Verbraucherberatung gefragter denn je
Publiziert in 24 / 2006 - Erschienen am 25. Oktober 2006
Verbraucherschutz ist erst in den letzten Jahrzehnten in das Bewusstsein vieler Menschen gerückt. Ausgehend von der Entwicklung der Verbraucherpolitik auf europäischer Ebene wurde Anfang der 90er Jahre auch in Südtirol – auf Initiative gewerkschaftlicher, sozialer und ökologischer Vereinigungen hin – die Einrichtung einer systematischen Verbraucherberatungs- und Informationstätigkeit ins Auge gefasst und mit Landesgesetz Nr. 15/1992 verwirklicht.
von Ingeborg Rechenmacher
Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) ist ein gemeinnütziger, anbieterunabhängiger Verein. Seit vielen Jahren schützt und fördert sie die Rechte der Verbraucher und bietet einen Überblick im oft unübersichtlichen Bereich des Waren- und Dienstleistungsangebotes und der vielschichtigen Marktbedingungen. Neben dem Hauptsitz in Bozen gibt es in ganz Südtirol Außenstellen, an die sich Rat suchende Konsumenten wenden können.
Jeden ersten und dritten Montag im Monat findet im Haus der Bezirksgemeinschaft in Schlanders von 15 bis 18 Uhr eine Verbraucherberatung statt. Seit drei Jahren bietet die Bezirksgemeinschaft diese Konsumentenberatung mit der gebürtigen Schlanderserin Edeltraud Kaserer Kiebacher an.
„Der Vinschger“ hat mit der Fachkraft der Verbraucherzentrale ein Gespräch geführt:
„Der Vinschger“: Welches sind die Ziele der Verbraucherberatung?
Edeltraud K. Kiebacher: Unser oberstes Ziel ist es, den Konsumentenschutz zu fördern und zu stärken. Wir möchten die Verbraucher zu kritischen, verantwortungsvollen Konsumenten erziehen.
„Der Vinschger“: Welche Personen kommen zur Beratung?
Edeltraud K. Kiebacher: Das Spektrum ist sehr breit. Junge Menschen, die erst eine Familie gegründet haben oder ein Darlehen aufnehmen wollen, aber auch ältere Personen, die sich in einer Sache unsicher sind, suchen uns auf. Mieter, die einen Rat brauchen kommen genauso wie Personen, die eine Versicherung abschließen wollen oder ein Haus gebaut haben, und Probleme mit den Handwerkern haben. Zu uns kommen Menschen, die eine seriöse Auskunft über Ernährung, Schule, Lebensversicherung, Umwelt, Gesundheit und vieles mehr bekommen wollen.
„Der Vinschger“: Sie raten immer wieder zu schriftlichen Vereinbarungen?
Edeltraud K. Kiebacher:Konsumenten treffen mit Firmen oder Handwerkern mündliche Abmachungen, die anschließend nicht eingehalten werden. Wir raten immer zur schriftlichen Festsetzung von Lieferterminen, Kostenvoranschlägen usw. Das zu verlangen, darf heutzutage kein Vertrauensbruch mehr sein.
„Der Vinschger“: Wo drückt älteren Menschen der Schuh?
Edeltraud K. Kiebacher: Ältere Menschen werden oft durch die italienischen Telefonanbieter verunsichert, die am Telefon Verträge für neue Dienste anbieten. Dabei macht eine mündliche Zusage oder ein wiederholtes „Si,si“ einen Vertrag geltend. Sehr schnell flattert ein fertiger Vertrag oder gar die erste fällige Rechnung ins Haus, mit welchen die Leute dann zu uns kommen. Hier wäre die Politik gefordert, den Kommunikationssektor besser zu kontrollieren und somit den Konsumenten besser zu schützen.
„Der Vinschger“: Was kann ein Käufer tun, wenn er ein Haustürgeschäft, wie beispielsweise den Kauf von Matratzen, Geschirr oder ähnlichem bereut?
