Mit Beregnung Zukunft schreiben - Projekt “Untere Malser Haide”
Josef Patscheider: “Bin 120 Mal mit den Wasserstiefeln ausgerückt.”

Die Regenmacher

Publiziert in 18 / 2004 - Erschienen am 23. September 2004
[K] So günstig wird es eine Beregnung möglicherweise nicht mehr geben. Für das Beregnungsprojekt auf der “Unteren Malser Haide” bahnt sich eine Landespremiere an. Wenn das Vorhaben gelingt. von Erwin Bernhart [/K] Explosiver könnte die Mischung für den oberen Vinschgau nicht sein: Wasser und Geld. Zur Explosion wird´s möglicherweise nicht kommen. “Wir sind auf einem guten Weg,” sagt Markus Joos, Geschäftsführer des Bonifizierungskonsortiums Vinschgau. Die Aussicht besteht, dass innerhalb dieses Jahres das Ganze über die Bühne ist. Eine entscheidende Hürde konnte genommen werden: Vor gut einer Woche ist die Beregnungsanlage “Untere Malser Haide” vom UVP-Beirat positiv abgesegnet worden. Rund 500 Hektar in den Katastralgemeinden Schleis, Laatsch, Mals und Glurns sollen eine Beregnung erhalten. Nun wird ein positiver Bescheid der Landesregierung erwartet. Dann könnten die Gemeinden bereits die Baukonzessionen ausstellen. [F] Die Fische [/F] Kurz vor der UVP-Sitzung ist´s dann doch noch hektisch zugegangen. Nachreichen, nachbessern. Das Projekt sieht vor, dass das Wasser für die Beregnung direkt vom Haidersee genommen wird. Der Fischereibewirtschafter Hans Telser, verantwortlich für den Abschnitt der Etsch vom See bis Laatsch, sah die Etsch schon trocken. Gegen die Beregnung ist er nicht. "Falls nur die vom Gesetz vorgeschriebenen 400 Liter pro Sekunde ganzjährig gesichert würden, hätte dies fatale und katastrophale Auswirkungen für das Flussbett der Etsch von St. Valentin bis nach Glurns”, schreibt Telser an die Landesagentur für Umwelt. Und er hat die Umweltschutzgruppe Vinschgau zu Hilfe gerufen. Der Biologe und Vorstandsmitglied der Umweltschutzgruppe, Joachim Winkler, stellt dem Oberlauf der Etsch ein ausgezeichnetes Zeugnis aus. Und es geht nicht um irgendwelche Fische. Die Marmorierte Forelle wird dort gehegt und gepflegt. Auch mit Landesgeldern. [F] Die Wasserträger [/F] “Die Restwassermenge muss laut Ressortdirektor Walter Huber noch genau festgelegt werden,” so heißt´s beim UVP-Beirat vorläufig. Das lässt Spielraum. Die Waale unterhalb von Burgeis, der Fassawaal, der Latinawaal, der Mühlwaal und der Weitwiesenwaal, haben, wenn die Beregnung kommt, als Wasserträger ausgedient. Teilweise auch der bei Burgeis abzweigende Kriegwaal. Lediglich um eine Restwasserdotation ist angesucht worden. Für jeden Waal sollen noch 30 Sekundenliter herausschauen. Diese waren bereits im Großprojekt von 1994 vorgesehen. Ist das Land als Besitzer des öffentlichen Guts Wasser konsequent und will gleichzeitig Marmorierte Forelle und Waalerhaltung, könnte es eine Restwassermenge von mindestens insgesamt 520 Sekundenliter vorschreiben. Auf eigene Kosten. Sonst gehen die Restwasserdotationen für die Waale auf Kosten der Bauern. Und bei den Bauern wird haarscharf gerechnet. [F] Die Psychologie [/F] Erklärtes Ziel ist es, die Investitionskosten pro Hektar auf eine für die Grundbesitzer psychologisch wichtige Grenze von 5 Millionen Lire zu drücken. Joos spricht von 2.500 bis 3.000 Euro. Wie man das erreichen will, wurde den Bauern bereits in groben Umsrissen mitgeteilt. Joos will zumindest finanziell nichts beschönigen: “Die geschätzten Kosten liegen zwischen 15.000 und 20.000 Euro pro Hektar. Zu etwa 65% wird eine Beregnungsanlage im Berggebiet bezuschusst.” In Rom seien bereits diesbezügliche Gelder geparkt. Bleiben noch 5.000 bis 7.000 Euro pro Hektar übrig. Dann kommt noch der entscheidende finanzielle Knackpunkt hinzu. Die Querfinanzierung durch die Seledison. [F] Die Seledison [/F] Das Wassersystem im Vinschgau, besonders im oberen, ist komplett künstlich. Nichts läuft ohne den Stromriesen. Das mussten Bauern und Fischer voriges Jahr erleben, als geschiebeführendes Saldurwasser aus Matsch die Etsch herunter und damit in die Waale floss. Fische und Wiesen litten darunter. Und es gibt Wasserkonzessionen und Wasserrechte für die Waale und pro Hektar. Und genau diese Wasserkonzessionen sollen nun die Beregnung ermöglichen. Für eine Beregnung sind 0,5 Sekundenliter pro Hektar gesetzlich festgelegt. Die betroffene Fläche hat allerdings eine Konzession von 2 Sekundenlitern pro