Nach der Flucht
Arbeiten und ein ganz normales Leben führen: Viele Flüchtlinge wünschen sich nicht mehr als das.

„Arbeiten. Wohnung. Asyl.“

Publiziert in 15 / 2016 - Erschienen am 20. April 2016
Im September kamen sie nach Mals. Flüchtlinge aus Afrika. Arbeit, Integration oder Abschied: Vieles hat sich im „Haus Ruben“ getan. Mals - „Es ist gut, etwas zu tun. Es ist besser, als den ganzen Tag daheim rumzuhängen. Die Arbeit gefällt mir. Ich hoffe, dass es so weiter geht“. Dies erzählt Sarjo. Sarjo ist 20, stammt aus Gambia. Mit „daheim“ meint er die Flüchtlingsunterkunft „Haus Ruben“ in Mals. Rund 40 Asylbewerber leben hier seit September. Es sind meist christliche Flüchtlinge aus Nigeria, Namibia, Ghana und anderen west- sowie zentralafrikanischen Staaten, die im alten Martinsheim ihr Zuhause gefunden haben. Doch, es ist ein Zuhause auf Zeit. Wie lange Sarjo noch hier sein wird, entscheidet sich demnächst. Flüchtlinge waren in Verona Vieles hat sich nämlich in den vergangenen Wochen in Mals getan. Erst kürzlich waren die ersten der in Mals untergebrachten Flüchtlinge in Verona. Dort prüft derzeit eine entsprechende staatliche Kommission, ob sie ein Recht darauf haben, Asyl zu bekommen. Dabei erzählen die Flüchtlinge ihre Geschichte. Nach einigen Wochen bekommen sie den Bescheid. Asyl oder nicht. Für einige „Haus Ruben“-Bewohner entscheidet sich dies bereits mit Ende April. Sie hoffen, dass es nicht auch das Ende ihres ­Vinschgau-Aufenthalts bedeutet. Bereits erlernte Sprachbrocken, Arbeit, die motivierte Tätigkeit in Vereinen - dies alles fließt im Entschluss der Kommission nicht wesentlich mit ein. In erster ­Linie zählt einzig und allein der Fluchtgrund, und, ob die Flüchtlinge in ihrem Heimatland einer realen Gefahr ausgesetzt sind, oder eben nicht. Dennoch könnte der Wille zur gelungenen Integration die Kommission beeinflussen. Dann hätte so mancher „Malser“ gute Karten. „Sie sind sehr engagiert. Einige haben eine regelmäßige Arbeit gefunden. Hier im Haus werden Deutsch und Italienisch-Kurse angeboten“, lobt Caritas-Mitarbeiter Philipp Tappeiner. „Froh, eine Beschäftigung zu haben“ Einen Job hat auch Sarjo gefunden. „Ich arbeite seit Anfang April in einem Malser Hotel. Ich helfe in der Küche aus, wasche die Teller, schneide Obst und Gemüse“, erzählt er stolz. Überhaupt gilt der 20-Jährige aus Gambia als Musterbeispiel an Integration. Der begnadete Fußballer trainiert regelmäßig beim Malser Sportverein und schaffte den Sprung in die Kampfmannschaft, die derzeit in der ersten Amateurliga um den Klassenerhalt kämpft. „Wir sind ein tolles Team. Das Training macht Spaß“, erzählt er. Von ­Libyen kam Sarjo im vergangenen Jahr nach Italien. Über das Mittelmeer. Darüber zu reden fällt ihm, im Gegensatz zu anderen, nicht schwer. „Es war eine ­sichere Überfahrt, ich war auf einem sicheren Schiff“, blickt er heute zurück. Für die Zukunft hat er nicht viele Wünsche. Der größte Wunsch wäre es, in Südtirol zu bleiben. Am besten im Vinschgau. Seine Ziele? „Arbeiten. Wohnen. Asyl bekommen“. Auf Asyl hofft auch David aus Nigeria. Seit kurzem arbeitet der 20-Jährige in einem Restaurant in Mals. „Ich bin froh, eine Beschäftigung zu haben. Das braucht