Mit dem Motorrad in den Iran
Das große Abenteuer von Manuel Gluderer
Zu Gast bei Nomaden in den Bergen von Armenien. „Desto weniger sie selbst hatten, desto mehr gaben sie“, erzählt Gluderer.
Der mittlerweile verstorbene Eugene und seine Schwester auf Besuch in Goldrain.
Die Iranerin und der Goldrainer beim Marmor- und Marillenfest in Laas.
Manuel Gluderer und sein Motorrad im Kaukasus.

Von Goldrain bis in den Iran

Acht Monate, 25 Länder, über 30.000 Kilometer mit dem Motorrad

Publiziert in 38 / 2019 - Erschienen am 5. November 2019

GOLDRAIN - Spricht man mit dem 35-jährigen Goldrainer Manuel Gluderer, dann merkt man schnell: Er hat die Abenteuerlust im Blut. Das Reisen ist für ihn eine Leidenschaft. Seit jeher. Vor rund zehn Jahren unternahm er seine erste große Reise. Gluderer, der beim heimischen Betrieb im Goldrainer Kräuterschlössl arbeitet, machte sich 2009 für sechs Monate auf den Weg nach Australien – mit Rucksack ohne Ziel und ohne Plan. Es war der Start einer langen Reise und zeitgleich die Geburt einer Idee. Der Idee eines ganz besonderen Abenteuers. 
Aber der Reihe nach: Aus einer zufälligen Begegnung in Australien wurde eine Freundschaft. „In den Weiten des Landes sah ich einen Mann mit einem leeren Benzinkanister an der Straße stehen. Ich nahm ihn mit bis zur nächsten Tanke“, erinnert sich der Landwirt. Nach einem kurzen Smalltalk betonte jener Mann, ein Australier namens Eugene, Gluderer in seinem Kräuterschlössl besuchen zu wollen. Und er machte seine Ankündigung wahr. 

Wiedersehen in Goldrain

Aus einem ersten Wiedersehen in Goldrain wurden regelmäßige, fast alljährliche Besuche. Eine Idee nahm immer und immer mehr Form an. „Er wollte die Arbeit mit Kräutern am Hof erlernen, ich wollte mir die Welt ansehen“, erklärt Gluderer. Der Plan von Eugene sei es gewesen, ein Jahr am Hof in Goldrain mitzuarbeiten, um später in Australien selbst ein solches Projekt auf die Beine zu stellen. In diesem Zeitraum hätte Gluderer die Welt erkundet. Doch daraus wurde nichts. Im Dezember 2016 erreichte den Goldrainer die schreckliche Nachricht. „Eugene wurde tot in seiner Wohnung in New York aufgefunden. Er war nicht einmal 40 Jahre alt“, erzählt er. Eines stand zu diesem Zeitpunkt jedoch sofort fest: „Meine Reise sollte dennoch stattfinden. Eine Reise für uns zwei“. So machte er sich im Jänner 2017 auf den Weg. „Und aus einem Traum wurden acht Monate, 30.000 Kilometer und 25 Länder mit den schönsten Erlebnissen und Geschichten, die man nicht besser hätte schreiben können“, betont der Abenteurer. 

Ohne Vorbereitung 

Mit seiner Maschine, einer rund 30-jährigen Honda Africa Twin, machte sich Gluderer erst auf den Weg von Goldrain über Genua, die französische Cote d’Azur, über Andorra, weiter die spanische Küste entlang, quer durch Portugal und Frankreich und schließlich über die Schweiz wieder zurück nach Goldrain. Rechtzeitig zu Großvaters 90. Geburtstag am 14. Februar war er wieder daheim – vorerst. Denn, es sollte nur ein Zwischenstopp werden. „Es ging darum zu sehen, ob die Maschine hält und Umbauten gemacht werden müssen. Ich habe einige Teile gewechselt und weiter ging es“, erzählt der 35-Jährige. Die richtige Reise sollte nun beginnen. Durch Österreich ging es den Balkan entlang. Vor allem an der Küste war er dabei unterwegs, aber auch Fahrten durchs Landesinnere durften nicht fehlen. So blieben freilich kuriose Erlebnisse nicht aus. „Ich habe viel auf der Reise selbst gelernt. Vorbereitet habe ich mich eigentlich gar nicht“, erzählt Gluderer. So wurde ihm erst bei der Einreise in den Kosovo bewusst, dass er diesen nur über die serbische Grenze problemlos passieren könne. „Ein Geschichtsignorant wie ich bin, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht mal, dass der Kosovo ein eigener Staat ist“, lacht Gluderer. 

