Sepp Noggler: Zuerst in den Stall und dann in den Landtag

„Auch in der B-Liga werden Tore geschossen“

Publiziert in 35 / 2009 - Erschienen am 7. Oktober 2009
Am 26. Oktober 2008 wurde Sepp Noggler, damals noch Bürgermeister von Mals und Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau, in den Landtag gewählt. Im folgenden Interview zieht Noggler eine erste Bilanz. Er erklärt, warum die Mitarbeit in Gesetzgebungskommissionen sehr wichtig ist, wie er sich als „Stromkämpfer“ in Bozen einbringt, warum er kein Rebell ist, wie man auch als einfacher Abgeordneter, der im Vergleich zur regierenden A-Liga nur in der B-Liga mitspielt, Tore ­schießen kann, und warum er es als Kompliment empfindet, wenn ihm die Malser Opposition eine „wundersame Wandlung“ vorwirft. „Der Vinschger“: Herr Noggler, Sie sitzen seit fast genau einem Jahr im Südtiroler Landtag. Als Sie noch Bürgermeister in Mals waren, erledigten Sie am Morgen nicht selten zunächst die Arbeit im Stall und gingen dann in das Rathaus. Kommen auch heute noch zuerst die Kühe an die Reihe und dann der Landtag? Sepp Noggler: So richtig begonnen hat die Arbeit im Landtag erst rund zwei Monate nach der Wahl, sodass wir jetzt erst knapp 10 Arbeitsmonate hinter uns haben. Während meiner Zeit als Bürgermeister war mein Vater noch jünger und verrichtete den Großteil der Arbeiten selbst. Trotzdem habe ich meine Eltern bei der Arbeit in der Landwirtschaft immer unterstützt. Heute ist der Vater über 80. Alleine schafft er die Arbeit nicht mehr, sodass ich am Morgen tatsächlich oft die Stallarbeit verrichte. Als Bürgermeister von Mals und auch als Präsident der Bezirksgemeinschaft Vinschgau wurden Sie oft als „Macher“ bezeichnet, als Mann der Macht. Kann man als einfacher Landtagsabgeordneter im Kreise weiterer 34 Kolleginnen und Kol­legen noch ein „Macher“ sein? Sepp Noggler: Die Arbeit im Landtag ist völlig anders als meine frühere Tätigkeit. Ein „Macher“ war ich übrigens nie. Ich sah mich eher als „primus inter pares“, also als Erster unter Gleichen. Wir haben auf Gemeinde- und auch auf Bezirks­ebene gemeinsam ziemlich viel bewegt und es mag schon sein, dass das dem einen oder anderen zu viel geworden ist. Als Gemeinde- und Bezirksverwalter hat man Verantwortung zu tragen und ist auch einem gewaltigen Druck ausgesetzt. Das Aufgabenfeld als einfacher Abgeordneter im Landtag hat mit Verwaltungstätigkeit nichts zu tun. Ich sehe diese Arbeit eher als Kontrolltätigkeit gegenüber der Landesregierung an. Also stimmt es, dass Sie eine „wundersame Wandlung“ hinter sich haben? Sepp Noggler: Ich würde nicht von „Wandlung“ sprechen, sondern von Lernfähigkeit. Nur Dummköpfe sind nicht lern­fähig. Wenn mir die Malser Opposition vorwirft, dass ich mich im Sinne der Lernfähigkeit verwandelt habe, kann mich das nur ehren. Zusätzlich zu den Arbeiten im Plenum arbeiten Sie auch in zwei Gesetzgebungskommis­sionen mit. Sie sind Vorsitzender der 1. und Mitglied der 2. Gesetzgebungskommission. Die 1. Kommission ist unter anderem für die Bereiche Unterricht, Kultur und Sport zuständig, die 2. für Land- und Forstwirtschaft, Umweltschutz, Raumordnung, öffentliche Gewässer und Energie. Wie wichtig ist die Mitarbeit in diesen Kommissionen? Sepp Noggler: Grundsätzlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Arbeit in den Kommissionen ein sehr wichtiger Auf­gabenbereich eines Abgeordneten darstellt, denn man kann nicht nur Gesetzesvorschläge selbst mit einbringen, sondern diese bereits im Vorfeld so abändern, dass sie Vorteile auf Bezirks- oder Gemeindeebene bringen. Für einen Abgeordneten ist es daher auch ungemein wichtig, auf mindestens eine Verwaltungsperiode auf Gemeindeebene zurückblicken zu können. Gemeinde- und Bezirkverwalter wissen genau, bei welchen Landesgesetzen es wo fehlt. Abgeordnete, die im Vorfeld nie verwaltet haben, schwimmen in vielen Bereichen immer nur an der Oberfläche im Kreis und kommen nie in die Tiefe. Das Thema Energie ist im Vinschgau nach wie vor aktuell. Inwieweit können Sie sich in Bozen als „Vinschger Stromkämpfer“ einbringen? Sepp Noggler: Beispiele dafür gibt es