Bürgermeisterin am Rande Europas
Bürgermeisterin Roselinde Gunsch Koch (2. von rechts) hat in der St. Johann Kirche einen „Pilgerweg“ durch die Gemeinde vorgestellt. Zusammen mit Reto Wiesler, Luzia Tischler, Monika Wiesler und Gemeinderätin Angelika Pircher bildet sie den harten Kern von „Tuberis“.

Die Bürgermeisterin stellt ihren Mann

Publiziert in 27 / 2016 - Erschienen am 20. Juli 2016
Roselinde Gunsch Koch wurde im Mai 2015 mit einer Stimme Vorsprung zur Bürgermeisterin von Taufers im Münstertal und zur ersten Bürgermeisterin des Vinschgaus gewählt. der Vinschger: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie 2015 mit nur einer Stimme Vorsprung ins Rathaus einzogen? Roselinde Gunsch Koch: Es hat einige Zeit gedauert, bis ich es realisiert hatte, schon allein der Medien wegen. Ich bin dann halt eingezogen, habe mal schnell mein Mail-Account eingerichtet, dringende Beschlüsse gefasst und sofort angefangen, die Gemeinderäte zu kontaktieren. Zwar wurde der Wille der Wähler beim Zusammenstellen des Ausschusses respektiert, aber wo sind die Frauen geblieben? Wir haben uns ganz schwer getan, Kandidatinnen zu finden. Die Männer haben alle ihresgleichen gesucht, aber Frauen… Leider Gottes haben viele potenzielle Kandidatinnen im letzten Augenblick abgesagt. Das ist schon etwas, woran wir ernsthaft arbeiten müssen. Du machst das schon, hat es im Wahlkampf geheißen, und man hat mir die Suche angehängt. Wir nehmen an, Sie sind Vollzeitbürgermeisterin? Nein, nein, 4 halbe Tage in der Woche bin ich EURAC-Mitarbeiterin. Das ist eine Frage der Organisation. Wir sind ja keine Großgemeinde. Wir haben keine Fraktion, haben nur eine Schule. Es hängt natürlich sehr viel vom Ausschuss ab und der ist ganz fleißig, und nicht zu vergessen von den Mitarbeitern. Wie ist der Umgang mit der Opposition? Der ist gut. Die beiden Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit sind interessiert. Das passt schon. Das Angebot, sie können jederzeit kommen und sich informieren, steht. Was macht die neue Bürgermeisterin anders als ihr Vorgänger? Man müsste die Bürger fragen oder die Mitarbeiter. Ich war ja schon im Ausschuss, folglich sind mir die Projekte und Maßnahmen ja alle bekannt. Vielleicht ist ein Schwerpunkt die Zusammenarbeit im Ausschuss und dass man den Leuten die Kompetenzen auch ausüben lässt. Schließlich haben die Mitglieder jetzt mehr zu tun, wir sind ja um eine Person weniger. Groß anders machen… Ich weiß nicht. Vielleicht zeig ich mehr Präsenz. Ich versuch auch jeden Tag anwesend zu sein, wenigstens einen halben Tag. Beim Großbrand im vergangenen Oktober hatte ich schon den Eindruck, dass die Menschen meine Anwesenheit anerkannt haben. Wichtig ist mir aber auch, dass man früh genug Probleme anspricht. Besonders im Rat. Apropos Großbrand. Wie ist die Lage derzeit, wie viele Familien sind betroffen? Drei Familien haben das Wohnhaus verloren und eine die Tischlerei. Wir waren froh, dass wir die Möglichkeit hatten, die Familien schnell unterzubringen. Es konnten Seniorenwohnungen bezogen werden und eine Sozialwohnung. Das Institut war schnell bereit, die Familie einziehen zu lassen. Es war schon ein Schock fürs ganze Dorf. Der Besitzer der Tischlerei hatte schon seinen Umzug geplant. Er hatte den Vorverkaufsvertrag für eine leer stehende Halle in der Handwerkerzone schon in den Händen. Am Montag wäre der Notar-Termin gewesen und am Samstag zuvor hat es dann gebrannt. Jetzt hat die Tischlerei