SCHLANDERS denkt ANDERS - Goldene Mietpreise vermiesen Goldene Zeiten

Wird Handel abgewürgt?

Publiziert in 4 / 2005 - Erschienen am 3. März 2005
[F] "Wir schließen" oder "Alles raus" steht in großen Lettern an den Schaufenstern. Man lockt mit Super-Angeboten, um auch die letzten Ladenhüter zu verscherbeln. Bevor man endgültig die Türen schließt. Drei Bekleidungsgeschäfte stehen in Schlanders vor dem Aus. Und etwa 15 Geschäftslokale stehen ohne Mieter da. Maßnahmen, um die prekäre Situation in den Griff zu bekommen, fehlen bislang gänzlich. von Angelika Ploner [/F] Bei der Versammlung der Kaufleute vergangene Woche in der "Goldenen Rose" in Schlanders stand alles Mögliche auf der Tagesordnung: die kommenden Gemeinderatswahlen, die langen Freitage in den Sommermonaten, die Anstellung eines Marketingmanagers für Schlanders. Die zahlreichen Geschäftsschließungen und die vielen leer stehenden Geschäfte gehörten nicht dazu. Kurz vor Ende der Versammlung wurde die Problematik dann doch auf den Tisch gebracht. Lösungsvorschläge blieben allerdings aus. Gebaren. In Ausschuss- und Verbandsreihen mauert man. "Die Sache wird viel zu viel aufgebauscht", sind sich Christian Oberhofer, Obmann der Schlanderser Kaufleute und Walter Holzeisen, Bezirksleiter der Kaufleute und Dienstleister eins. Schließlich muss der Vinschger Hauptort, wie Kaufleutechef Kurt Ziernhöld verkündet, "Zeichen setzen" fürs Tal. Aber das Problem in Schlanders ist offenkundig. Und deshalb nicht vom Tisch zu kriegen. Die Gründe für die Situation in Schlanders sind unterschiedlich. Die Kaufleute spielen dabei aber kaum eine Rolle. Geboomt. "Schlanders hat in den vergangenen Jahren einen Bauboom erlebt. Besonders in Bezug auf Büro- und Geschäftsgebäuden", charakterisieren Christian Oberhofer und Martina Gamper-Tschenett, die Präsidentin der Werbegemeinschaft "Schlanders ist anders" die Entwicklung. In der Tat wurde in den vergangenen Jahren sehr viel gebaut. Im ganzen Tal. Wurden 1996 im Vinschgau noch 434 Arbeitsstätten im Groß- und Einzelhandel gezählt, waren es im Dezember 2003 bereits 514. Das sind um satte 80 mehr. Dabei fällt im Vinschger Hauptort aber vor allem eines auf: Gebäude mit fast schon schablonenhafter Struktur sind entstanden. Ebenerdig Geschäftslokale, im 1. Stock Büroräume, darüber Wohnungen. Je kleiner die Quadratmeter, desto größer die Anzahl der Geschäftslokale, die verkauft werden konnten. Für Unternehmen eine gute Investitionsmöglichkeit. Die auch genutzt wurde. Dass nicht alle Geschäfte sofort besetzt werden können, sei deshalb laut Oberhofer und Gamper-Tschenett nicht verwunderlich. Auch wenn mit der Liberalisierung der Handelsordnung eine Geschäfts-eröffnung vereinfacht wurde. Gewichtig. Seit 1998 kann in Gemeinden bis zu 10.000 Einwohner jeder Interessierte ohne schulische Voraussetzungen ein Geschäft bis zu 100 Quadratmetern im Nicht-Lebensmittelbereich eröffnen. "Geschäfte können so einfacher geöffnet werden, müssen oft aber recht schnell wieder geschlossen werden", sieht Walter Holzeisen ein gewichtiges Problem in den neuen Bestimmungen. Bestimmungen, an denen allerdings der Verband für Kaufleute und Dienstleister kräftig mitgearbeitet hat. "Eine Geschäftsführung wird oft unterschätzt", gibt Holzeisen zu bedenken. Verkaufstalent allein reicht nicht aus. Gesättigt. "Außerdem meinen einige immer noch, Schlanders ist ein goldenes Pflaster", erklärt Martina Gamper-Tschenett. Auch Walter Holzeisen bestätigt diese Fehleinschätzung der Lage im Hauptort. Der Markt sei längst übersättigt, erklärt der Bezirksleiter. Obwohl Schlanders mit Krankenhaus, Ämtern und Schulen eine gewisse Frequenz hat, fehlt die "Frequenz von außerhalb", skizziert Martina Gamper-Tschenett weiter und spricht damit die Touristen an. "Wirklich gut geführte Hotels fehlen in Schlanders", ist die Präsidentin der Werbegemeinschaft überzeugt. Nur eine gewisse Anzahl an Geschäften könne deshalb in Schlanders längerfristig überleben. Auch wegen der sinkenden Kaufbereitschaft seit der Einführung des Euro und des Kaufkraftabflusses. Gespalten. Obwohl Walter Holzeisen betont, dass die Umsätze noch