Wer hat noch Zeit?
Viele laufen schnurstracks über den Zebrastreifen. Für manche Menschen aber, vor allem für nicht mehr ganz junge, kann es zu einem gar nicht leichten Unterfangen werden, vor Autos, Motorrädern, fahrenden „Wohnhäusern“ oder gar Lastkraftwagen von einer Seite der Straße auf die andere zu kommen. Und zurück muss man ja auch noch. Wer aufgrund der Jahre, die auf den Beinen lasten, wegen einer Geh- oder Sehbehinderung oder aus anderen Gründen mit der Geschwindigkeit der großen Mehrheit bei bestem Willen nur mehr schwer mithalten kann, läuft mitunter Gefahr, buchstäblich überrannt oder überfahren zu werden. Die Gefahr wächst proportional mit der Eile, die fast alle haben. Manchen geht es schon auf die Socken, wenn die Verkäuferin in der Bäckerei mit einer Kundin drei Worte wechselt, magari über das Wetter: Schon wieder ein paar Minuten futsch. Von Traktoren, die auf der Straße vor einem dahinkriechen, wollen wir erst gar nicht reden: Kann der zum Teufel noch Mal nicht ganz rechts fahren, sodass ich vorbeikomme? Und was haben die Radfahrer hier zu suchen? Warum fahren sie nicht auf dem Radweg? Szenen, die uns aus der schnellen Bobbahn des Alltags werfen, gibt es viele und immer mehr. Wir lassen uns beschleunigen und beschleunigen zugleich selbst. Geduld ist ein Fremdwort. Jemanden fragen, wie es ihm geht, oder zumindest versuchen zu verstehen, warum er „langsamer“ geworden ist, kostet Zeit, aber wer hat heutzutage noch Zeit?