Steinharter Knoten
Lasa Marmo will Jennwandbruch erschließen. Neue Forststraße und Einsatz von Wasserstoff-Lkws im Visier. Touristisches Konzept vorgestellt.
Laas - Die Thematik rund um den Marmorabbau und den Abtransport der Blöcke in Laas und Göflan bleibt weiterhin komplex, verfahren und verworren. Bei der mit Spannung erwarteten Bürgerversammlung, die am 27. August in der Produktionshalle der Lasa Marmo stattgefunden hat, zeichnete sich vorerst noch keine Entflechtung des „gordischen Knotens“ ab. „Die Diskussion wird erst jetzt richtig losgehen. Was es braucht, ist ein Gesamtkonzept“, wird Fraktionspräsident Oswald Angerer nach der rund 4-stündigen Versammlung sagen. Das Konzept soll innerhalb eines Jahres erarbeitet werden. In einer ersten Phase sollen sich die Lasa Marmo, die Eigenverwaltung und die Gemeinde um die Ausarbeitung kümmern und dann sollen auch der Nationalpark und das Land hinzukommen.
„Es braucht eine neue Idee“
Bürgermeister Andreas Tappeiner verwies einleitend darauf, dass der Marmorabbau und die -verarbeitung das Dorf Laas und die Menschen stark geprägt haben. Bei vielen Fragen, vor allem jener des Abtransports, hätten die Eigenverwaltung und die Lasa Marmo das Heft in der Hand, „während das Land und die Gemeinde nur eine begleitende Rolle spielen.“ Laut dem Landesrat Arnold Schuler muss es grundsätzlich darum gehen, alle Bruchbetreiber möglichst gleich zu behandeln, aus der seit Jahren verfahrenen Situation herauszukommen und alle Streitereien beizulegen. „Es braucht ein neues Konzept, einen neuen gemeinsamen Lösungsansatz, hinter dem alle stehen können, die Bruchbetreiber und Direktbeteiligten ebenso, wie die Bevölkerung.“ Ein Abtransport über die Schrägbahn gestalte sich schwierig, weil für die Vermarktung zunehmend große Blöcke gefragt seien. Auch wenn die Schrägbahn wieder fahren würde, könnten damit nur kleinere Blöcke abtransportiert werden, also nur rund die Hälfte. „Zu 50 Prozent werden die Blöcke in Laas ohnehin schon über die Straße abtransportiert und in Göflan zu 100 Prozent.“ Als neues Transportkonzept kann sich Schuler den Einsatz von Wasserstoff-Lkws vorstellen, wobei eine Zusammenarbeit mit dem Wasserstoffzentrum Bozen angestrebt werde.
„Neue Erschließung unumgänglich“
Über das Marmorvorkommen im Laaser Tal und entsprechende Studien informierte der Geologe David Wilhelm, Mitarbeiter im „Südtiroler Büro für Geologie & Umwelt“ von Konrad Messner. Er verwies darauf, dass die Marmorbänder zum Teil vertikal versetzt seien: „Es ist die Geologie, die uns den Weg dorthin zeigt, wo der Marmor ist. Wir wollen nicht mit der Brechstange vorgehen.“ Ingenieur Christoph Pföstl (Ingenieurbüro Pföstl & Helfer) informierte über Erkundungsbohrungen im Weißwasserbruch. Es gebe in diesem Bruch mehrere Störzonen und Klüfte. „Es lassen sich nur Prognosen für die nächsten 2 bis 3 Jahre machen.“ Der Unsicherheitsfaktor bleibe. Pföstl: „Wir brauchen unbedingt mehrere Abbaustellen, die derzeitige geht zur Neige.“ Auch angesichts der Tendenz zu großen Blöcken und Produkten „ist die Erschließung eines neuen Bruchs für das Weiterleben der Lasa Marmo unumgänglich.“ Nur mit einer Neuerschließung werde sich das Unternehmen weiterhin auf dem Weltmarkt behaupten können. Konkret nannte Pföstl den Jennwandbruch. Erschlossen werden soll dieser über eine neue, ca. 3,7 Kilometer lange Forststraße. Auch Paul Graf, der Geschäftsführer der Lasa Marmo, gab sich überzeugt, „dass wir mit der Erschließung des Jennwandbruchs in einigen Jahren die derzeitige Phase der Unsicherheit überbrücken können.