Geschichtliches zum Scheibenschlagen
Publiziert in 5 / 2006 - Erschienen am 8. März 2006
Der 1. Fastensonntag trägt im Tiroler Volksbrauchtum viele Namen: „Holepfannsonntag“ im Burggrafenamt und Passeier, „Kassunta“ oder „Scheibenschlagsunnta“ im Vinschgau. Das Vinschgauer Scheibenschlagen gehört zweifellos zum ältesten und interessantesten Brauchtum in ganz Tirol. Schauplatz des Scheibenschlagens ist sehr häufig ein prähistorischer Siedlungsplatz (Tartscher Bühel, Ganglegg, Schatzknott usw.)
Bergbewohner, so Sebastian Marseiler, sehen ihre Wirklichkeit mit Magischem vermischt, empfinden ihren Lebenslauf eingebunden in den Kreislauf des Lebens, in das Kreisen der Gestirne, der Sonne, des Mondes. Unerklärliches und Geheimnisvolles in der Natur findet Symbol und Bann im Brauchtum. Die Funkenfeuer beim Scheibenschlagen galten als Unheil abweisend und reinigend. Im alten Kult sind sie ein Sinnbild für die Sonne, die die Winterdämonen vertreiben soll. Nach alter Tradition werden einige Scheiben besonders kunstvoll verziert. Diese „Sunntascheibn“ bleiben das Jahr über aufbewahrt und sollen Haus und Hof Segen und Fruchtbarkeit bescheren. Wiederkehrendes Zeichen auf diesen Scheiben ist das Sonnenrad, in nahezu allen Kulturen der Erde Zeichen für Leben, Fruchtbarkeit und Glück.
In den kreuz- und rautenförmigen Verbindungen der „Larmstange“ erkennen Volkskundler männliche und weibliche Symbole.
Der Reim, den die Burschen während des Scheibenschwingens aufsagen, will Fruchtbarkeit und Erntesegen für das Jahr beschwören, hat aber auch seine erotische Komponente: viele Scheiben sind bekannten und heimlichen Liebespärchen gewidmet.
Höhepunkt der kultischen Handlung ist das Abbrennen der „Larmstange“ oder „Hex“ unter dem Gejohle der Scheibenschlager.
Alte Sprüche:
Kas in der Tosch
Wein in der Flosch
Korn in der Wonn
Schmalz in der Pfonn
Pfluag in der Eard!
Schaug, wia mein Scheibele
außigeaht! (Goldrain)
Oh, Reim, Reim,
weim keart epper dia Scheib do?
Dia Scheib keart in Herrn Pforrer,
geats si guat, geats si schlecht,
konn i a nit helfn! (Kortsch)
Es ist verwunderlich, so Sebastian Marseiler, dass es der Kirche nie gelungen ist, diesen in seinem Wesen doch heidnischen Kult zu verbieten und auszurotten, zumal er in keinem Zusammenhang mit einer kirchlichen Feier steht. Das Scheibenschlagen wurde nur aus Sicherheitsgründen zeitweilig verboten, und zwar des Öfteren wegen Brandgefahr und nach 1961 im Hinblick auf die Sprengstoffattentate. (inge)
Ingeborg Rainalter Rechenmacher