Das Netz muss her!
Bürgermeister-Runde am 17. November (von links): Karl Josef Rainer, Karl Weiss, Erwin Wegmann, Ulrich Veith, Heinrich Noggler, VEK-Präsident Albrecht Plangger, Generalsekretär Konrad Raffeiner, Andreas Tappeiner, Dieter Pinggera, Hubert Pinggera, Georg Altststätter, Erich Wallnöfer, Gustav Tappeiner und Hartwig Tschenett; Hermann Fliri war verhindert.

Von Netzübernahme und Golfplatz bis hin zu neuem Finanzierungstopf

Publiziert in 42 / 2011 - Erschienen am 23. November 2011
Vinschgau - Fast monatlich treffen sich die Vinschger Bürgermeister zu einer Sitzung. Das schweißt den Bezirk zusammen. Beim jüngsten Treffen am 17. November ging es um die Übernahme des Stromnetzes, die Mitfinanzierung des Golfplatzes und die Schaffung des neuen Finanzierungstopfes „Entwicklung im Vinschgau“. Was es damit auf sich hat, erklärte Bezirkspräsident Andreas Tappeiner in einem Gespräch mit dem „Vinschger“. „Der Vinschger“: Der SEL-Skandal zieht fast täglich neue Kreise. Würfelt das die Absicht der Vinschger Gemeinden, das Stromnetz zu übernehmen, durcheinander? Andreas Tappeiner: Nein, wir sind nach wie vor überzeugt, dass die Netzübernahme eine historische Chance ist, die wir unbedingt nutzen müssen. Das Netz kostet aber über 10 Millionen Euro. Andreas Tappeiner: Das ist uns durchaus bewusst. Wir sind aber überzeugt, dass diese Summe zu stemmen und die Übernahme auch sinnvoll ist. Der VEK-Präsident ­Albrecht Plangger hat sich ein Stromverteilungsmodell in Trient angeschaut, das in etwa die gleiche Größenordnung hat wie wir es planen. Plangger hat uns in der Bürgermeister-Runde bestätigt, dass man in Trient mit diesem Modell kostendeckend arbeitet. Was die Bürger und Betriebe wollen, sind aber möglichst günstige Stromtarife. Ist es da nicht einerlei, wem das Netz gehört? Andreas Tappeiner: Genau das ist der Punkt. Wenn das Netz an die Gemeinden übergeht, können wir einerseits eine ­schnelle und unkomplizierte Dienstleistung vor Ort anbieten und andererseits möglichst kon­stante Tarife garantieren. Wie soll das konkret funktionieren? Andreas Tappeiner: Grob gesagt ist es unser Ziel, das Stromnetz, das wir von der SELNET abkaufen, nicht zu verpachten, sondern es kostenlos weiterzugeben, und zwar als Dienst am Bürger. Die Gemeinden ihrerseits holen das Geld dann sozusagen „virtuell“ über ihre Beteiligungen an Wasserkonzes­sionen und deren Erlöse herein. Mit der Verteilung im Obervinschgau soll eine historische Genossenschaft betraut werden, im Untervinschgau wird eine Arrondierung der E-Werke Schlanders und Latsch angepeilt, wobei auch die Gemeinde Martell mitgenommen und unterstützt werden soll. Wird es im Untervinschgau also keine Genossenschaft geben? Andreas Tappeiner: Im ersten Schritt nicht, danach aber könnte eine Eingliederung der Gemeinden Schlanders, Latsch und Martell erfolgen, indem man eine Koordinierungsstelle beim VEK einrichtet. Die Landesregierung will im Finanzgesetz einen Passus einfügen, damit auch Genossenschaften das Verteilernetz übernehmen können. Andreas Tappeiner: Dem Vorschlag, diesen für uns sehr wichtigen Passus einzufügen, hat Landeshauptmann Luis Durnwalder erst vor wenigen Wochen auf Ersuchen unsererseits und durch Vorarbeit von Albrecht Plangger zugestimmt. Wichtig ist der Passus deshalb, weil die Genossenschaften als Verteiler von den Systemkosten befreit sind. Wir sprechen hier im Vinschgau immerhin von rund 2 Millionen Euro im Jahr. Auf ca. 3,8 Millionen Euro belaufen sich die jährlichen Durchleitungsgebühren für das Netz. Bisher gab es keine Garantie, dass diese Mittel auch hier im Tal eingesetzt wurden. Wenn wir die Verteilung selbst übernehmen, wird sich das ­sicher ändern. Außerdem würden diese 3,8 Mio. auch als Wertschöpfung hier im Tal bleiben. Ziehen die Gemeinden bei der Netzüber­nahme alle mit? Andreas Tappeiner: Die Vorarbeiten in ­etlichen größeren Gemeinden wurden bereits geleistet. Die formellen Beschlüsse in den Gemeinderäten sollen innerhalb 2011 fallen. Es könnte aber sein, dass es infolge der ­jetzigen Polemiken rund um die SEL zu einem Aufschub kommt. Wie steht es mit der Beteiligung an der ­Marteller Konzession? Andreas Tappeiner: Es finden laufend ­Sitzungen des Hydros-Verwaltungsrates statt, in dem auch der Marteller Bürgermeister ­Georg Altstätter vertreten ist. Geht es nach unseren Vorstellungen, soll hier für die Anrainergemeinden bzw. den Vinschgau ein direktes Strombezugsrecht für 30 Millionen kWh gesichert werden. Um das zu erreichen, braucht es aber auch die Zustimmung der