die Produktion wieder aufgenommen und die Planung zum Wiederaufbau der Wohnhäuser läuft. Eine Besonderheit der Gemeinde Taufers ist die EU-Außengrenze mit der Schweiz. Es ging ja schon die Rede, das Naturschutzgebiet „Biosfera“ am Rambach auch auf Südtiroler Seite auszuweiten. Inzwischen ist es aber sehr still geworden. Sie werden drinnen (in der Val Müstair, Anm.) schon weitermachen, denke ich. Den neuen Direktor kenne ich noch nicht. Mit dem Vorstand der Gemeinde Val Müstair stehen wir in engster Verbindung. Es sind viele Themen angesprochen worden, darunter auch die Rifairer-Alm, die ja von der Schweiz aus erschlossen werden soll. Wir haben uns gegenseitig versprochen, öfters zusammen zu treffen, und haben uns vorgenommen, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, sonst hat alles keinen Sinn. Erst kürzlich hatten wir einen gemeinsamen Workshop, koordiniert von der EURAC und der Uni Innsbruck. Wie geht es euren Pendlern mit dem harten Schweizer Franken und der Volksabstimmung gegen Zuwanderung? Mit dem Franken geht’s ihnen verständlicherweise sehr gut. Die Volksabstimmung hat sich bisher nicht auf unsere knapp 120 Pendler ausgewirkt. Jedenfalls ist mir noch nicht aufgefallen, dass weniger hinein fahren. Die Abwanderung haben Sie im Griff? Wir sind konstant geblieben. Die Einwohnerzahl liegt bei 980 und ist stabil. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir an die Schweiz grenzen und dort Arbeit finden, auch wenn man über den Pass (Ofenpass) fahren muss. Durch die neue steuerrechtliche Regelung der Grenzpendler kommt es aber vermehrt vor, dass der Wohnsitz in die Schweiz verlegt wird. Wie oft müssen Sie mit Allegra grüßen, wenn Sie durch Taufers oder ins Gasthaus gehen? Kommen die Eidgenossen vermehrt nach Taufers? Es kommen schon mehr; sie kommen halt, eine Pizza zu essen, aber das war schon früher so. Vom Einkaufen merken die im Umkreis von Mals wahrscheinlich mehr. Wir haben nämlich eine kritische Situation in der Nahversorgung und im Gastgewerbe, von drei Lebensmittelgeschäften ist eines übrig geblieben. Das Lohnniveau in der Schweiz und die Nähe sind sehr attraktiv. Die steuerlichen Rahmenbedingungen und die Bürokratie bei uns hingegen sind eine große Hürde, ein wirtschaftliches Unternehmen bei uns in der Gemeinde zu gründen. Was sieht die Bürgermeisterin für ihre Gemeinde besonders vordringlich? Wir müssen für Taufers ein touristisches und wirtschaftliches Konzept entwickeln. Das Wirken des Vereins „Tuberis“ als Kultur- und Tourismusverein ist ein bescheidener, aber wichtiger Anfang. Im Dorf selbst muss wieder mehr bewegt werden. Es müssen sich wieder Arbeitsplätze vor Ort entwickeln. Vielleicht ist ein Leader- oder Interreg-Programm ein Ansatz dazu. Wir sollten kein Schlafdorf werden. Eines ist sicher, die großen Bauprojekte hat mein Vorgänger durchgeführt oder eingeleitet. Als öffentliche Gebäude gilt es noch die Feuerwehrhalle und den Kindergarten zu verwirklichen. Für Maßnahmen und Initiativen, um Arbeitsplätze zu halten oder zu schaffen – wie es jetzt dringend notwendig wird - wird es keine Denkmäler geben. Welche Zuständigkeiten hat die Frau Roselinde im Bezirksrat? Ich bin für die Eisenbahn, die EU-Programme, für Kinder, Jugend, Frauen und Familie, für die Kleingemeinden und für die Kultur und Bildungspolitik zuständig. Interview Günther Schöpf
Günther Schöpf
Günther Schöpf
Vinschger Sonderausgabe

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