Edeltraud K. Kiebacher: Die wenigsten Konsumenten wissen, dass es ein Rücktrittsrecht von 10 Tagen für getätigte Käufe gibt, die nicht in einem Geschäft, sondern auf einer Heimparty oder einer Kaffeefahrt, oft unter einem leichten Kaufdruck, abgeschlossen wurden. Es genügt ein Einschreibebrief mit Rückantwort, in dem der Rücktritt bestätigt wird. Auch bereits geleistete Anzahlungen müssen zurückerstattet werden.
„Der Vinschger“: Auch bei Versicherungsabschlüssen hegen viele Menschen Zweifel.
Edeltraud K. Kiebacher: Die Verbraucherzentrale bietet viele unabhängige Informationen zu den verschiedensten Versicherungsformen an; allerdings müssten diese vor dem Abschluss eingeholt werden.
„Der Vinschger“: Viele Konsumenten fahren in das benachbarte Ausland zum billigeren Einkauf. Kann das die Verbraucherzentrale gut heißen?
Edeltraud K. Kiebacher: Jeder Konsument hat die Wahl, selbst zu entscheiden, wo er einkauft und sein verdientes Geld ausgibt. Wenn jedoch alle ins Ausland fahren, geht viel Wertschöpfung für unsere heimische Wirtschaft verloren. Es sollten auch in Südtirol Strukturen geschaffen werden, die die Einkaufsfahrten ins Ausland uninteressant machen. Wichtig ist, dass der Verbraucher auf die Qualität sowie den „gerechten“ Preis achtet und nur das einkauft, was er unbedingt braucht. Dafür ist der altbewährte „Einkaufszettel“ sehr hilfreich. Vorsicht ist bei besonders günstigen Angeboten in Billigläden geboten. Sie sind die großen Einkaufsverführer.
„Der Vinschger“: Decken 6 Stunden Konsumentenberatung im Monat den Bedarf der Vinschger Konsumenten ab?
Edeltraud K. Kiebacher: Eigentlich nicht. Alle Obervinschger müssen bis nach Schlanders in die Beratung. Vielfach reichen die paar Stunden nicht aus und Verbraucher müssen abgewiesen werden. Wenn man bedenkt, dass in der Bezirksgemeinschaft Pustertal 92 (!) Beratungsstunden im Monat angeboten werden, so sind die 6 Stunden für den gesamten Vinschgau entschieden zu wenig.
„Der Vinschger“: Warum werden in Mals keine Beratungsstunden angeboten?
Edeltraud K. Kiebacher: Mals wäre als Standort ideal, doch gibt es dort noch Widerstände.
Auf diese Widerstände angesprochen, verweist Josef Noggler, Präsident der Bezirksgemeinschaft, auf eine Umfrage, nach der die Vertreter der Obervinschger Gemeinden kein großes Interesse an einer Ausweitung des Beratungsdienstes bekundet haben. Vor allem wegen der Wahrung der Anonymität fand man für die Obervinschger Bevölkerung den Standort Schlanders besser. „Wir müssen schauen, wie es sich entwickelt“, so Noggler. „Es steht jeder daran interessierten Gemeinde frei, Beratungsstunden der Verbraucherzentrale anzubieten.“
Für Walter Andreaus, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale ist es unverständlich, wieso man in einem Bezirk mit 34.887 Einwohnern lächerliche 6 Stunden Verbraucherberatung im Monat anbietet. „Im Pustertal leben 75.454 Personen, denen wir das 15fache an Beratung bieten können.“ „Es fehlt wahrscheinlich der politische Wille“, vermutet Andreaus. Es wäre wichtig, vorbeugend zu arbeiten, denn vielen Menschen ist mit Information mehr geholfen als mit der Sozialhilfe danach. Die Bezirksgemeinschaft könne ohne weiteres etwas mehr Geld für die Information der Bürger ausgeben, ist Walter Andreaus überzeugt.