“ Es brauche Mut, „Neuland zu betreten.“ Das Potential sei vorhanden. Gelingen könne das aber nur, „wenn wir zusammenstehen.“ Graf informierte auch über ein Projekt für die Errichtung eines Wasserkraftwerks: „Derzeit müssen wir in den tiefer gelegenen Stellen im Weißwasserbruch rund um die Uhr Wasser abpumpen. Wenn wir das Wasser für die Erzeugung von Strom, den wir selbst brauchen, nutzen könnten, wären wir das erste stromneutrale Marmorwerk der Welt.“ Graf informierte auch über die Unternehmensstrategie und die innovativen Pläne der Lasa Marmo, um sich auch in Zukunft auf dem harten Weltmarkt behaupten zu können. Als Schlagworte nannte er die Veredlung vor Ort, die Digitalisierung und die Umsetzung von Prestigeprojekten auf der ganzen Welt (siehe auch der Vinscher Nr. 23-24/2020). Der Betriebsdirektor Erich Tscholl wartete mit einer Menge von Zahlen und Fakten zur Lasa Marmo auf. Das Herzstück seien die 64 Mitarbeiter/innen. Mehr als die Hälfte davon stammt aus der Gemeinde Laas, der Rest aus anderen Orten des Vinschgaus. Auch auf die Bedeutung des Unternehmens für die lokale Wertschöpfung verwies Tscholl sowie auf Zahlungen in Form von Löhnen, Abgaben, Steuern und Sponsoring. Er wollte damit aufzeigen, wie stark die Lasa Marmo in der Gemeinde Laas und im Vinschgau verwurzelt ist. Nicht unerwähnt ließ Tscholl auch die Herausforderungen bzw. Voraussetzungen für einen weiterhin erfolgreichen Weiterbestand des Unternehmens: vernünftige Rahmenbedingungen, Unterstützung, gleiche Bedingungen für alle Bruchbetreiber und Erschließung neuer Abbaustellen.
Studie über Wiederinbetriebnahme
Bezüglich Schrägbahn unterstrich Paul Graf mehrfach, dass sich die Lasa Marmo sehr um den Erhalt derselben bemüht hätte, „aber es hat uns niemand geholfen.“ Eine gemeinsame Transportstruktur zu gleichen Bedingungen für alle Bruchbetreiber sei eine gute Idee gewesen, wurde aber leider nicht umgesetzt. Man habe sich mit Göflan angelegt und viel Geld für Prozesse ausgegeben. Erstmals vorgestellt wurde bei der Bürgerversammlung eine druckfrische Studie über die Wiederinbetriebnahme der Schrägbahn, die Ingenieur Erwin Gasser im Auftrag der Eigenverwaltung erstellt hat. Laut Gasser befindet sich die 90 Jahre alte Schrägbahn, deren Betrieb seit dem Herbst 2019 aus sicherheitstechnischen Gründen ausgesetzt ist, in einem guten Zustand. Zumal die Bahn nicht automatisiert ist und ein Personentransport vermieden werden muss, bräuchte es für die Wiederinbetriebnahme die Präsenz von geschultem Personal und eine Videoüberwachung. Um die Schrägbahn für 10 Jahre in Betrieb zu nehmen, müssten Arbeiten mit einem Gesamtbetrag von 325.000 Euro ausgeführt werden. Der Großteil der Ausgaben würde in die Errichtung einer seitlichen Wartungstreppe fließen. Ein Ausbau der Bahn für den Transport von Blöcken, die mehr als 18 Tonnen wiegen, ist laut Gasser technisch zwar möglich, doch in einem solchen Fall würde von der historischen Schrägbahn nicht mehr viel übrigbleiben. Der Ressortdirektor Klaus Unterweger bezeichnete die Schrägbahn zwar als Juwel, aber diese Transportanlage sei in die Jahre gekommen: „Es ist wie die Quadratur des Kreises. Einerseits soll der Weiterbestand des Unternehmens gesichert werden und andererseits ist die Schrägbahn für den künftigen Transport nicht geeignet.“ Auch Unterweger plädierte für den Einsatz von Wasserstoff-Lkws.