nicht wesentlich darunter leiden, so ist das Problem offenkundig. Betroffen ist vor allem die Bekleidungsbranche. "Das ist lediglich eine Trenderscheinung", wimmeln Oberhofer und Gamper-Tschenett ab. Mit reeller Preispolitik haben die Einkaufstouren nichts zu tun. Überall gäbe es günstigere und teurere Produkte. Das Problem sind die Konzerne. Gegen einen Großbetrieb hat der Schlanderser Kaufmann keine Chance. Die großen Konzerne haben eine andere Einkaufspolitik oder lassen gar selbst produzieren. Wenn ein Konzern tausend Stück von einem Pullover kauft, dann kauft der Kaufmann in Schlanders allenfalls fünf. Und die dementsprechend teurer. "Der Kaufkraftabfluss ist nicht unser größtes Problem", sagt Oberhofer und spricht damit die hohen Fixkosten wie Lohnkosten, Steuern und nicht zuletzt die Mieten an. Geharnischt. Mehr als 50 Prozent der Kaufleute haben ihr Geschäftslokal in Schlanders angemietet. Zu Mietpreisen, "die sich teilweise mit jenen in der Stadt messen können." Das trifft vor allem auf die Fußgängerzone zu. 1.500 Euro Miete wird hier für ein 30 Quadratmeter großes Geschäftslokal verlangt. Ohne Lagerraum. 1.500 Euro auch für ein um etwa 10 Quadratmeter größeres Geschäft. Ebenfalls ohne Lagerraum. Und 2.218 Euro berappt man für ein 50 Quadratmeter großes Lokal mit einem Lagerraum von etwa 40 Quadratmetern. Etwas besser gestaltet sich die Situation außerhalb der Fußgängerzone. Für ein etwa 130 Quadratmeter großes Geschäftslokal blättert man hier 2.200 Euro hin. Eingeschlossen ein Lagerraum mit etwas mehr als 50 Quadratmetern. Die Preise sind horrend. Vergleiche mit anderen Gemeinden bestätigen dies. In Schluderns wird für ein 65 Quadratmeter (Verkaufsfläche und Lagerraum) großes Geschäft 500 Euro bezahlt. Im neuen "Colosseo" in Prad bezahlt man für 130 Quadratmeter (Verkaufsfläche und Lagerraum) 900 Euro. In Glurns wird für ein Geschäft mit 75 Quadratmetern 500 Euro bezahlt und in Mals für 180 Quadratmeter 2.200 Euro (Heizkosten eingeschlossen). "In den letzten zwei Jahren hat es bei vielen Vermietern ein Umdenken gegeben", erklärt ein Kaufmann aus Prad. Man ist bereit über Preis und Konditionen zu verhandeln. In Schlanders denkt man anders. "Einige Vermieter verlangen einen bestimmten Preis ohne Kompromiss", weiß auch Christian Oberhofer. Man wartet bis man den geforderten Betrag erhält. Manchmal über Jahre. Das Geschäft steht derweil leer. Gezielt. Die ersten Touristen fragen schon. Die vielen leer stehenden Räume an denen "Zu vermieten" prangt, fallen auf. Und stören. Maßnahmen oder Konzepte, um die Situation in Schlanders erträglich zu machen, fehlen bislang gänzlich. "Es scheint, als hätten es die Kaufleute nicht nötig etwas zu ändern", sagt der Laaser Gottfried Tappeiner anlässlich der erweiterten Bezirkstagung der SVP Burggrafenamt. Wie Gamper-Tschenett und Oberhofer ist auch Tappeiner, der einen Lehrstuhl für Wirtschaft an der Universität Innsbruck hat, der Meinung, dass beispielsweise die Einkaufstouren weniger mit Billigeinkaufen, sondern mehr mit so genannten Erlebniseinkäufen zu tun haben. Warum die hiesigen Kaufleute den Spieß nicht einfach umdrehen und den Einzelhandel mit gezielten Aktionen bewerben, versteht der Laaser Professor nicht. "Es ist sehr schwierig", gemeinsame Aktionen auf die Beine zu stellen", kontert Martina Gamper-Tschenett. Meist wird nur bis vors eigene Geschäft gedacht", weiß die Präsidentin, die bereits einige Jahre die Weihnachtsaktion in Schlanders organisiert. In der "Kaufleutebasis" denkt man derweil mehr an Schaufenstervermietung zu Werbezwecken, an längere Öffnungszeiten, an eine Schiene mit günstiger Bekleidung oder an die Bildung so genannter Einkaufsringe. Mit solchen Zusammenschlüssen könnte billiger eingekauft und somit auch günstiger verkauft werden. "Wir wollen in absehbarer Zeit eine Arbeitsgruppe einsetzen, die sich Gedanken machen soll", informiert Walter Holzeisen. Wann mit konkreten Ergebnissen zu rechnen ist, weiß man nicht. Derweil hofft man. Die Hoffnung stirbt bekannterweise zuletzt.
Angelika Ploner
Vinschger Sonderausgabe

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