Hektar. Die Differenz wird der Seledison zur Verfügung gestellt. Die produziert damit Strom für bares Geld. Da soll für die Bauern auch etwas abfallen. Die Verhandlungen laufen in den kommenden Tagen auf Hochtouren. Eine grundsätzliche schriftliche Zusage liegt, laut Joos, bereits vor. Eine “degressive” Zahlung von seiten der Seledison könnte sich Joos durchaus vorstellen. Will heißen, zu Beginn zahlt die Seledison mehr, für die Investitionskosten, dann im Laufe der Zeit weniger, bis ein jährlicher Sockelbeitrag übrig bleibt. Der soll dann die Instandhaltungskosten decken. Dass die konzessionierte Wassermenge bei der Umstellung auf Beregnung von Amts wegen um dreiviertel reduziert wird, ist für Joos klar: “Anders geht´s nicht. Das ist gesetzlich vorgeschrieben” Er muss es wissen. Das Bonifizierungskonsortium hat in den vergangenen 30 Jahren im Vinschgau für 6000 Hektar Beregnungen gebaut. [F] Die Bauern [/F] Der Mala Peppi (Josef Wallnöfer), Wirt und Bauer zu Laatsch, ist entscheidender Antreiber des Projektes vor Ort. Er ist Katastervertreter von Laatsch und im Ausschuss des Bonifizierungskonsortiums. Für einen Teil der Bauern bringt er´s auf den Punkt: “Ich bin dauernd mit den Wasserstiefeln unterwegs.” Dass es die Beregnung braucht steht für den Großteil der Bauern außer Frage. “In Laatsch sind von den ehemals 84 Viehbauern heute noch 23 als solche tätig,” zeichnet der Mala Peppi die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Die gleichgebliebene Fläche wird von einem Viertel der Bauern bewirtschaftet. Mit den Bewässerungstechniken der Waale fast nicht mehr möglich. Josef Patscheider, Bauernbundobmann und Katastervertreter von Schleis: “Voriges Jahr war ich 120 Mal in den Stiefeln unterwegs.” Und der Malser BB-Obmann Josef Thurner macht ähnliche Erfahrungen. Er ist gleichzeitig Beregnungswart der Anlage Mals-Tartsch und kennt den Unterschied. [F] Die Umweltschützer [/F] Aufgebracht reagierten alle drei auf eine Stellungnahme der Umweltschutzgruppe Vinschgau im Malser Gemeindeblattl. Diese hatte erhebliche Bedenken gegen eine Beregnung geäußert. Unter anderem: “Ins Gespräch gebracht werden sollten, im Interesse der Grundeigentümer, bereits vorliegende Alternativvorschläge, der hohe Kulturwert der Waale mit der ihnen zustehenden Wassermenge, die derzeit breitgefächerten Anbaumöglichkeiten aufgrund der individuellen Bewässerung und nicht zuletzt die finanziellen Belastungen bei einem eventuellen Bau der Anlage.” Zu nahe sitzt noch das niederschmetternde Abstimmungsergebnis für das damalige Großprojekt. Aber man hat gelernt. Der obere Teil ist aus dem Bonifizierungskonsortium draußen, und der untere Teil hat bereits das letzte Mal mit großer Mehrheit für eine Beregnung gestimmt. Und man hat die Kraftwerke, die beim vorigen Projekt noch geplant waren, weggelassen. Die Idee ist geblieben. Jetzt halt über die Seledison. [F] Die Äpfel [/F] Die geplante Wasserfassung am Haidersee mit einer Hauptleitung von 460 Sekundenlitern hat noch einen nicht unerheblichen Neben-effekt. Das Wasser ist sauber und temperiert. “Obstbaufähiges” Wasser also. Die Umweltschützer befürchten die “chemische Keule” im oberen Vinschgau. Das Obstbauszenario für Teile der unteren Malser Haide ist durchaus realistisch. Nicht lange her ist die Aussage von Fachleuten, die den Gadriakegel als natürliche Grenze für den Obstbau angesehen haben. Heute befindet sich eine erste Pionieranlage bereits in Schleis. [F] Der Knackpunkt [/F] Dann gibt es noch einen sozialen Knackpunkt: die Eigentümerstruktur (siehe auch Interview mit Hans Mair S. 34). “Mehr als die Hälfte der Eigentümer ist nicht mehr gleichzeitig Bewirtschafter,” weiß Joos. Das ist auch der Realteilung zu verdanken. Viele Besitzer mit vielen kleinen Parzellen. Viele auch, die den Grund nicht mehr selbst bewirtschaften. “Dadurch ergibt sich für viele Grundeigentümer ein finan-zielles Problem, gleichzeitig ist sozialer Zündstoff vorprogrammiert,” schreibt die Umweltschutzgruppe. Um eben diese explosive Mischung nicht hochgehen zu lassen, wird von den Bauern und vom Bonifizierungskonsortium heftig am Gesamtpaket geschnürt. “Ist es fertig, dann werden wir der Vollversammlung berichten. Dann wird abgestimmt,” so Joos. Möglicherweise noch in diesem Jahr.
Erwin Bernhart
Vinschger Sonderausgabe

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