Fakultäten in Bozen ist das Interesse durchaus vorhanden, jedoch begrenzt.
[F] „Keine Einmischungen seitens der Landesregieurng“ [/F]
"Der Vinschger": Als Gründungsmitglied der Freien Universität Bozen erlebten Sie sicherlich viele Höhen und Tiefen beim Aufbau der Institution. Welche waren die herausragendsten?
Helmwart Hierdeis: Zunächst einmal war es die reibungslose Kooperation innerhalb des Gründungsausschusses zwischen den zehn Vertretern der deutschen und der italienischen Sprachgruppe. Die steigenden Inskriptionszahlen in den letzten Jahren und der Neubau zählen sicherlich auch zu den Höhen. Die Studienpläne, die vom Gründungsausschuss erarbeitet worden sind, scheinen funktionsfähig zu sein, ein Problem haben wir wenn es um Veränderungen dieser Pläne geht, denn hierfür muss immer der Weg über Rom genommen werden und das Ministerium ist im Zuge der Universitätsreform nicht geneigt Veränderungen vorzunehmen.
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Stärken bzw. die Schwächen dieser doch sehr jungen Universität?
Eine Stärke ist sicher die Überschaubarkeit nicht nur der Region, sondern auch der Universität. Es ist also keine Mammut-Einrichtung und ich finde es gut, dass man sich auf einige wenige Fakultäten beschränkt hat, von denen es einen Bedarf nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland gibt. Anerkennend ist sicherlich auch das internationale Studentenpublikum und die Verbindung von Theorie und Praxis in den verschiedenen Studiengängen.
Eine Schwäche könnte sein, dass es relativ wenig Stammpersonal gibt, und dass wir mit sehr vielen Lehrbeauftragten arbeiten müssen. Berufungen aus dem Ausland sind aufgrund der italienischen Universitätsgesetzgebung und aufgrund der Sozial- und Krankenversicherung sehr schwierig. Das ist eine Schwäche im System, welches die Universität belastet, denn wir können Stellen nicht so schnell beset-zen wie wir wollen.
Freie Universität Bozen. Wie äußerst sich dieses "Frei" im Leben der Institution. Wird Unabhängigkeit in Lehre und Forschung gewährleistet?
Unabhängigkeit in Lehre und Forschung ist insofern gewährleistet, dass niemandem vorgeschrieben wird was er zu lehren hat. Es gibt Studienpläne, an die wir uns halten müssen, aber jedem ist freigestellt was er innerhalb dieser Pläne unterrichtet. Es wird vorwiegend regionale Forschung betrieben. Freie Universität heißt im Grunde nur "nicht staatlich", und die Universität Bozen ist eine Mischform. Sie ist natürliche keine völlig private Universität, sondern eine öffentliche Universität des Landes Südtirol, aber eben nicht staatlich.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit der Landesregierung?
Aus meinen dreieinhalbjährigen Erfahrungen als Dekan an der Fakultät für Bildungswissenschaften kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit ausgezeichnet war. Es hat keine Einmischungen von Seiten der Landesregierung gegeben und wir hatten das Gefühl, dass das Land hinter uns steht.
Ist Ihrer Meinung nach die Freie Universität eine Institution mit Zukunft, welcher die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung des Landes am Herzen liegt?
Das kann man ablesen am Leitbild, das wir jetzt gerade verfassen. Die Universität versteht sich als wichtiger Motor was die kulturelle und gesellschaftliche Entwicklung des Landes angeht. Ich vermute schon, dass die Universität eine Institution mit Zukunft ist, denn die Anfänge waren trotz einiger Anlaufschwierigkeiten sehr ermutigend.
Interview: Claudia Tapfer
Claudia Tapfer