SVP Laas setzt die Bürgerliste vor die Tür

Laas: Die Mehrheitspartei bricht mit der Bürgerliste

Publiziert in 29 / 2006 - Erschienen am 29. November 2006
Oswald Angerer von der Bürgerliste Laas, seit 6 Jahren Mitglied des Gemeindeausschusses, geht am heutigen Mittwoch, 29. November, zum letzten Mal als Gemeindereferent zu einer Ratssitzung. Auf dem letzten Punkt der heutigen Tagesordnung scheint nämlich seine Abberufung auf, und zwar auf Vorschlag von Bürgermeister Andreas Tappeiner. Die Entscheidung der SVP, die Bürgerliste aus der Regierung zu „entfernen“, ist endgültig. Die Mehrheitspartei wirft der Bürgerliste und ihrem bisherigen Referenten Oswald Angerer vor, immer wieder Oppositionspolitik zu betreiben und nicht auf der Seite der Verwaltung zu stehen, wie das von einer Gruppierung, die mitregiert, laut SVP zu erwarten wäre. Dem „Vinschger“ gab Oswald Angerer folgendes Interview. „Der Vinschger”: Sind Sie von der Abberufung überrascht oder hat sich der „Rausschmiss“ seit längerem abgezeichnet? Oswald Angerer: Der Zeitpunkt hat mich etwas überrascht. Ich wusste schon seit längerem, dass politisch etwas im Busch ist. „Der Vinschger”: Differenzen zwischen der Bürgerliste und der SVP hatte es schon im Vorfeld der letzten Gemeinderatswahlen im Jahr 2005 gegeben. Konnten diese Differenzen im Zuge der Bildung des neuen Ausschusses nicht ausgeräumt werden bzw. haben sich die Beziehungen erst nachher verschlechtert? Oswald Angerer: Wahlen entwickeln immer eine Eigendynamik, welche man nicht immer unter Kontrolle hat. Unsere Wahlwerbung hat wohl einigen SVP-Exponenten nicht gefallen. Ich könnte nicht sagen, dass sich die Beziehungen verschlechtert hätten. Ich getraue mir zu sagen, dass es im Gemeindeausschuss eine gute Zusammenarbeit gegeben hat. „Der Vinschger”: Die Bürgerliste Laas zog 2005 mit 5 Vertretern in den 20-köpfigen Gemeinderat ein. Ihre Liste vertritt somit ein Viertel der Wählerschaft in der Gemeinde Laas. Wie erklären Sie den Wählern, dass die Bürgerliste jetzt nicht mehr mitregiert? Oder ist es den Wählern lieber, dass die Bürgerliste Opposition betreibt? Oswald Angerer: Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es besser ist, mit am Tisch zu sitzen und dabei mitzureden und mitzubestimmen. Direkte Informationen sind immer besser als jene, welche über Umwege besorgt werden müssen. Wir nehmen jene Rolle ein, welche uns zugeteilt wird. Wir haben nach den Wahlen angeboten, in der Verwaltung mitzuarbeiten und das wurde uns von der Mehrheit im Gemeinderat aufgetragen. Wenn jetzt die Mehrheit im Gemeinderat uns wieder auf die Oppositionsbank schickt, so bricht hier sicherlich nicht die Welt zusammen. Wir haben bis 2010 einen Wählerauftrag und diesen werden wir sicherlich nach bestem Wissen und Gewissen ausführen. „Der Vinschger”: Ihnen wird unter anderem auch vorgeworfen, sich als Verwalter zu wenig eingesetzt und die damit verbundenen Aufgaben nicht zufrieden stellend erfüllt zu haben. Entspricht das der Wahrheit? Oswald Angerer: Diese Aussage hat mich menschlich sehr getroffen. Ob das stimmt, müssen andere beurteilen. Ich bin in einem großen Industriebetrieb tätig, welcher international sehr erfolgreich ist. Für Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft ist es sehr schwierig immer und zu jeder Tageszeit erreichbar zu sein. Auch musste ich in letzter Zeit einige Termine im Ausland wahrnehmen. Ich kann für mich nur sagen, dass ich sehr viele Urlaubstage, unbezahlte Freistellungen und