„Nehmt Angehörigen Last der Entscheidung ab!“

Publiziert in 20 / 2015 - Erschienen am 28. Mai 2015
Infoabend zur Organspende. Ärzte informieren. Betroffene berichten. Schlanders - „Es ist egal, wie ihr euch entscheidet. Wichtig ist, dass ihr es tut. Trefft die Entscheidung selbst und überlasst diese schwere Last nicht euren Angehörigen.“ Mit diesem Aufruf wartete am 19. Mai Gustav Kofler aus Matsch bei einem Informationsabend zur Organspende in Schlanders auf. Er war einer von mehreren Betroffenen, die mit viel Mut und Überzeugung über ihre eigenen Erfahrungen vor die Öffentlichkeit traten. Der Infoabend war Teil der landesweiten Sensibilisierungskampagne der Abteilung Gesundheit des Landes. In Schlanders wurden unter dem Motto „Organspende – Zeichen der Nächstenliebe und Solidarität“ vor allem die ethischen Aspekte des Themas behandelt. Landesrätin Martha Stocker wies einleitend darauf hin, dass in Südtirol im Vorjahr rund 80 Personen auf der Warteliste für eine Organspende standen, dass aber nur 20 Organe von Spendern aus Südtirol transplantiert wurden. Ziel der Kampagne sei es daher, die Menschen aufzuklären, sie über die verschiedenen Aspekte des Themas zu informieren und sie zu überzeugen, dass das Spenden von Organen ein Akt der Nächstenliebe und Solidarität ist. Es gehe vor allem darum, dass man im Familien- und Bekanntenkreis über dieses Thema spricht und dann nach Möglichkeit auch seine Willensäußerung zur Organspende abgibt. Wie schon Gustav Kofler riefen auch Martha Stocker sowie die Primare Herbert Heidegger und Gerold Drüge, die beide am Krankenhaus Meran arbeiten, dazu auf, die Entscheidung bezüglich einer Organspende selbst zu fällen, und zwar möglichst in jungen Jahren, um nicht den Angehörigen diese schwere Entscheidung aufzubürden. Bei einer Person, die zu Lebzeiten keine Erklärung abgegeben hat, ist eine Organentnahme nur erlaubt, wenn sich die Angehörigen nicht widersetzen. ­Herbert Heidegger, seines Zeichens auch Vorsitzender des Landesethikkomitees, bezeichnete die Maßnahmen zur Verringerung der Organknappheit als ein ethisches Gebot. Die Kernfrage laute: Wann ist der Mensch tot? Als Todeskriterium gelte gemeinhin der Hirntod, also das irreversible Ende aller Hirnfunktionen. Es gebe in diesem Zusammenhang aber auch viele Fragen und mitunter auch Ängste, über die laut Heidegger offen diskutiert werden soll. Auch auf das Thema der Lebendorganspende ging der Primar ein. Die Risiken für die Spender seien zwar nicht groß, „müssen aber ebenso klar beleuchtet werden.“ Die Organverteilung habe nach den ethischen Grundsätzen der Dringlichkeit, Erfolgsaussicht und Chancengleichheit zu erfolgen. Gerold Drüge, der in punkto Organspende die Aufgabe als Koordinator im Gesundheitsbezirk Meran übernommen hat, beleuchtete medizinische und klinische Aspekte. Er bestätigte unter anderem auch, dass mit toten Menschen, denen Organe entnommen werden, gleich umgegangen wird wie mit allen Patienten, die sterben, sprich mit Würde und Sorgfalt. Dass die Einwilligung zur Organspende keinen Widerspruch zur christlichen Überzeugung darstellt, sondern als verantwortungsvoller Akt der Nächsten­liebe zu betrachten ist, untermauerte der Schludernser Pfarrer Paul Schwienbacher mit Äußerungen und Briefen mehrerer Päpste und Bischofskonferenzen. Ulrich Seitz vom Amt für Krankenhäuser, der den Info- und Diskussionsabend moderierte, klärte darüber auf, wo man die Willensäußerung zur Organspende abgegeben kann: im Gesundheitssprengel des Sanitätsbetriebes, beim Hausarzt und bei AIDO, der nationalen Vereinigung für die freiwillige ­Organ- und Gewebespende. Gustav Kofler ist es übrigens gelungen, zusammen mit Mitstreitern eine eigene AIDO-Gruppe im Vinschgau aufzubauen (Informationen unter Tel. 339 3645603). Ab Juli kann man auch in den Rathäusern unterschreiben Besonders erfreut ist Martha Stocker darüber, dass es ab Juli 2015 die Möglichkeit