„Ausnahmen und Ausflüchte wird es keine mehr geben“
Publiziert in 27 / 2014 - Erschienen am 23. Juli 2014
In punkto Raumordnung und Landschaftsschutz
steht laut Landesrat Richard Theiner eine kleine „Revolution“ ins Haus. Der Landeshauptmannstellvertreter spricht von der Schlacht aller Schlachten. Klare Worte findet Richard Theiner im Interview mit dem der Vinschger auch zur Energiepolitik, der Pestizid-Debatte und weiteren heißen Eisen.
der Vinschger: Fehlt Ihnen der Job als SVP-Obmann?
Richard Theiner: Es war eine große Ehre für mich, dieses Amt 5 Jahre lang auszuüben. Ich war mit viel Freude und Engagement Obmann der Südtiroler Volkspartei. Es gab viele Höhen, aber auch Tiefen. Insgesamt blicke ich dankbar auf diese bewegte Zeit zurück.
Wie lange wird der Rentenskandal die Landespolitik überschatten?
Wir haben kürzlich im Regionalrat eine Neuregelung beschlossen. Es ist ein Kompromiss, ein gangbarer Weg. Nachdem mit Rekursen zu rechnen ist, werden die Gerichte entscheiden, ob der Kompromiss hält. Wichtig war, dass wir noch vor der Sommerpause einen Schlussstrich gezogen haben. Wir haben uns schon viel zulange mit uns selbst beschäftigt. Es ist höchste Zeit, dass wir uns wieder mehr um die wirklichen Probleme der Menschen kümmern.
Hat sich das gesamte Image der Politik mittlerweile etwas gebessert oder ist es immer noch so, dass man sich als Landespolitiker nicht so recht unter die Leute traut?
Das Ansehen der Politiker ist seit einigen Jahrzehnten in allen Ländern der EU im Sinkflug. In Deutschland zum Beispiel liegt das Image des Politikerberufs an zweitvorletzter Stelle. Vor den Politikern werden die Prostituierten gereiht, nach ihnen die Journalisten. Ich will damit nicht von der Rentenaffäre ablenken, sondern nur aufzeigen, wie schlecht der Ruf von Politikern insgesamt ist. Die Rentenaffäre hat uns in Südtirol zusätzlich zu schaffen gemacht und alle Parteien zu einer intensiven Nachdenkpause gezwungen. Nicht zu vergessen ist in der ganzen Debatte aber auch die seit Jahren anhaltende Wirtschaftskrise. In Zeiten der Krise wird das Gerechtigkeitsempfinden in der Bevölkerung größer und das ist auch gut so. Nur sollte man nicht von einem Extrem ins andere fallen. Wenn Politiker finanziell nicht unabhängig sind, laufen wir Gefahr, dass nur mehr Wohlhabende oder Lobbysten Politiker werden. Außerdem gibt es auch in Südtirol außerhalb der Politik genug Spitzenverdiener, die viel mehr kassieren als Politiker, aber viel weniger Verantwortung tragen und auch nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehen.
Wie oft fällt in den Sitzungen der Landesregierung der Name Luis Durnwalder?
Selten. Und wenn, dann nur im Zusammenhang mit Beschlüssen, die mit Luis Durnwalder in seiner früheren Funktion als Landeshauptmann zu tun hatten.
Sie haben nach den Landtagswahlen einen Energietisch einberufen, dem der Energiefachmann Georg Wunderer aus Prad vorsteht. Was hat dieser Energietisch bisher auf den Weg gebracht?
Sehr viel. Die Einrichtung dieser Expertenrunde war die erste wichtige Entscheidung, die ich als Landesrat für Energie, Umwelt und Raumordnung getroffen habe. Es ist gelungen, alle wichtigen Akteure des Energiebereichs an einen Tisch zu bringen. Dass ich Georg Wunderer bat, die Koordination zu übernehmen, kam nicht von ungefähr. Wunderer ist nicht nur ein ausgesprochener Fachmann, sondern auch einer, auf den wir uns im Gegensatz zu manchen anderen „Fachleuten“ 100prozentig verlassen können, weil er sicher nirgends direkt oder versteckt in irgendwelchen Energiegeschäften persönlich involviert oder beteiligt ist.
Von der konkreten Arbeit der Expertenrunde dringt allerdings nicht sehr viel nach außen.
Die Materie ist komplex und mit viel Arbeit verbunden. Die Expertenrunde macht einen exzellenten Job und zieht immer wieder externe Fachleute und Rechtsexperten bei. Wir wollen schließlich Nägel mit Köpfen machen. Die Gruppe arbeitet nach dem Prinzip, dass alle wichtigen Akteure ihre Vorstellungen und Vorschläge auf den Tisch bringen und nach einem Konsens suchen, der dann auf politischer Ebene in Gesetzesform gebracht werden soll. Einen 100prozentigen Konsens wird es in einer Materie wie dieser natürlich nie geben.