viel Freizeit als Referent eingebracht habe. Ich habe keine der gesetzlich vorgesehenen bezahlten Freistellungen beansprucht, habe keine Reisespesen und keine Telefonspesen auf Kosten der Gemeinde verrechnet. Ich kann mir ehrlich nicht vorstellen, dass dies der wahre Grund für meine Abberufung ist. „Der Vinschger”: Sie sind politisch gesehen durch und durch „blau“. Sie sitzen im Vorstand der Freiheitlichen und sind seit kurzem wieder Sprecher der Freiheitlichen im Vinschgau. Hat der „Rauswurf“ etwas mit ihren politischen Überzeugungen zu tun? Oswald Angerer: Ja, das stimmt, ich bin ein überzeugter Freiheitlicher. Ich bin seit Kriegsende der erste Südtiroler Freiheitliche in einer Gemeindeverwaltung. Freiheitliche hat es schon vor 1945 gegeben und Freiheitliche waren auch maßgeblich bei der Gründung der SVP dabei. Das wissen aber nur sehr wenige noch. Ich habe meine politische Linie, meine politische Überzeugung und meine Visionen für die Zukunft. Jedes politische System hat seine Handlanger. Einige Handlanger der SVP in unserer Gemeinde sind zurzeit in arger Bedrängnis und kämpfen um ihr politisches Überleben. Bereits bei der Ausschussbildung im Jahre 2005 ging nicht alles ganz reibungslos über die Bühne, denn bestimmte Bauernvertreter wollten hier bereits ihr Erbrecht geltend machen. Nachdem ich mich wieder verstärkt politisch engagiert habe - Parlamentswahlen mit Achtungserfolg sowie Vorsitz der Vinschger Freiheitlichen - hat sich die politische Situation wieder zugespitzt. Meine politische Überzeugung ist sicherlich auch bei meinem „Rauswurf“ zu bewerten. „Der Vinschger”: Wie bewerten ihre Listenkollegen Benedikt Zangerle, Gottfried Fleischmann, Priska Lechner Kuntner und Markus Riedl Ihre Abberufung als Gemeindereferent? Oswald Angerer: Sie haben diese mit Verwunderung zur Kenntnis genommen. Wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen, dass ich ein schlechtes Gewissen haben müsste. Meine Kollegen haben sich wirklich als Koalitionspartner verhalten und haben des Öfteren Kompromisse mitgetragen, welche ich eingegangen bin. „Der Vinschger”: Wie es aussieht, wird der Stuhl, den Sie im Ausschuss frei machen müssen, vom SVP-Vertreter und früheren Ausschussmitglied Reinhard Spechtenhauser besetzt werden. Haben Sie das schon im Vorfeld gewusst? Oswald Angerer: Ehrlich gesagt habe ich das geahnt. Denn sein Namensschild am Ablagefach der Referenten wurde bis heute nicht entfernt. Und auch die interne Post wurde dort regelmäßig deponiert. „Der Vinschger”: Nach Ihrem „Rausschmiss“ werden im Gemeindeausschuss noch mehr Vertreter der Landwirtschaft sitzen. Wie bewerten Sie diesen Umstand? Oswald Angerer: Ich möchte hier unseren Bürgermeister zitieren: „Der Ausschuss soll in seiner Zusammensetzung ein Spiegelbild des Wählerwillens sein und alle Gruppierungen und Interessensgemeinschaften einbinden.“ Klientelismus und Vetternwirtschaft gibt es überall. Das ist auch für Südtiroler Verhältnisse als normal zu bewerten. Ich habe nichts gegen Bauern. Seit über 60 Jahren geben die Landwirte den politischen Takt an. Unmittelbar nach dem Weltkrieg war der Großteil der Südtiroler in der Landwirtschaft tätig. In der Zwischenzeit hat sich hier einiges geändert. Die Industrie ist massiv gewachsen und auch die Handwerksbetriebe haben in unserer Wirtschaft einen wichtigen Platz eingenommen. Dieser Veränderung sollte auch die Politik Rechnung tragen. Mein Austausch durch einen Bauernvertreter ist eine „Watschn“ für die Südtiroler