geben wird, die Willensäußerung auch in den Meldeämtern der Gemeinden zu unterschreiben, und zwar im Rahmen der Ausstellung oder Erneuerung der Identitätskarte. Die Anregung, auch bei großen Veranstaltungen auf das Thema Organspende aufmerksam zu machen, stieß bei Bürgermeister Dieter Pinggera sofort auf Zustimmung. Er werde das Thema beim nächsten Treffen der Bürgermeister aufs Tapet bringen. Sepp „Entscheidung war richtig“ Erich Spechtenhauser aus Martell, geboren am 18. April 1947, ist am 13. September 2013 plötzlich gestorben. Seine Frau Hildegard wurde vom Arzt gefragt, ob sie und die Kinder bereit wären, einer Organentnahme zuzustimmen. „Eine der Töchter stimmte sofort zu. Sie war der Meinung, das würde im Sinne des Vaters sein, der immer gerne geholfen hat“, berichtete Hildegard. Auch die zweite Tochter sowie der Sohn und sie selbst stimmten einer Organentnahme zu. „Wenn es auch schwere Stunden gab, sind wir überzeugt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben“, sagte Hildegard. Ein großer Trost sei es, „dass drei Personen positiv transplantiert werden konnten.“ Bestätigt hat Hildegard auch, „dass wir von den Ärzten immer gut aufgeklärt und informiert wurden, und dass der Körper in Würde behandelt wurde.“ „Wunderbar gelebt“ Eleonora Egua aus Mals wurde bereits als 14-Jährige Dialysepatientin. Für 6 Monate musste sie dreimal wöchentlich nach Bozen und später nach Meran fahren. 1987 bekommt sie in der Universitätsklinik Innsbruck eine neue Niere. Ihr Körper nimmt die Niere gut an. Es kommt zu einem ungewöhnlichen Wachstum: „Ich wurde in nur drei Monaten um 30 Zentimeter größer. Die Schuh­größe stieg von 33 auf 40.“ 22 Jahre lang habe sie mit der Spenderniere wunderbar und glücklich gelebt und unter anderem auch sportliche Spitzenleistungen als Radfahrerin (Transplant Sport Club Südtirol) erzielt. Sie holte auch internationale Siege. „Seit 6 Jahren bin ich wieder Dialysepatientin. Gott sei Dank kann ich die Dialyse jetzt in Schlanders machen“, so Eleonora. Sie wartet nun erneut auf eine Niere. „Es muss eine Lösung geben“ Mit der Tatsache, dass ihr Mann Siegfried nun für immer zur Dialyse nach Bozen bzw. Meran fahren soll, wollte sich Elisabeth Kuppelwieser aus Plaus nicht abfinden. „Das kann es nicht sein, es muss eine Lösung geben“, berichtete sie. Sie habe anfänglich angenommen, dass sie ihrem Mann keine Niere spenden könne, „weil ich eine andere Blutgruppe habe.“ Der Arzt habe sie aber gut aufgeklärt und ermuntert, mit ihrer Familie zu reden. „Natürlich habe ich mir auch die Frage gestellt: was geschieht, wenn es nicht gut geht?“. Sie sei aber immer überzeugt gewesen, „dass es eine Lösung geben muss.“ Außerdem hätten ihr die Ärzte bestätigt, vollauf gesund zu sein. Als Elisabeth nach der Operation aufwachte, sagte ihr der Arzt: „Ihrem Mann geht es gut, die Niere arbeitet super.“ Vor 5 Jahren hat Elisabeth ihrem Mann eine Niere gespendet. „Fast Bäume ausreißen“ Bei Gustav Kofler aus Matsch wurde 1986 eine chronische Nierenerkrankung festgestellt. 2004 kommt es zu einer argen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes. Ende 2005 muss Gustav mit der Dialyse beginnen. „Das Schlimmste war, dass ich nur mehr einen halben Liter Wasser pro Tag trinken durfte. Normalerweise trank ich bis zu 4 Liter“, berichtete Gustav. Ende 2008 bekommt er in der Universitäts­klinik Innsbruck eine Spenderniere. 2011 aber verschlechtern sich die Nierenwerte stark. Gustav muss wieder zur Dialyse. Dass er sich seit rund 6 Monaten wieder rundum gesund fühlt, hat er seiner ältesten Schwester Edith zu verdanken, die ihm eine Niere spendete. Die Transplantation wurde am 10. Dezember 2014 durchgeführt. Gustav freut sich, dass Edith den Eingriff gut überstanden hat, „und ich selbst kann fast schon wieder Bäume ausreißen.“
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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