Wie weit ist die Gruppe mit der Neuregelung der Vergabe großer Wasserableitungen?
Um das Landesgesetz Nr. 7 aus dem Jahr 2005 neu aufzulegen, braucht es zunächst eine Durchführungsbestimmung der Regierung in Rom zum staatlichen Gesetz. Um dies zu beschleunigen, treffe ich mich am 24. Juli zusammen mit dem Kammerabgeordneten Albrecht Plangger mit der Wirtschaftsministerin Federica Guidi. Sobald diese Bestimmung auf den Weg gebracht ist, wird die Landesregierung den Entwurf der Expertenrunde als Gesetzesvorlage in den Landtag bringen.
Auch in punkto Kleinwasserableitungen warten viele Ansuchen in den zuständigen Ämtern auf die Behandlung.
Zurzeit liegen rund 400 Gesuche für kleine und mittlere Wasserableitungen im Landesamt für Stromversorgung zur Bearbeitung auf. Auch hier wollen wir in den nächsten Wochen zu einem Durchbruch kommen. Wir möchten das bestehende Landesgesetz anpassen und die Abläufe der Bearbeitung der Gesuche verbessern und beschleunigen. Klare Vorgaben bezüglich des Nachweises der Grundverfügbarkeit wird es ebenso geben wie Bewertungskriterien für die Konzessionsvergabe.
Der Vinschgau strebt nach wie vor eine eigenständige Stromverteilung an.
Die Stromverteilung ist das dritte große Anliegen, mit dem sich die Expertenrunde befassen wird. Für mich als Landesrat ist klar, dass jene Gemeinden und Bezirke, die den Strom selbst verteilen wollen, dies auch tun dürfen. Es ist ihr Recht. Wird die Verteilung auf Genossenschaftsbasis organisiert, ist das umso besser. Alle Mitglieder können mitbestimmen, und es werden vor Ort interessante Arbeitsplätze geschaffen. Der Genossenschaftsgedanke ist meiner Meinung nach alles eher als überholt, sondern aktueller und zukunftsträchtiger denn je.
Die Nutzung der Wasserkraft bringt Strom und Geld, andererseits aber auch Beeinträchtigungen für die Umwelt. Wie stehen Sie zum geplanten Kraftwerk am Rambach?
Beim Rambach-Werk war es so, dass sich die Bevölkerung von Mals und Taufers mehrheitlich für dieses Werk ausgesprochen hat. Dieser Volksentscheid ist schlicht und einfach zu respektieren, auch wenn die Entscheidung vor allem in Taufers sehr knapp ausgefallen ist. Das Werk soll daher gebaut werden.
Auch die Gemeinde Schlanders will die Wasserkraft im Schlandrauntal besser nutzen.
Auch diesem Vorhaben ist nichts entgegenzusetzen. In Schlanders wurde eine gute Vorarbeit geleistet und ein Konsens unter allen Beteiligten gefunden. Ich kann nur hoffen, dass auch dieses Vorhaben zügig bearbeitet werden kann.
Was würden Sie von einer Rückkehr zur Windkraftnutzung im Vinschgau halten?
Nachdem die ersten zwei Windräder standen und nach einiger Zeit die Rede davon war, weitere aufzustellen, rührte sich teils heftiger Widerstand in der Bevölkerung. Wir haben damals in der Landesregierung beschlossen, dass Windräder nur unter bestimmten Bedingungen aufgestellt werden dürfen, so unter anderem nicht in der Talsohle, in Naturparks und in Landschaftsschutzgebieten oder in Gebieten, in denen die mittlere Jahreswindgeschwindigkeit weniger als 6 m/s beträgt. Mit diesen Richtlinien wollten wir vor allem unterbinden, dass das Landschaftsbild beeinträchtigt wird.
Themenwechsel: Nun scheint festzustehen, dass in der Gemeinde Mals vom 22. August bis zum 5. September über ein Pestizidverbot abgestimmt wird. Als Gesundheitslandesrat sind Sie zum Thema Pestizide zum Teil arg in die Kritik geraten. Wie sehen Sie die Sache als Landesrat für Umwelt? Immerhin ist es Ihre Aufgabe, für eine gesunde Umwelt einzutreten.
Natürlich ist das meine Aufgabe. Meine Position zu diesem Thema hat sich nicht geändert. Es war gut, dass wie eine wissenschaftliche und unabhängige Studie in Auftrag gegeben haben. Außerdem haben wir in der Landesregierung kürzlich auf Vorschlag von Landesrat Arnold Schuler neue Leitlinien für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln genehmigt, die weit über den nationalen Aktionsplan hinausgehen. Was die Volksabstimmung in Mals betrifft, so halte ich wenig von Zurufen und Einmischungen von außen. Auch mir steht das nicht zu. Wenn wir schon alle für die Gemeindeautonomie eintreten, kann jetzt niemand hergehen und die Autonomie der Malser beschneiden. Die Abstimmung soll also stattfinden. Allerdings wird es dann auch Aufgabe der Malser sein, mit dem Ergebnis des Volksentscheides verantwortungsvoll umzugehen.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie von irgendwo oben auf den Vinschger Talkessel schauen und fast nur Apfelwiesen sehen? Im Obervinschgau rückt der Obstbau immer weiter vor.