zur Genüge. Das derzeit aktuellste ist die ­Thematik der seit 1964 illegalen Wasserableitungen bezüglich der ­Bäche Marienberg, Arunda und Melz sowie des Haidersees. Die Antwort, die Landesrat Michl ­Laimer zu meiner diesbezüglichen Anfrage gab, ist völlig unzureichend. Es wurde versucht, diese Ableitungen im Zuge eines Omnibusgesetzes im Nachhinhein zu legalisieren, und zwar ohne Umweltplan und ohne Zahlungen an die Ufergemeinden. Ein Passus im Gesetz sieht vor, dass diese Ableitungen ohne Gegenleistung einfach der SELEDISON zugeteilt werden sollen, obwohl der Grauner Bürgermeister ­Albrecht ­Plangger und ich schon seit Jahren dafür eintreten, dass die Ufergemeinden auch in diesem Fall eine Mitbeteiligung bekommen. Sollte sich die Sache zuspitzen, werde ich in der Kommission versuchen, den betreffenden Gesetzespassus zu Fall zu bringen. Beim Thema Energie spielt das Geld offensichtlich die größte Rolle. Sepp Noggler: Natürlich geht es um sehr viel Geld. Was sich schon seit Jahren immer stärker abzeichnet, ist der Umstand, dass nicht nur Gemeinden, sondern auch Private als Strom­produzenten aktiv werden möchten. Die Gemeinden erhoffen sich feste Einnahme­quellen, bei den Privaten, ich denke etwa an Ingenieur- oder Projektierungsgemeinschaften, geht es um das pure Geschäft. Es ist an der Zeit, dass wir wieder zur ursprünglichen Philosophie zurückfinden, mit der wir vor 10 Jahren das ­Vinschger Energie­konsortium VEK gegründet haben. Der Grundgedanke damals war: was können und müssen wir tun, damit die Vinschger Bevölkerung zu einem billigeren Strom kommt? Um dieses Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, wird es in Kürze ein Treffen zwischen den Vinschger Bürgermeistern und dem VEK geben. Um günstigen Strom anbieten zu können, müssen wir an der Produktion beteiligt sein und auch die Verteilung bekommen. Wie sieht es mit der Beteiligung an der so genannten Marteller Konzession aus und wie mit der eigenständigen Stromverteilung im Vonschgau? Sepp Noggler: Bezüglich der Marteller Konzession rechnen wir uns als VEK sehr gute Chancen aus. Die drei ­Gemeinden Martell, Laas und Latsch haben es seinerzeit Gott sei Dank nicht versäumt, sich über das VEK, dem ich als Präsident vorstehe, um die Konzession zu bewerben. Außer dem VEK und der HYDROS (60 Prozent SEL, 40 Prozent EDISON) gibt es keine Bewerber. Wir erwarten uns, dass das Land, das die Konzession vergibt, sich nicht selbst als besten Bewerber beurteilt. Sollte es im Vorfeld der Konzessionsvergabe zu keiner einvernehmlichen Lösung kommen, ist es denkbar, dass das VEK die gesamte Konzession bekommt. Was die Stromverteilung betrifft, so sind wir hart am Ball und gehen davon aus, das Netz auch übernehmen zu können. Zu den großen Unbekannten gehört derzeit noch der Preis des Netzes. Wie ist Ihr derzeitiges Verhältnis zum Energielandesrat Michl Laimer und zur Führungsspitze der Landesenergiegesellschaft SEL? Sepp Noggler: Das Verhältnis zu Landesrat Laimer ist gut, jenes zur SEL-Spitze eher kritisch, wobei zu bedenken ist, dass die SEL-Spitze natürlich politischen Vorgaben verpflichtet ist. Dass die Meinungen zur Energiewirtschaft zwischen uns Vinschgern und der SEL zum Teil stark auseinander gehen, ist kein Geheimnis. Themenwechsel: Sie arbeiten eng mit dem „Rebellen“ Arnold Schuler zusammen. Sind auch Sie ein Rebell? Sepp Noggler: Weder Arnold Schuler noch ich sind Rebellen. Wir machen unsere Wortmeldungen, stehen zu dem, was wir sagen und bevorzugen eine offene, wenn auch kritische Diskussion. Wir sind also ­keine Heckenschützen, die nur im Verborgenen quer schießen, um ja nicht Gefahr zu laufen, ­öffentlich gerügt zu werden. Wir sind überzeugt, dass eine offene Diskussionskultur nicht nur der SVP gut tut, sondern auch im Landtag nicht schadet. Im Malser Gemeinderat war der Fraktionszwang unter ihrem „Szepter“ kein Fremdwort. Wie lebt es sich mit diesem Zwang im Landtag? Sepp Noggler: Fraktionszwang ist das falsche Wort. Wenn schon, muss man von Fraktionsdisziplin reden. Es ist mehr als legitim, dass sich die Mitglieder einer Fraktion im Vorfeld von Abstimmungen