Edison, die mit 40% an der Hydros beteiligt ist. Was ist mit dem Rekurs gegen die Vergabe der Marteller Konzession an die Hydros? Andreas Tappeiner: Ein nächster Verhandlungstermin beim Wassermagistrat steht am 23. November ins Haus. Zu einem endgültigen Urteil dürfte es erst im Frühjahr 2012 kommen. Rund 30 Mio. kWh könnte auch das Kraftwerk „Zufritt-Morter“ bringen. Andreas Tappeiner: Das ist vorerst nur eine Idee, deren Umsetzung in Zukunft aber sehr wichtig werden könnte, denn zurzeit fehlen uns noch zwischen 50 und 60 Mio. kWh, um den Strombedarf im Vinschger mit der ­Eigenproduktion decken zu können. Dieses Kraftwerk wäre praktisch nur eine Optimierung, sprich bessere Nutzung der bestehenden Marteller Konzession. Der SEL-Skandal bringt nach und nach immer neue „unsaubere“ Dinge ans Licht. Jetzt wird von einem völligen Neustart gesprochen, ja von einem Umbau von Grund auf, wobei die Gemeinden viel mehr mit eingebunden werden sollen. War das nicht die Grundidee, die die Vinschger bereits vor vielen Jahren hatten und wegen der sie nicht selten auch belächelt wurden? Andreas Tappeiner: Mittlerweile hat man auch in anderen Bezirken erkannt, dass unsere Ansätze in der Energiepolitik nicht die schlechtesten waren. Jetzt ist es aber auch Ihre Partei, nämlich die SVP, die großen Schaden nimmt. Obmann Richard Theiner hat sich klar positioniert und lückelose Aufklärung gefordert. Das haben ihm einige Mächtige in der SVP ganz schön übel genommen. Andreas Tappeiner: Theiners Linie ist hier eindeutig die richtige. Die Parteibasis erkennt dies an und wünscht ebenso einen Neustart. Themenwechsel: Bei der jüngsten Bürgermeister-Runde wurde auch über die Beteiligung der Gemeinden an der Finanzierung des geplanten Golfplatzes im Obervinschgau diskutiert. Wird schon bald eingelocht? Andreas Tappeiner: Noch ist es nicht soweit. Einig sind wir uns darin, dass ein Golfplatz den Vinschgau touristisch aufwerten würde. Die Aussprache in der Runde zeigte, dass die umliegenden Gemeinden bereit sind, das Vorhaben in größerem Rahmen zu unter­stützen. Bis zur nächsten Gesprächsrunde Anfang Dezember soll das Modell für finanzielle Mitbeteiligung der Gemeinden stehen. Es geht hier immerhin um ein 3-Millionen-Euro-Projekt. Es wird sicher schwierig sein, die von den Gemeinden erwünschte Mitbeteiligung in Höhe von 1 Mio. Euro auf die Beine zu stellen. Was wir uns nach wie vor erwarten, ist ein „starkes Zeichen“ seitens der Hotellerie. Wie kommen Gemeinden wie Schnals oder Martell dazu, einen Golfplatz im Obervinschgau mitzufinanzieren? Andreas Tappeiner: Diese Frage war einer der Gründe, die uns dazu bewegen, einen neuen Finanzierungstopf auf Bezirksebene einzurichten, der von allen Gemeinden gespeist und genutzt wird. Aus diesem Topf, dessen Einrichtung jetzt der Bezirksausschuss näher überprüfen und vorbereiten wird, sollte nicht nur für wirtschaftliche und touristische Initiativen zur Verfügung stehen. Sondern? Andreas Tappeiner: Sondern auch für Vorhaben und Projekte, die übergemeindlichen Charakter haben. Wir denken an einen Topf unter dem Motto „Entwicklung im Vinschgau“. Ist es sinnvoll, dass sich die Bürgermeister fast jeden Monat zu einer Aussprache treffen? Andreas Tappeiner: Das ist sinnvoll und wichtig. Wir können so regelmäßig über alle Anliegen und Probleme diskutieren. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass das Zusammengehörigkeitsgefühl gestärkt wird. Es ist wichtig, dass wir nach außen geschlossen auftreten und speziell in Bozen mit einer Stimme reden. Sie führen die Gemeinde Laas, den Bezirk und den Bezirksbauernbund. Andreas Tappeiner: Als ich vor genau einem Jahr (18. November 2010, Anm.d.R.) zum Bezirkspräsident gewählt wurde, hatte ich mir nicht gedacht, dass mich diese Aufgabe so auslasten würde. Ich kann aber auf kompetente Ausschussmitglieder bzw. verlässliche Stellvertreter auf Bezirks- und Gemeindeebene zählen. Dasselbe gilt für den Bezirksbauernrat. Die nächsten Gemeinderatswahlen finden 2015 statt. Wären Sie zu diesem Zeitpunkt mandatsbeschränkt? Andreas Tappeiner: Bis 2015 ist es noch eine Weile hin. Mandatsbeschränkt wäre ich nicht. Ist der Landtag für Sie ein Thema? Andreas Tappeiner: Nein. Jedenfalls nicht jetzt. Es ist für mich ernüchternd zu sehen, wie sich manche Landtagsabgeordnete ab­rackern, am Ende aber doch nicht „operativ“ arbeiten können. Sie bekommen sozusagen die Früchte ihrer Arbeit nicht zu Gesicht. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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