Es verrennt nichts
Punkt für Punkt hakt er vor dem Einschlafen das Programm des Tages ab: Hat er alles getan, was er sich vorgenommen hatte? Ja, es lief fast alles glatt. Nur den Einschreibebrief bei der Post hat er nicht abgeholt. Was wird das wohl sein? Eine Strafe? Wo und wann könnte er zu schnell gefahren sein? Und wenn es etwas Gerichtliches ist? Auch solche Sachen kommen immer in einem grünen Umschlag. Grün wird der Umschlag sicher sein. Wie beim letzten Mal. Aber was soll’s, morgen in der Früh wird er schon aus dem Wunder kommen. Vergiss es einfach und schlaf jetzt ein. Das will aber nicht klappen, denn im Kopf taucht eine neue Liste auf. Die Sachen, die morgen zu erledigen sind. Eine ziemlich lange „Tagesordnung“. Er geht sie im Kopf durch, bleibt bei manchen Punkten stecken und ist bald wieder hellwach. Da kann er doch gleich das Licht anmachen und etwas essen. Gesagt, getan. Nur der Schlaf will jetzt nicht mehr kommen. Dass morgen kein guter Tag wird, wenn ihn Morpheus, der Gott der Träume, jetzt nicht rasch holt, weiß er nur zu gut. Anstatt Schafe zu zählen, „weidet“ er zurück in die Vergangenheit. Menschen tauchen auf, Daten und Bilder. Was ist wirklich wichtig? Was zählt? Was bleibt übrig? Plötzlich unwichtig kommen ihm Dinge vor, denen er seit Jahren nachrennt. Andere Sachen aber, die vielleicht wirklich zählen, gingen im ganzen Gerenne unter. Vielleicht ist das der Sinn der Redewendung: Nimm dir Zeit, es verrennt nichts.