Arbeiterschaft. „Der Vinschger”: Nach 6-jähriger Erfahrung weiß man, wie es in einer Gemeindeverwaltung zugeht. Ist es tatsächlich so, dass wesentliche Entscheidungen im Ausschuss fallen und der Rat nur mehr eine eingeschränkte Funktion ausübt? Oswald Angerer: Nach 6 Jahren im Gemeindeausschuss, drei Verwaltungen unter zwei verschiedenen Bürgermeistern kann ich hier sicherlich ein ehrliches Urteil abgeben. Ich bin darauf stolz, dass unsere Fraktion der Bürgerliste keinen Fraktionszwang hat, denn mit einem Fraktionszwang, wie es ihn in der SVP gibt, ist die Arbeit im Gemeinderat wirklich nur zum Handerheben verdammt bzw. beschränkt. „Der Vinschger”: Die Gemeindeverwalter arbeiten nicht um des Himmels Lohn, sondern werden bezahlt. Wie hoch sind die Entschädigungen in Laas? Oswald Angerer: Da kann ich Ihnen eine genaue Auskunft geben. Im vorigen Monat wurden die Amtsentschädigungen im Sinne des D.P.Reg vom 16.06.2006, Nr. 10/L deutlich angehoben. Vorher hatte der Bürgermeister 3.700 Euro, der Vize 1.665 Euro und die Referenten 1.295 Euro Brutto. Ab jetzt hat der Bürgermeister 4.427 Euro, der Vize 2.080 Euro und die Referenten 1.682 Euro Brutto. Es ist viel Geld und da soll auch gearbeitet werden. Von diesem Geld blieb mir etwas mehr als die Hälfte. Die Vertreter aus der Landwirtschaft haben da etwas mehr. Bei denen ist Brutto fast Netto. Verständlich, denn ihre sonstigen Einnahmen sind äußerst spärlich! „Der Vinschger“: Nach langjähriger Zusammenarbeit gehen die SVP und die Bürgerliste in Laas nun wieder getrennte Wege. Was wird sich für die Bürgerliste ändern und was hat die Mehrheitspartei zu erwarten? Oswald Angerer: Die Bürgerliste hat einen Wählerauftrag. Wir sind jetzt nicht mehr Koalitionspartner, sondern Oppositionspartei und wir werden diese Aufgabe wieder wahrnehmen, nämlich die Kontrolle der Regierung. Wir sind mit Sicherheit keine Freunde der Fundamentalopposition, aber sollten die Handlanger der SVP mit Provokationen nicht sparen, so werden wir auch dieses Instrument nicht außer Acht lassen. „Der Vinschger”: In Prad wurde die Liste „Für Prad“, die ebenfalls 5 Räte im Gemeinderat stellt, schon bei der Ausschussbildung 2005 außen vor gelassen. In Laas wird die SVP von jetzt an allein regieren. Erkennen Sie darin einen Trend? Oswald Angerer: Wir waren auch schon in den Jahren 1995 – 2000 zu fünft als Bürgerliste im Gemeinderat und haben eine konstruktive Oppositionspolitik gemacht. Meine Kollegen in Prad werden sicherlich in den nächsten Jahren die nötige Erfahrung für die Zukunft sammeln. Übrigens gibt es ein gutes Verhältnis zwischen der Bürgerliste in Prad und jener von uns. „Der Vinschger”: Wie bewerten Sie die Aufgaben von Bürgerlisten auf Gemeindeebene und was halten Sie von der Idee, dass sich Bürgerlisten landesweit zusammentun, und möglicherweise bei den nächsten Landtagswahlen mitzumischen? Oswald Angerer: Von einem Netzwerk der Bürgerlisten halte ich sehr viel. Von einer Kandidatur bei den Landtagswahlen halte ich gar nichts. Eine Kandidatur der Bürgerlisten bei den Landtagswahlen wäre der Tod der Bürgerlisten in den Gemeinden. Was sind die Bürgerlisten? Die Bürgerlisten sind nichts anderes als der Zusammenschluss politisch aktiver Kräfte in den Gemeinden. Ich denke, die politische Landschaft in Südtirol ist bunt genug, dass jeder und jede eine passende Partei findet, um sich einzubringen. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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