Direktvermarktung
Chancen und Herausforderungen eines Vertriebsweges
David Frank präsentiert stolz seine Masterarbeit.
Die Direktvermarktung gewinnt immer mehr an Bedeutung.
Das Bild zeigt Frank mit Direktvermarkter Philipp Thoma am Psegghof. 

Direktvermarkten als Chance 

Was kann diese Vertriebsart? Welche Herausforderungen gibt es? 

Publiziert in 15 / 2021 - Erschienen am 29. April 2021

MATSCH - Schon immer hat sich David Frank für landwirtschaftliche Themen interessiert. „Kein Wunder, wenn man im ländlichen Gebiet aufwächst, in dem es derart viele spannende Möglichkeiten der Landwirtschaft gibt“, erklärt der 28-Jährige aus Matsch im Gespräch mit dem der Vinschger. Bei seinem Onkel am Bergbauernhof war er schon als Kind gerne zu Besuch und half später auch eifrig selbst mit. Nach der Matura nahm Frank das Bachelorstudium in Agrarwissenschaften an der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien in Angriff. Im Masterstudium entschied er sich schließlich für Agrar- und Ernährungswissenschaft. „Ich wollte das große Ganze in Sachen Landwirtschaft und Ernährungskreisläufe verstehen“, erzählt er. Den Schwerpunkt legte er auf Marketing und Regionalentwicklung. Sein Studium beendete er im Dezember 2020 erfolgreich. In seiner Abschlussarbeit ging es um Chancen und Herausforderungen der Direktvermarktung in Südtirols Landwirtschaft. Unterstützt wurde die Arbeit, die von Universitäts-Professor Siegfried Pöchtrager betreut wurde, vom Südtiroler Bauernbund. „Die Masterarbeit mit dem Titel ‚Erfolgsfaktorenforschung für die professionelle Direktvermarktung mittels qualitativer Expertinnen und Experteninterviews am Beispiel Südtirols‘ soll ein Leitfaden für eine erfolgreiche Direktvermarktung sein und gleichzeitig Interessierte ermutigen, in die Direktvermarktung einzusteigen“, erzählt Frank. 

Direkt zum Endverbraucher 

Aber, worum geht es bei der lokalen Direktvermarktung eigentlich? Eine passende Erklärung dazu findet man etwa bei der Landwirtschaftskammer Österreich: „Direktvermarktung ist die Vermarktung überwiegend eigener Urprodukte oder Verarbeitungserzeugnisse an den Endverbraucher, Einzelhandel, Gastronomie oder Großhandel im eigenen Namen, auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung.“ Südtirol hat als autonome Provinz die Rechtsmittel der Direktvermarktung eigenständig geregelt. Artikel 5 des Dekrets des Landeshauptmanns vom 2. April 2012, Nr. 10, in geltender Fassung, regelt den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte wie folgt: „Landwirtschaftliche Produkte dürfen auf verschiedenen Vertriebswegen verkauft werden. Dazu gehören Hofläden, Bauernläden und Bauernmärkte. Andere Verkaufsformen für die Produkte laut Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a) und b) sind das Haustürgeschäft, der Verkauf am Kiosk, in Schulen und Betrieben, auch durch Automaten, der Online-Verkauf im Internet und Ähnliches“. 

Darum setzen Landwirte auf Direktvermarktung 

Immer mehr Landwirte, auch im Vinschgau, verarbeiten und vermarkten ihre Produkte selbst. In Südtirol sind es insgesamt 600 Landwirte, welche Direktvermarktung betreiben und hofeigene Produkte zum Verkauf anbieten. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft und die sinkenden Auszahlungspreise für Agrarprodukte erhöhen vor allem für kleine landwirtschaftliche Produzenten den Druck, wettbewerbsfähige Betriebskonzepte anzuwenden, schreibt der Matscher in seiner Arbeit. „Um unabhängig von den Marktpreisen zu wirtschaften und höhere Einnahmen zu generieren, entscheiden sich Landwirte häufig für alternative Absatzformen, wie eben die Direktvermarktung“, erklärt Frank die Intention vieler Bauern. Aber: „Es gibt oft auch Hindernisse. Direktvermarktung ist nicht für alle etwas“, betont er. Vor allem die Produktqualität sei der Grundstein für eine erfolgreiche Vermarktung und für die Konkurrenzfähigkeit am Markt. Jedoch gibt es, wie Frank in seiner Masterarbeit durch Interviews mit Experten und Expertinnen feststellt, viele weitere Faktoren wie Innovation und Diversifizierung. Leidenschaft und Freude sei eine wesentliche Grundvoraussetzung, um überhaupt den Schritt in die Direktvermarktung zu wagen, aber Begeisterung alleine reiche freilich nicht aus. 