absprechen, damit man weiß, woran man ist und welche Mehrheiten zu erwarten sind. An solche Absprachen sollen sich dann auch alle halten. Niemand wird im Landtag gezwungen, so oder so abzustimmen. Das war übrigens auch im Malser Gemeinderat niemals so. Wie ist Ihr Verhältnis zum Vinschger Landesrat Richard ­Theiner? Spielen die Regierenden nicht in einer anderen Liga? Sepp Noggler: Das Verhältnis zu Landesrat Richard Theiner ist sehr gut. Wir sprechen uns bezüglich sämtlicher Vinschger Themen im Vorfeld immer gegenseitig ab und fahren durchwegs die gleiche Linie. Regieren ist natürlich etwas anderes. Wer regiert, trägt Verantwortung und spielt in der A-Liga mit. Das heißt natürlich nicht, dass in der B-Liga nicht auch Fußball gespielt wird. Auch dort können Tore geschossen werden. Was sind die häufigsten Probleme, die Ihnen bei den Sprechstunden im Vinschgau zu den Ohren kommen? Sepp Noggler: Es ist zurzeit so, dass ich mich um relativ viele Anliegen zu kümmern habe. Ich fahre stets mit einem Sack voller Zettel nach Bozen und versuche, die Probleme nach und nach abzuarbeiten, wobei ich sagen darf, dass der Erfolg nicht ausbleibt. Um urbanistische Fragen geht es ebenso wie um Anliegen im Landschaftsschutz, im Beitragswesen und anderen Bereichen. Stichwort Politikergehälter: Große Versprechen vor der Wahl, Funkstille nachher. Ändert sich wirklich nichts? Sepp Noggler: Aktuell ist das Thema natürlich nach wie vor, und zwar für alle ­Parteien. Wenn es um die eigenen ­Moneten geht, werden die Fühler weit ausgestreckt. Grundsätzlich möchte ich zu diesem Thema festhalten, dass auch beträchtliche Abzüge anfallen: Ab­gaben an die Partei sowie an die Stände, Spesen und im Falle der SVP-Abgeordneten seit dem Frühjahr 2009 zusätzlich noch 600 Euro monatlich an Spenden. Auch die Wahlkampfkosten müssen irgendwo berücksichtigt werden. Trotz aller Abzüge ist das Gehalt aber noch hoch genug, sodass eine Reduzierung auch angebracht ist. Würde jedoch auf allen Ebenen gekürzt und nicht nur beim Präsidium und Landesregierung, sondern auch die Fraktionsgelder, wetten, dass die Freiheitlichen und andere Oppositionsparteien damit nicht einverstanden wären? Können Sie aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrung im Landtag bestätigen, dass der Zusammenhalt in anderen Landesteilen stärker ist als in Ihrem Tal? Sepp Noggler: Nein, eher das Gegenteil ist der Fall. Während meiner Zeit als Bürgermeister habe ich die Erfahrung gemacht, dass der Zusammenhalt im Vinschgau stärker ist als in anderen Bezirken. Die Bürger im Vinschgau sind eher kritisch, aber das werte ich als durchaus positiv. Etliche Ihrer ehemaligen Bürgermeisterkollegen im Vinschgau dürfen aufgrund der Mandatsbeschränkung im Frühjahr 2010 nicht mehr als Bürgermeisterkandidaten antreten. Besteht die Gefahr, dass der Zusammenhalt im Tal dadurch Schaden nimmt? Sepp Noggler: Die Zusammenarbeit war über all die ­Jahre hinweg tatsächlich sehr gut. Mit dazu beigetragen haben sicher auch die regelmäßigen Treffen aller Bürgermeister. Ich hoffe, dass sich der Zusammenhalt nach den Neuwahlen neu formiert und so stark wird wie jetzt. Was sind in Ihren Augen die wichtigsten Anliegen, die es im Vinschgau in nächster Zukunft zu verfolgen gilt? Sepp Noggler: Das zentralste Thema ist natürlich jenes der Energie. Weiters gibt es An­liegen im Schulsektor wie etwa die Schaffung einer Schülerheimstruktur in Mals oder die Erweiterung der Gewerbeoberschule in Schlanders. Im Verkehrswesen bleibt die Umfahrung Kastelbell erste Priorität. Was versprechen Sie sich von der Tagung „Energieautarker Vinschgau“, die am 24. Oktober in Prad stattfindet? Sepp Noggler: Das Thema dieser Tagung spiegelt genau die Philosophie wider, der wir uns bei der Gründung des VEK verschrieben haben. Wir möchten in unserer Heimatregion soviel an erneuerbarer Energie erzeugen, wie wir in unserem Tal brauchen. Wir möchten diese Energie auch selbst an die Bevölkerung verteilen und zwar möglichst günstig. Interview: Sepp Laner
Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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