Leben in Halbpension
Im Durchschnitt sollte eine vierköpfige Familie monatlich etwas mehr als 3000 Euro verdienen. Damit ließe es sich leben. In Wirklichkeit aber müssen sich viele Südtiroler Familien mit wesentlich weniger Geld nach der Decke strecken. Steht die Rückzahlung des Darlehens an, unerwartete Kosten für den Zahnarzt oder eine Erhöhung der Miete oder Kondominiumsspesen, kommen die Betroffenen schnell ins Schleudern.
Ihnen drohen ein Leben in Halbpension und der soziale Abstieg.
Dass die Verarmung eine Tatsache ist, bestätigt auch die Verbraucherberaterin Edeltraud K. Kiebacher. „Leider wird die Armut tot geschwiegen. Menschen suchen manchmal unter einem belanglosen Vorwand die Beratung auf, und erst im Laufe des Gesprächs kommen ihre Nöte zur Sprache.“
Die Sozialverbände, besonders die Verbraucherzentrale Südtirols und der KVW, haben das Problem erkannt und gehen mit offensiven Sparideen zu Familien, Alleinerziehenden, Jugendlichen und Rentnern. Ziel ist es, mit Sparpartys und Vorträgen das Thema Geld, Verschuldung und Konsumrausch offen zu diskutieren und Lösungen anzubieten.
Sparpartys sind Spartreffen, bei denen sich mehrere Familien und Einzelpersonen mit dem richtigen Umgang mit Geld beschäftigen und Tipps zum kreativen Sparen erhalten. Gemeinsam mit einem Sparberater wird beraten, wie mit dem verfügbaren Haushaltseinkommen am besten gewirtschaftet werden kann.
Familien und Einzelpersonen, die eine Sparparty veranstalten möchten, können sich an den Koordinator der Sparberatung in der Verbraucherzentrale Bozen wenden, der montags und freitags erreichbar ist (Hans Schölzhorn, Tel. 0471 329387)
Die Verbraucherzentrale und die Kaufmannschaft
Böses Blut gab es, als die Verbraucherzentrale Südtirol vor einigen Jahren die mangelnde Preisauszeichnung in den Schaufenstern anprangerte, und gar einige Kaufleute für dieses „Vergehen“ an die 1000 Euro an Strafe zahlen mussten. „Das war schon etwas happig“, erinnert sich Walter Holzeisen von der Vinschger Kaufmannschaft. „Früher waren die Kaufleute in den Augen der Verbraucherzentrale alle Gauner. Überall gibt es schwarze Schafe, man kann aber nicht alle über einen Kamm scheren. Der Kunde muss wissen, was die Ware kostet, und das Verhältnis zwischen Konsument und Unternehmer muss auf alle Fälle fair sein,“ bestätigt Walter Holzeisen. „Der Umgang zwischen der Verbraucherzentrale und den Wirtschaftsverbänden hat sich gebessert und zum Guten entwickelt“, zeigt er sich erfreut.
„Es ist richtig, wenn die Verbraucherzentrale die Konsumenten auf ihr Einkaufsverhalten oder auf mindere Qualität aufmerksam macht und ihnen ihren Schutz anbietet.“, sagte Hans Unterthurner, Obmann der Kaufleute von Naturns dem „Vinschger“. „Aber auch wir Kaufleute wollen unsere Kunden halten. Wenn das Preis-Leistungsverhältnis nicht stimmt, schade ich meinem Geschäft am allermeisten. Auch die von der Verbraucherzentrale geforderte Auspreisung der Artikel und die Preiswahrheit sind wichtig und gerechtfertigt, denn wir Kaufleute haben nichts zu verbergen.
Die Aussage, mehr Konkurrenz mache die billigeren Preise, stimmt meiner Erfahrung nach nicht. Das Preis-Leistungsverhältnis steigt durch die Konkurrenz, aber eine Preissenkung hat sie kaum zur Folge. Wogegen wir uns fest wehren, sind die Einkaufszentren auf der Grünen Wiese.“
Gegen große Einkaufszentren spricht sich auch Waltraud Alber, Präsidentin von Naturns Aktiv aus. Der soziale Aspekt eines Dorfladens darf nicht unbeachtet bleiben. Die Kunden sollen gerne einkaufen gehen, Bekannte treffen und den Kaufmann noch persönlich kennen. Das zeichnet ein gesundes Dorfleben aus. Leider können die kleinen Dorfgeschäfte nicht mit den Angeboten der Supermärkte und Einkaufszentren konkurrieren.
