O Reim, Reim...
Daniel Eberhöfer in Aktion, Foto: Othmar Seehauser

Geat sie guat, geat sie schlecht...

Publiziert in 8 / 2017 - Erschienen am 8. März 2017
In Tartsch bringt das Scheibenschlagen das ganze Dorf zusammen. Tartsch - „O Reim, Reim...“ ­hallte es am ersten Fastensonntag nach Einbruch der Dunkelheit durch das Tal. Von Vetzan bis Kortsch, von Laas bis Prad, von Matsch bis Taufers, von Mals bis St. Valentin und in vielen weiteren Orten wurden brennende Scheiben in die Nacht geschlagen und „Hexen“ bzw. „Larmstangen“ angezündet. Das Scheibenschlagen im Vinschgau gilt als einer der ältesten und interessantesten Bräuche in ganz Tirol. Alle, die dafür sorgen, dass der Scheibenschlagsonntag immer zu einem ganz besonderen Tag wird, tragen dazu bei, dass ein gutes Stück echter Vinschger Identität erhalten bleibt. Wenngleich die Art des Schlagens, die Form der Scheiben und andere Details von Ort zu Ort verschieden sind, bleibt der Kern der kultischen, vermutlich noch aus vorchristlicher Zeit stammenden Handlung überall derselbe, und dieser Kern besteht aus dem Hinausschleudern brennender Holzscheiben. der Vinschger hat am „Kassonntag“ das Scheibenschlagen auf dem Tartscher Bühel mitverfolgt. Diese prähistorische Siedlungsstätte ist seit jeher ein besonderer Schauplatz für die Ausübung des Scheibenschlagens. „Mein Vater, der bald 85 wird, gehörte von Kindesbeinen an zu den Scheibenschlägern“, erzählt Hansjörg Eberhöfer, als er sich am frühen Nachmittag zusammen mit Armin Bertagnolli und etlichen Freiwilligen anschickt, die „Hex“ für das Aufstellen vorzubereiten. Es handelt sich um einen rund 15 Meter hohen Lärchenbaum, der zugeschnitten und mit einem Querbalken ausgestattet wird. Auch Hansjörg, den man in Tartsch mittlerweile Scheibenschlag-Papst nennt, hat das Scheibenschlagen im Blut: „Ich hätte als Kind eine Kette abgerissen, wenn man mir untersagt hätte, zum Scheibenschlagen auf den Bichl zu gehen.“ Auch Hansjörg Ebenhöfers 19-jähriger Sohn Daniel ist inzwischen ein begeisterter Scheibenschlager. Nun treffen zwei Strohballen ein. Schützen und Mitglieder des Vereins „Tartscher Bichl Tuifl“ umwinden die „Hex“ mit Stroh. Mit der Kraft von Traktoren und der Muskeln der Freiwilligen wird die „Hex“ aufgestellt. Jetzt heißt es aufpassen, dass sie bis zum Höhepunkt am Abend ihre Ruhe hat. „Früher haben wir die Scheiben immer etwas weiter südlich in Richtung Glurns hinausgeschlagen“, erzählt Hansjörg Eberhöfer. Nachdem die Vinschger Bahn wieder in Betrieb genommen wurde, die unter dem Bühel entlang fährt, wurde der Platz weiter in Richtung Mals verlegt. Seither können auch die Malser, Laatscher und andere beobachten, wie die Tartscher die Scheiben schlagen und die „Hex“ anzünden. Froh sind Eberhöfer und alle anderen Scheibenschlager, dass die Schützenkompanie Tartsch, der derzeit Helmuth Frank als Hauptmann vorsteht, vor etlichen Jahren die Trägerschaft für das Scheibenschlagen übernommen hat. Jahr für Jahr stärker ins Zeug legen sich auch die „Tartscher Bichl Tuifl.“ Einer der „Tuifl“ dazu: „In einem Dorf muss man sich gegenseitig helfen. Gemeinsam sind wir stark.“ Er erzählt das im „Rätischen Haus“ am Tartscher Bichl, in dem am Scheibenschlagsonntag für die „Aufsteller“ der „Hex“ gegrillt wird. Kurz vor 19 Uhr wird es rund um die zwei Feuerstellen immer lebendiger. Kinder und Jugendliche kommen, Frauen und Männer, mit Bündeln von Scheiben und Ruten unter den Armen. Die Scheiben in Tartsch haben eine rechteckige Form und sind an allen vier Seiten zugespitzt. „Das beste Holz für die Scheiben ist das Zirbenholz, denn die Zirbenglut hält am längsten“, ist der Scheibenschlagen-Papst überzeugt. Und die Ruten sollten aus Haselnussholz sein. Nun ist der Höhepunkt gekommen. Jung und Alt bringen sich nacheinander mit „Gaart“ und „Flatterscheibe“ in Stellung. Die glühenden Scheiben werden im Kreis geschwungen und am Ende abgeschlagen. Während dieses Vorgangs wird folgender Vers in die Nacht geschrien: „O Reim, Reim, fir wen weart eppr dia Schaib sein. Dia Schaib und meine Kniaschaib werdn firn (hier folgt der Name der Person, der die Scheibe gewidmet ist) sein. Geat si guat, geat sie schlecht, soll’s sie’s (Name der Person) mir net veribl hobm. Hoaß, hoaß, olte Goaß.“ Allzu strenge Regeln gibt es in Tartsch nicht. Man hat nichts dagegen, wenn zum Beispiel ein Zuschauer von außen zu „Gaart“ und Scheibe greift. Plötzlich fährt es wie ein Blitz durch die Menge und alle Augen richten sich auf einen Punkt. Auf die „Hex“, die lichterloh in Flammen steht. Detail am Rande: Wenngleich es am Morgen noch nicht danach aussah, wurde das Wetter am Sonntag stündlich besser. Am ­Nachmittag und am Abend herrschten beste Voraussetz­ungen für das ­Scheibenschlagen. „So ein super Scheibenschlag-Wetter hatten wir seit 20 Jahren nicht mehr“, hieß es nicht nur auf dem Tartscher Bühel. Sepp
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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