Standseilbahn statt Schrägbahn?
Der Vorschlag, auf der Trasse der Schrägbahn eine Steinseilbahn zu errichten, wobei Teile der Schrägbahn, wie etwas das Führerhaus, erhalten bleiben sollten, ist im touristischen Nutzungskonzept vorgesehen, das Kurt Sagmeister (IDM Südtirol) vorstellte. Erarbeitet wurde das Konzept von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern des Landes, der Gemeinden Laas und Schlanders, der Fraktionen Göflan und Laas, der Bruchbetreibergesellschaften sowie Tourismusfachleuten und weiteren Akteuren, in Zusammenarbeit mit Beraterfirmen. Auf die Idee der Standseilbahn kam man, weil der Transport mit der jetzigen Schrägbahn gesetzlich und versicherungstechnisch nicht erlaubt ist. Zusätzlich zur Standseilbahn wurden noch viele weitere Ideen zu Papier gebracht: Besucherzentrum, Panoramarestaurant, Marmorspielplatz, Lehrpfad, Pendelbahn zum Weißwasserbruch, Marmorlabyrinth, Bruchbesichtigung und viele weitere Ideen. Auch mit potentiellen Besucher- und Gästezahlen wartete Sagmeister auf. Ziel sei es u.a., Angebote zu schaffen, damit die Gäste sich mehrere Tage im Raum Laas und Schlanders aufhalten. Große Tourismusmassen wolle man nicht anziehen. Der Investitionsbedarf dürfte sich je nach Umsetzungsgrad zwischen 16 und 35 Millionen Euro bewegen. Bei einem maximalen Ausbau wäre das Unternehmen langfristig tragbar. Die maximale Umsetzung wäre laut Sagmeister mit einem Kleinskigebiet vergleichbar, wie es der Watles ist. Das umgesetzte Konzept könnte zu einem Aushängeschild für Laas und Schlanders sowie für den gesamten Vinschgau und für Südtirol werden. Bei Besichtigungen und Begehungen seien immer wieder Worte wie „einzigartig“, „unglaublich“ und „phantastisch“ zu hören gewesen.
Viele Fragen und Sorgen
Bei der Diskussion wurde eine Vielzahl von Fragen, Anliegen und Sorgen aufs Tapet gebracht. Einige Diskussionsteilnehmer äußerten sich sehr skeptisch über den ins Auge gefassten Bau des neuen Forstweges. Bezüglich Schrägbahn war u.a. zu hören, „dass sie mit dem heutigen Tag zu Grabe getragen wird.“ Nicht nur Zuspruch fand auch das touristische Nutzungskonzept. Dieses wurde u.a. mit „Fantastereien“ abgetan. Vordergründig zu lösen seien die Probleme des Abtransports bzw. die dadurch bedingten Verkehrsbelastungen. Wie die Diskussion zeigte, gibt es in der Bevölkerung noch viele offene Fragen. Sicher zu sein scheint, dass noch einige Zeit vergehen wird, bis ein „schlüssiges und von einer breiten Mehrheit getragenen Gesamtkonzept“ auf die Welt gebracht wird, wie sich das nicht nur Oswald Angerer wünscht. Es soll ein Konzept auf den Tisch kommen, das auch auf die Zeit nach 2033 ausgelegt ist. 2033 läuft der Pachtvertrag zwischen der Fraktion Laas und der Lasa Marmo ab.