Durch Krisengebiete in den Iran

Weiter ging es bergauf und bergab bis nach Griechenland. Dann nach Bulgarien und Rumänien und anschließend die Küste des Schwarzen Meeres entlang durch die Türkei bis nach Georgien, hinauf bis zur russischen Grenze, in den Kaukasus. „Mitten in der georgischen Einöde ging die Kupplung des Motorrads kaputt“, schildert Gluderer. Ein Mechaniker? Weit und breit nicht in Sicht. Ein Einheimischer verstaute das Motorrad schließlich in seinem Pkw und machte sich mit Gluderer auf den Weg in die Hauptstadt Tiflis. Für die Strecke von rund 1.000 Kilometer habe der Einheimische gerade mal 100 Euro verlangt und sich über den „Geldsegen“ gefreut. Von Tiflis ging es weiter nach Armenien. Von dort wollte der Goldrainer über Aserbeidschan in den Iran. 
Ein direkter Grenzübertritt von Armenien nach Aserbeidschan und umgekehrt sei aufgrund der anhaltenden Konflikte jedoch nicht möglich gewesen. „Die Staaten hassen sich. Man merkte, dass hier Krisengebiete sind und es herrschte ein sehr angespanntes Klima. Ich musste zurück nach Georgien, um von dort über Aserbeidschan in den Iran zu gelangen“, erzählt er. 

Ehe auf Zeit

Im Iran, genauer gesagt in Lahidschan, einer 94.000 Einwohner-Stadt im Nordwesten des Landes, verweilte er rund zwei Wochen mit Goodarz, einem Iraner, den er auf der Reise kennenlernte. Einige Unternehmungen später musste er feststellen, dass sie immer nur in gleichgeschlechtlicher Gesellschaft waren. „Da drängte sich natürlich die Frage auf, wie sie überhaupt die Möglichkeit haben, Frauen kennen zu lernen“, sagt der Goldrainer. Einige Erklärungen und ein kurzes Telefonat später wurde ihm seine heutige Lebensgefährtin, Paria, vorgestellt. „Es hat auf Anhieb gefunkt“, erinnert sich Gluderer. Ende August 2017 endete seine Reise nach über acht Monaten. Mit dem Flugzeug und seinem Motorrad im Gepäck ging es schweren Herzens von Teheran zurück nach Mailand. Im Jänner 2019 dann für weitere zwei Monate die Rückkehr in den Iran, der Liebe wegen. Mit Paria ging er eine Hochzeit auf Zeit ein. „Ein Mullah verheiratete uns ganz unproblematisch – für drei Monate“, erklärt der Goldrainer. Zeitehen seien im Iran beliebt, weil sonst das offizielle Ausleben einer Partnerschaft unter Strafe steht. Heute lebt Paria bei Gluderer im Kräuterschlössl. 

Viele Schlüsselmomente 

Wenn Manuel Gluderer von seiner Reise erzählt, Foto- und Videoaufnahmen zeigt, wird er nostalgisch. „Es war einzigartig“, sagt er. Mit vielen Menschen, die er auf seiner Reise getroffen hat, sei er heute noch in Kontakt. „Die Gastfreundschaft in den verschiedenen Ländern war überwältigend und allgegenwärtige Vorurteile gegenüber anderen Nationalitäten oder Religionen schnell entkräftet“, bringt er es auf den Punkt. Viele Schlüsselmomente habe er auf dieser Reise erlebt. Auch Anekdoten hätte er freilich noch reichlich zu erzählen. „Das würde für ein ganzes Buch reichen“, lacht Gluderer. 
Tagelange Einsamkeit in den Bergregionen, gefolgt von Feierlichkeiten mit Einheimischen in Bergdörfern oder Umtrunke mit Grenzsoldaten. Gefahrensituationen habe er auf seiner Reise so gut wie nie erlebt. „Als ich an der Grenze zum Iran übernachten wollte, hieß es, hier sei aufgrund der vielen Kriminellen Vorsicht geboten“, erinnert sich der Goldrainer. Dennoch habe er dort an einem Feldweg, wie unzählige Male zuvor, übernachtet. „In der Nacht wurde ich jedoch von Wölfen oder Wolfshunden umzingelt, das war schon ein ungutes Gefühl“, erzählt er. 
Einheimische hätten jedoch mehrmals in der Nacht nach dem Rechten gesehen, ihm Tee und Kekse gebracht, ohne auch nur annähernd ein Wort in der gleichen Sprache zu sprechen. Die Tiere konnten schließlich vertrieben werden. „Kriminalität und Menschen waren ohnehin eigentlich nie ein Problem auf der Reise“, betont der Abenteurer. 

Mit dem Jeep nach Kurdistan

Seine nächste Reise habe er bereits geplant. „Aber auch dieses Mal wird nix Konkretes geplant“, so Gluderer. Im Jänner und Februar 2020 geht es zurück in den Iran. Dort habe er auf seiner letzten Reise einen Jeep gekauft. Mit diesem wolle er durch den Iran nach Turkmenistan, durch besetzte Gebiete in Armenien und Aserbeidschan bis nach Kurdistan im Norden des Irak. „Das wird spannend“, weiß er schon jetzt. Ohnehin seien Jänner und Februar seit jeher für Reisen reserviert. Über sein Abenteuer mit dem Motorrad hat Gluderer übrigens kürzlich im Rahmen der Meraner Veranstaltungsreihe „On the road again 2019“ berichtet. Dafür wurde er vom Publikum mit Bestnoten belohnt und erhielt den zweiten Gigi-Bortoli-Publikumspreis.

Michael Andres
Michael Andres
Vinschger Sonderausgabe

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