der Mensch“, betont er. Ohnehin ist der junge Nigerianer dankbar. Dankbar für die Chance auf ein besseres Leben. Seine Überfahrt, von Libyen nach Sizilien, sei nämlich der Horror gewesen. „Angst, ich hatte viel Angst“, so der Geflüchtete, der in Nigeria kaum eine Chance auf eine bessere Zukunft sieht. Viele Betriebe offen für Flüchtlinge Den Flüchtlingen Chancen zu geben und ihnen zu helfen: Das hat sich unter anderem Beatrice Nart auf die Fahnen geschrieben. Die Glurnserin ist eine von rund 30 Freiwilligen, die regelmäßig ins „Haus Ruben“ kommt. Ihre Aufgabe? „Von Seelentrösterin bis hin zu Behördengängen, es gibt viel zu tun“, zeigt sie sich motiviert. Auch die pensionierte Lehrerin Veronika Fliri besucht regelmäßig die Flüchtlingsunterkunft. „Wir versuchen, etwas Abwechslung in das Leben der Menschen hier zu bringen“, so die Beiden. Neben Schulunterricht werden Ausflüge und Spieletage organisiert. Nicht zuletzt helfen die Freiwilligen durch Kontakte bei der Arbeitsvermittlung. „Wir versuchen vieles, um die Flüchtlinge irgendwo unterzubringen. Die meisten Betriebe der Umgebung sind dafür offen“, so Nart. Derzeit bieten sich vor allem saisonbedingte Arbeiten im Gastgewerbe an. Einer bezahlten und ordentlichen Arbeit können Flüchtlinge nämlich laut aktuellen Gesetzen ab 60 Tagen nach Asylantragstellung nachgehen. Auf Arbeit hofft Eddy derweil noch. Der 25-Jährige aus Nigeria befindet sich seit September im „Haus Ruben“. Er hofft, in den nächsten Wochen Klarheit zu bekommen. Klarheit in Sachen Asyl. „Aber man muss immer positiv denken“, zeigt sich der Flüchtling zuversichtlich. Einzelne verließen Einrichtung Der Großteil der rund 40 Haus-Bewohner befindet sich seit September in der Unterkunft. In Mals fühlen sie sich sicher, hier wurden sie von der Bevölkerung freundlich aufgenommen. Die meisten sind sich einig, hier, bzw. zumindest in Südtirol, wollen sie bleiben. Hier wollen sie arbeiten, vielleicht mal eine Familie gründen. Zurück in ihre alte Heimat wollen sie nicht, denn dort stehen islamistischer Terror, korrupte Systeme sowie ständige Konflikte und Armut mittlerweile auf der Tagesordnung. Für die Hilfe, die sie durch die Caritas und das „Haus Ruben“ bekommen, sind sie dankbar. Das schätzen die Flüchtlinge. Einzelne „Abbrüche“ gab es jedoch bereits, sprich, einzelne Flüchtlinge verließen die Einrichtung und den Vinschgau aus Eigeninitiative. „Die Leute haben natürlich die Möglichkeiten alles selbst zu erledigen. Niemand ist gezwungen im Haus zu bleiben und Hilfe anzunehmen. Jedoch haben bisher nur einzelne das Projekt abgebrochen“, bestätigen die Caritas-Mitarbeiter. Hoffen auf Asylbescheid Eines steht jedenfalls fest: Egal ob in Eigenregie, im „Haus Ruben“ oder anderen Flüchtlingsunterkünften des Landes. Die Menschen hoffen vor allem auf einen positiven Asylbescheid und den Start in ein neues Leben. Noch herrscht Ungewissheit. Ungewissheit über die eigene Zukunft, und die gleichzeitige Hoffnung auf eine Zukunft in Südtirol. Die Hoffnung auf „Arbeiten, Wohnung und Asyl“. MICHAEL ANDRES
Michael Andres
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Vinschger Sonderausgabe

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