Viele Faktoren spielen eine Rolle

„Um den kontinuierlichen Absatz der landwirtschaftlichen Produkte zu gewährleisten, wird von den Betriebsleitern unternehmerisches Geschick verlangt und die Bereitschaft, sich mit den Marketinginstrumenten wie Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik, auseinanderzusetzen“, erklärt Frank. Im Zuge der Arbeit sei zudem ersichtlich geworden, dass auch erfolgreiche Direktvermarkter und Direktvermarkterinnen täglich vor neuen Herausforderungen stehen, welche es zu überwinden gilt. „Anhand der qualitativen Inhaltsanalyse konnten die Faktoren Investitionskosten, bürokratischer Aufwand, Arbeitsaufwand, Vermarktung, Wetter, Logistik, digitale Werbemittel und Arbeitsorganisation als Herausforderungen der landwirtschaftlichen Direktvermarktung identifiziert werden“, zieht Frank ein Fazit. 

Krisenzeiten verraten einiges 

Vor allem in Krisenzeiten merke man, wie wichtig eine funktionierende Regionalentwicklung und Vielfalt seien. Insbesondere die Veredelung sei dabei ein wichtiges Stichwort. Hochwertige lokale Rohstoffe und Naturprodukte werden dabei fachmännisch zu Qualitätsprodukten verarbeitet. Südtirol und die vielen Kleinbetriebe sind international schon seit Jahren für die gelungene Veredelung landwirtschaftlicher Produkte bekannt. „Wenn Produkte veredelt werden, entsteht Wertschätzung in der Region. Diese bringt positive Synergien für die Landwirtschaft und für den Tourismus mit sich. Veredelung bedeutet Vielfalt und Innovation. In Zukunft wird diese Entwicklung eine noch größere Rolle spielen“, ist Frank überzeugt. 

Erfolgreiche Direktvermarktung am Tschenglsberg

Einer der erfolgreichen Direktvermarkter ist zum Beispiel Philipp Thoma vom Psegghof am Tschenglsberg. Er setzt auf naturnahe Ernährung und den Gedanken nachhaltiger Erzeugung. Die Lebensmittel werden selbst produziert, veredelt und vermarktet. So gibt es Speck vom auf dem Hof aufgewachsenen Schwein, Schaffleisch von eigenen Schafen und vieles mehr. Gemeinsam mit weiteren Bauern verkauft er über die Genossenschaft Tschenglsberg die Bio-Eier vom Hof. Verständlich, dass auch Thoma einen Beitrag zur Masterarbeit von David Frank leisten konnte und als ein Experte interviewt wurde. Dabei berichtete der Tschenglser insbesondere über den Vertrieb der Bio-Freilandeier. 

Der Musiker beim Wirtschaftsdienstleister

Vor allem durch Kooperationen der landwirtschaftlichen Betriebe mit anderen Sektoren, wie Tourismus und Gastronomie, könne künftig weiter Erfolgreiches entstehen. Einen Teil dazu beitragen will Frank nun als Mitarbeiter des Wirtschaftsdienstleisters IDM Südtirol. Seit Anfang des Jahres arbeitet er dabei in der Abteilung Agrar, als Qualitätsmanager für Südtiroler Qualitätsprodukte mit Qualitätszeichen. Eigentlich hatte der ambitionierte und passionierte Ziehharmonika-Spieler geplant, sich nach dem Studium für ein, zwei Jahre auf die Musik zu konzentrieren. „In Corona-Zeiten ist das aber schwierig“, bedauert er. Nichtsdestotrotz habe er nun bei der IDM Südtirol seinen Platz gefunden. So wie im Musikerleben setzt er auch hier auf Innovation und Kreativität - zum Wohle der heimischen Landwirtschaft. 

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.