„Bei der Verbraucherzentrale hat der Kunde immer Recht; aber gleichzeitig wird das Vertrauen der Kunden in die Kaufleute immer mehr geschwächt. Der Kaufmann wird immer angeprangert und alles zerklaubt bis ins kleineste Detail“, beschwert sich Waltraud Alber. „Gleiches muss immer mit Gleichem verglichen werden“, fordert die Geschäftsfrau, wenn es darum geht, Preisvergleiche anzustellen.
In dieselbe Kerbe schlägt Angelika Meister, Obfrau der Kaufleute von Schlanders. „Manchmal ist es für den Kunden schwer ersichtlich, ob tatsächlich Gleiches mit Gleichem verglichen wurde. Es darf nicht der Anschein erweckt werden, dass hierzulande alles teurer ist; das entspricht einfach nicht den Tatsachen“, so Angelika Meister. Viel zu oft lassen sich Konsumenten von Billigangeboten anlocken und blenden und vergessen dabei den Vergleich zwischen Preis und Qualität der Leistung. Der Verbraucherzentrale und dem Verbrauchermobil stünden die Kaufleute von Schlanders positiv gegenüber, denn auch sie seien nicht nur Händler, sonders auch Konsumenten, betont die Obfrau.
„Der Konsument hat immer Recht!“, sagte Walter Andreaus, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol bei der Veranstaltung der SVP-Arbeitnehmer „Mach dich schlau, rechne genau!“ am vergangenen Freitag auf dem Hauptplatz in Schlanders. „Kaufleute sind die besten Partner für die Konsumenten, wenn sie imstande sind, gute Produkte zu einem guten Preis anzubieten. Sie müssen ihr Ohr ganz nah an die Konsumenten legen und spüren, welche Formeln der Angebote die Konsumenten wünschen und schätzen. Wenn Formeln wie Einkaufszentren, Baumärkte, Kinderbekleidungsangebote oder günstigere Bionahrung beispielsweise im Lande nicht anzutreffen sind, dann sucht man sie irgendwo anders. Und das ist nicht sinnvoll,“ gibt Andreaus zu bedenken.
„Andererseits haben es die Kaufleute nicht leicht. Sie zahlen oft die Zeche für die Tarif- und Preissteigerungen des Alltags wie Strom, Heizung, Mieten, Versicherungen usw. Es bleibt am Monatsende oft nicht mehr viel Geld zum Einkaufen übrig; die Kaufkraft schwindet zunehmend, während Löhne und Renten gleich bleiben.,“ bedauert der Verbraucherberater.
Umso wichtiger ist eine intelligente Haushaltsführung, wie sie die Arbeitnehmer in der SVP bei ihrer Veranstaltung „Mach dich schlau, rechne genau!“ vorschlagen. „Ziel ist die Mündigkeit der Bürger. Wir müssen die Konsumenten dazu bringen, ihr Geld effizient auszugeben und mit ihren Einkommen intelligent zu haushalten. Ein unüberlegtes, oft auch leichtfertiges Konsumverhalten trägt das seine dazu bei, dass das Haushaltsgeld häufig nicht reicht“, sagte Helga Pedrotti, Geschäftsführerin der SVP-Arbeitnehmer. „Besonders bei Ratenzahlungen laufen viele Konsumenten Gefahr, in die Schuldenfalle zu tappen“. Gemeinsam mit der Verbraucherberatung möchte der Bezirkssozialausschuss für mehr Beratungsstunden im Vinschgau eintreten, denn laut Hans Mitterer, dem Vorsitzenden des SVP-Bezirkssozialausschusses sind 6 Stunden im Monat „entschieden zu wenig“.
Ingeborg Rainalter Rechenmacher