Alle Medaillen haben zwei Seiten. Auch diese. Der Obstbau ist im Vinschgau der wichtigste Wirtschaftszweig. Tausende Familien leben direkt davon. Indirekt profitieren alle, ich nenne nur das Handwerk, die Bauwirtschaft oder den Handel. Außerdem schafft der Obstbau hochwertige Arbeitsplätze. Wir brauchen nur an die verschiedenen Arbeitsfelder der VI.P zu denken. Andererseits beeinträchtigt die intensive Landwirtschaft natürlich auch die Landschaft und Umwelt. Meiner Meinung nach müsste eine landwirtschaftliche Nutzung im Einklang mit der Natur möglich sein.
Apropos Landschaft: Sie haben schon mehrfach angekündigt, den Gesetzesdschungel in punkto Raumordnung und Landschaftsschutz entwirren und ein einziges, einfaches und klares Gesetz machen zu wollen, das bisherigen Missbräuchen einen Riegel vorschiebt. Wie weit sind Sie mit diesem Gesetz?
Insgesamt gesehen haben wir zwar eine gute gesetzliche Grundlage in diesem Bereich, aber es gibt Dutzende von Ausnahmen zu den Regeln und sogar viele Ausnahmen zu den Ausnahmen. Die Schaffung eines neuen Gesetzes, das die Raumordnung und zugleich auch den Landschaftsschutz regelt, wird sicher zur Schlacht aller Schlachten werden.
Warum?
Weil es in Zukunft zum Beispiel nicht mehr so sein wird, dass das Gesetz auf Druck von starken Verbänden und Lobbys mit Ad-hoc-Bestimmungen laufend abgeändert werden kann. Es darf keine Ausflüchte mehr geben.
Das heißt, dass es solche bisher gab bzw. immer noch gibt?
Ja. Und der Widerstand jener, die ein neues, lesbares und eindeutiges Gesetz scheuen, ist schon jetzt mehr als spürbar.
Wie wollen Sie konkret vorgehen?
Als Erstes werden wir in verschiedenen Bezirken des Landes zu öffentlichen Informations- und Vorstellungsversammlungen einladen, an denen Bürger, Verwalter sowie Interessensgruppen teilnehmen können und sollen. Wir wollen uns anhören, welche Vorstellungen und Vorschläge auf den Tisch kommen. Die Versammlung für den Vinschgau findet übrigens am 11. September in Schlanders statt.
Und was geschieht nachher?
Im Anschluss an die Versammlungen wird die Landesregierung innerhalb 2014 die inhaltlichen Richtlinien festlegen. Gemeinsam mit den Ämtern werden wir in den darauffolgenden Wochen die inhaltlichen Leitlinien vorbereiten, die innerhalb 2014 von der Landesregierung genehmigt werden sollten. Danach wird eine Gruppe beauftragt, bis 2016 einen Gesetzesvorschlag zu erarbeiten, der dann der breiten Öffentlichkeit zur Diskussion unterbreitet wird. Mein Ziel ist, dieses Mammutvorhaben im Jahr 2017 mit der Verabschiedung des neuen Gesetzes im Landtag abzuschließen.
Wie wird garantiert, dass am Ende nicht doch Verbände und Lobbys das Sagen haben?
Ganz einfach: Wenn das Gesetz geschrieben wird, sitzen keine Interessensverbände am Tisch. Zum Glück bin ich selbst von niemandem abhängig und verfüge über ein gewisses Maß an Standfestigkeit.
Was soll mit dem neuen Gesetz erreicht werden?
Die Landschaft ist unser natürliches Kapital. Dieses Kapital soll unter Berücksichtigung der ökologischen, kulturellen und sozialen Aspekte nachhaltig geschützt werden, was einen noch besseren und sparsameren Umgang mit Grund und Boden mit sich bringen wird.
Was lief unter der Regierung Durnwalder besser als jetzt und was schlechter?
Unter der Regierung von Luis Durnwalder wurde sehr viel Gutes für unser Land geleistet. Natürlich gab es auch manche Fehlentscheidungen. Mir liegt es fern, politische Exponenten gegeneinander auszuspielen. Jede Zeit hat andere Herausforderungen. Der Unterschied zwischen Altlandeshauptmann Luis Durnwalder und dem jetzigen Landeshauptmann Arno Kompatscher ist nicht so sehr inhaltlicher Natur, sondern liegt eindeutig in der Form.
Interview: Sepp Laner
Josef Laner