„Nie möglich, es allen Recht zu machen“
Publiziert in 28 / 2016 - Erschienen am 27. Juli 2016
Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde Helmut Fischer zum Latscher Bürgermeister gewählt. Projekte, Pläne, Latscher Visitenkarten, aber auch politische Streitereien und Kritik. Im Interview spricht der Bürgermeister Klartext.
der Vinschger: Es ist manchmal nicht leicht, Bürgermeister zu sein. Wie gehen Sie mit Kritik um?
Helmut Fischer: Ich versuche damit, offen umzugehen. Kritik ist oft natürlich auch berechtigt. Denn es ist nie möglich, es allen Recht zu machen. Doch im Streitfall beharrt jeder auf seinen Blickpunkt. Dann gilt es Lösungen und Kompromisse zu finden.
Ein viel diskutiertes und in der Bevölkerung oft kritisiertes Thema ist die Dorfgestaltung und die Verkehrssituation.
Eine Dorfgestaltung bedeutet Politik der kleinen Schritte. Wir können nicht hergehen und das Dorf grundsätzlich neu bauen. Natürlich gibt es auch bereits erste Projekte und Ideen zu einer sinnvollen Dorfgestaltung. Man muss aufbauen auf die bestehenden Infrastrukturen und versuchen, diese so gut möglich zu nutzen. Das heißt, es gilt schrittweise das Dorf fußgängerfreundlich, kinderfreundlich und wertvoll für die Radfahrer zu machen. Den Verkehr gilt es schrittweise abzubauen. Aber es ist Tatsache, dass wir heute alle mit dem Auto leben. Zwar wird viel über die fehlende Dorfgestaltung und den Verkehr geschimpft, aber dennoch will keiner auf das eigene Fahrzeug verzichten. Es ist schwierig bestehende Verhaltensmuster zu ändern. Der Bürger selbst hat hier vieles durch vernünftiges Verhalten in der Hand. Es kann nicht sein, dass Teile der eigenen Bevölkerung durch das Dorf rasen und man keinen Meter zu Fuß gehen will.
Hat sich die Verkehrssituation an Kindergarten und Grundschule beruhigt?
Das ist ein typisches Beispiel. Einerseits wird hier die Verkehrssituation kritisiert, andererseits sind es viele Eltern, welche die Kinder mit dem Auto dorthin bringen. Und sie auch noch aufgrund der Gewohnheit direkt an der Hauptstraße abholen, anstatt den Seilbahnweg zu nutzen, was sicher für die Verkehrssituation vernünftiger wäre.
Kritik kommt auch häufig von Seiten der Touristiker.
Natürlich wollen alle immer für sich den bestmöglichen Vorteil herausschlagen. Das ist Fakt. Fakt ist aber auch, dass die Gemeinde Latsch wenn es um finanzielle Beiträge für den Tourismus geht, führend im ganzen Vinschgau ist. Nirgendwo sonst wird der Tourismus finanziell so unterstützt durch Beiträge wie in Latsch. Um vergleichbare Summen zu finden, da muss man schon Richtung Burggräfler Tourismushochburgen schauen. Doch nicht nur das. Wir unterstützen touristische Infrastrukturen im Rahmen der Viva:Latsch. Die dortigen Angestellten, die sich auch viel für den Tourismus einsetzen, werden von der Gemeinde bezahlt. Kritik der fehlenden Wertschätzung lasse ich nicht gelten. Warum auch, schließlich ist der Tourismus einer der wichtigsten Wirtschaftszweige unserer Gemeinde.
Wie sieht es mit der Erneuerung der Talstation der Seilbahn von St. Martin aus?
Es wurde ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben, da wir damit gute Erfahrungen gemacht haben. Die Jury, bestehend aus Fachleuten sowie Vertretern der Gemeinde und des Landes, entschied sich schlussendlich für das Projekt von der Latscherin Heike Pohl. Derzeit sind die Projekte in der Gemeinde ausgestellt. Dies ist nun eine Grundidee. Nun wird weitergearbeitet, die Kosten erhoben und dann werden wir das Projekt im Gemeinderat durchdiskutieren. Fest steht jedenfalls, dass etwas bei der Infrastruktur getan werden muss und zwar sollte dies noch in dieser Amtsperiode geschehen. Die WC-Anlagen und Räumlichkeiten des Wartesaals und des angrenzenden dazugehörigen Gastlokals sind nicht mehr zeitgemäß. Außerdem ist dies ein Knotenpunkt – wir haben hier Autos, Radfahrer, Fußgänger. Touristen und Einheimische. Die Struktur und der Platz direkt am östlichen Haupt-Ortseingang sollen eine Visitenkarte und ein Merkmal von Latsch werden, neben dem Rizzi-Turm und der hoffentlich bald entstehenden Metzgerei-Fabrik.
