Braucht Südtirol einen Flughafen?
Publiziert in 4 / 2016 - Erschienen am 3. Februar 2016
Ein Wirtschafter, ein Politiker und ein Umweltschützer informierten und argumentierten für und gegen einen Flughafen in Bozen.
Schlanders - Irgendwann soll auch den peripheren Vinschgern zugemutet werden, über den Ausbau des Regionalflughafens in Bozen abzustimmen. Im Oberschulzentrum Schlanders hat es der Schulleiter der Wirtschaftsfachoberschule, Martin Kaserer, übernommen, im Rahmen einer Projektwoche 22 Schülern und 2 Schülerinnen eine „basisdemokratische Fortbildung“ anzubieten. Quer durch 5 Altersstufen kamen 5 Schüler aus dem technischen, 3 aus dem wissenschaftlich-humanistischen und 15 aus dem wirtschaftlichen Bereich zu Informationen aus erster Hand. Eine Befürworter, ein Gesetzgeber und ein Gegner hatten je 2 Unterrichtsstunden lang Zeit, ihre Argumente vorzubringen. 12 Schüler saßen schon einmal in einem Flugzeug. Die Gelegenheit, von der Landeshauptstadt in die weite Welt zu starten, hatte bisher noch niemand.
Wir brauchen neue Gästeschichten
Manfred Pinzger, Landesvorsitzender des Hotel- und Gastwirte-Verbandes, stellte klar: „Wir vertreten 5.000 Betriebe der Tourismusbranche. Es ist jene Kategorie, die am schmerzhaftesten das Fehlen einer internationalen Anbindung spürt. Daher plädieren wir ganz klar für einen funktionierenden Flughafen.“ Der Flughafen müsse sich aber irgendwann auch rechnen, meinte Pinzger. 170.000 Passagiere seien als unterstes Limit kalkuliert worden. In Innsbruck würden 1 Million Passagiere landen und starten. „Von einer Gästestruktur wie im Skigebiet Servaus, um ein Beispiel aus unserer Nähe zu nennen, können wir nur träumen - und alles wegen der Anbindung durch Innsbruck“. Pinzger verwies auf die Spitzen-Unternehmen in Südtirol, die den Anschluss an die Welt brauchen, und auf die Bedeutung des Wirtschaftssektors Tourismus. Die auf 4,6 Tage abgerutschte, durchschnittliche Aufenthaltsdauer sei ein Alarmzeichen, ebenso die Abhängigkeit vom überalterten deutschen und krisengeschüttelten italienischen Markt. Natürlich müsse es auch für Herr und Frau Südtiroler einen Vorteil geben. Die Schüler erkundigten sich nach den Kosten für den Ausbaus der Landebahn um die benötigten 142 m und nach dem Defizit im Jahr 2014. Sie wollten den Text wissen, mit der das Volk befragt wird, und ob man nach 2022 bei den 1,5 Millionen Euro bleibe, wenn die Passagierzahl wieder sinke oder der Flughafen erweitert werden müsste. Was ist, wenn das Nein gewinnt, war auch eine Frage. Pinzgers Antwort: „Die nationale Zivilfluggesellschaft ENAC wird den Flugbetrieb auf EU-Ebene ausschreiben.“ Südtirol habe dann nichts mehr zu sagen.
Entscheidend sind die Gleichgültigen
Landtagsabgeordneter und Regionalrat Sepp Noggler nannte das Flugplatzthema ein politisches Thema mit Für und Wider. Die Politik müsse Rahmenbedingungen für Diskussionen schaffen, meinte sinngemäß der Politiker aus Mals. Seinen informativen Teil leitete er mit der „Mobilitätsstrategie Südtirol“ ein. Die Botschaft war klar: Sämtliche schon genehmigten und angestrebten Eisenbahnprojekte und Umfahrungsstraßen, von der Eisenbahnverbindung Südtirol-Graubünden ganz zu schweigen, werden ein Vielfaches von dem kosten, was für den zukünftigen Regionalflughafen Bozen aufgewandt wird. Das „Relativieren“ der Kosten setzte er mit der Übersicht über die Verteilung der Haushaltsgelder fort, erklärte die Bedeutung von Vernetzung und Erreichbarkeit und kam auf das „Strategiekonzept“ für den Flughafen mit der Grundvoraussetzung „Verlängerung der Start- und Landebahn“ zu sprechen. Die zusätzlichen Einnahmen, die Bedingungen, die im Landesgesetz festgeschrieben worden sind und die Abwicklung der Volksbefragung waren natürlich ein Kernthema. Die Schüler wollten wissen, warum das Land nach 2022 überhaupt investiere, wenn sich der Flugplatz rentieren soll, welchen Sinn es habe, in Bozen auszubauen, wenn demnächst der Flugplatz in Verona aufgerüstet sein wird und was der Personenverkehr für den Export bringe. Ein Schüler war überzeugt: Das Land wird dauernd einspringen müssen. Im Sinnieren über einen möglichen Ausgang der Befragung wurde die große Gruppe derjenigen als entscheidend gesehen, die vielleicht für den Flughafen sind, die aber nicht zur Wahl gegen, weil sie in der Peripherie wohnen und dem Thema eher gleichgültig gegenüber stehen. Nogglers Meinung nach dürften auch die peripheren Vinschger darunter sein.
Immer diese schiefen Vergleiche
Der Direktor des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz, Andreas Riedl eröffnete seine Ausführungen mit dem Satz: „Nach der Weltklimakonferenz in Paris will sich das Klimaland Südtirol mit einem Regionalflughafen schmücken.“ Er wurde abrupt ausgebremst: „Sind Sie dagegen und warum?“ „Ich müsste durch meinen Beruf vor allem die Umweltfaktoren ansprechen“, erwiderte Riedl und ging sofort auf die Erreichbarkeit ein: „Da kein täglicher Linienverkehr von Bozen aus angeboten wird, fällt das Argument, Geschäftsleute seien nur dadurch dauernd erreichbar und mit der Welt verbunden“. Wenn die Touristiker 5 % mehr Flug-Touristen erwarten und bis jetzt bereits 4 % aller Gäste über die benachbarten Flughäfen kommen, scheint es, so Riedl, dass für 1 % ein neuer Regionalflughafen entstehen soll. Von dem übrigens keiner weiß, ob die angestrebten Passagierzahlen je erreicht würden. Es gäbe Studien, dass moderne Nahverkehrsmittel auf allen Distanzen unter 800 km nicht nur gleich schnell, sondern auch kostengünstiger seien. Dazu komme, dass man im Zug arbeiten könne. Auf die Frage, wie es sich mit den Schadstoffemissionen verhalte: „Wer sagt, der gesamte Flugverkehr eines Jahres bringt so viel Schadstoffe wie ein Tag Verkehr auf der Autobahn, stellt sonderbare Vergleiche an.“ Es müsste die Schadstoffmenge pro Passagier verglichen werden. Wenn bisher 44.000 Passagiere mit Flugzeugen bewegt wurden, sind es über die Autobahn 44.000 x 365. Die Pro-Kopf-Bilanz sieht dann ganz anders aus. Riedl kam natürlich auf das - seiner Meinung nach - unterschätzte Problem der Lärmbelastung zu sprechen. Über umfangreiche und nicht ganz leicht nachvollziehbare Rechenbeispiele versuchte er die wirklichen Investitions- und Betriebskosten darzulegen.
Günther Schöpf
Günther Schöpf