Ein riesiges Projekt steht. Pünktlich zum 100-jährigen Vereinsjubiläum des SV Latsch soll die Latscher Sportstätte saniert werden und ein Jugendzentrum entstehen. Läuft alles planmäßig?
Das Ausführungsprojekt ist derzeit in Ausarbeitung. Auch das soll ein Aushängeschild unseres Dorfes werden. Das Projekt soll Jugend und Sport verbinden. Für mich war es immer eine wichtige Voraussetzung, dass dies auch so realisiert wird. Denn Jugend und Sport gehören zusammen. Der Standort für das Jugendzentrum ist deshalb ideal. Und passt zu unserer Leitlinie, dass bestehende Strukturen sinnvoll genutzt werden sollen. Und die Strukturen beim Sportplatz und alten Freibad-Areal eignen sich dafür hervorragend.
Wie steht es um das Projekt Kindergarten?
Der Kindergarten wird saniert und erweitert. Das Ausführungsprojekt wird bald hier sein. Die Kosten sollen sich auf rund 3,5 Millionen Euro belaufen. Dabei ist es dem Referenten Mauro Dalla Barba und dem Architekten gelungen, eine Lösung zu finden, dass man die Kinder nicht aussiedeln muss. Erst wird der Zubau, über den Sommer nächsten Jahres, bezugsfertig gemacht, dann können die Kinder dort einziehen. Erst dann wird der alte Teil saniert.
Kritik am Bürgermeister wurde laut unter anderem aufgrund des geplanten Umspannwerkes, das an der westlichen Ortseinfahrt von Goldrain im Auftrag der SELNET bzw. der STA für die Stromverteilung und die Elektrifizierung der Vinschgerbahn entstehen soll.
Die Kritik bezüglich eines Kommunikationsproblems lasse ich hier auch gelten.Die Notwendigkeit eines Umspannwerkes als solches wurde aber nie in Frage gestellt. Und die Kritik am Standort ist fadenscheinig. Denn dieser ist ideal. Die wichtigste Voraussetzung war die Nähe zu einer bestehenden Hochspannungsleitung, um zu verhindern, dass durch ein Umspannwerk die Umgebung weiter belastet wird. Zudem sollte der Standort neben der Bahn wegen der Elektrifizierung der Vinschgerbahn bis 2018 und neben einer leicht erreichbaren Straße liegen. Außerdem sollte der Grund verfügbar sein .Dies alles war hier gegeben. Zudem ist dieses Umspannwerk von größter Wichtigkeit für die Stromversorgung der Gemeinden Latsch und Schlanders.
Kommt die sogenannte Pestizid-Diskussion auch nach Latsch? Sind verhärtete Fronten auch für Latsch denkbar?
Die Landwirtschaft ist eines der wichtigsten Standbeine unserer Gemeinde. Die Diskussion ist auch hier schon angekommen. Aber das ist auch gut so. Die Diskussion ist wichtig und wird auch intern bei den Landwirten diskutiert. Die Landwirtschaft befindet sich in einer Phase der Umstrukturierung. Vom normalen Obstbau in den 1950er Jahren ging es hin zum integrierten Obstbau. Doch auch dieser muss sich stetig weiterentwickeln. Eine offene Diskussion darüber ist sinnvoll und tut auch gut. Insbesondere die jungen Landwirte sind aufgeschlossen für Neues. Aber man darf nicht die Landwirtschaft als rotes Tuch darstellen. Denn jeder Bauer ist sich bewusst, dass Spritzmittel – die einen sagen Pestizide, die anderen Pflanzenschutzmittel – auch Schaden verursachen können und auf die Pflanzen gehören, sonst nirgendwohin. Aber ganz ohne Spritzmittel geht es natürlich nicht, sie sind notwendig um den Ertrag zu sichern. Auch im Bio-Anbau werden Pflanzenschutzmittel verwendet. Für uns Landwirte, aber auch für uns als Gemeindeverwaltung ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass die Pflanzenschutzmittel dorthin kommen, wo sie hingehören. Vor allem in der Technik der Ausbringung von Spritzmitteln wird sich noch einiges tun.
Ich denke, die Landwirte im Vinschgau haben erkannt, dass man sich entwickeln und anpassen muss. Wir sind auf einem guten Weg und eine faire Diskussion ist immer sinnvoll.
Sie sind selbst Landwirt. Der Aufschrei in Teilen der Landwirtschaft als Sie einen „Berufskollegen“ bestraft haben, war groß.
Natürlich gehören schwarze Schafe bestraft. Wer sich offensichtlich nicht an die Vorgaben hält, muss auch zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist ein wichtiges Signal an die Bauern die sich an die Vorgaben auch halten. Ich habe aufgrund der unsachgemäßen Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln eine Verwaltungstrafe ausstellen müssen. Und zu diesem Vorgehen stehe ich auch.
INTERVIEW: MICHAEL ANDRES
Michael Andres