Unsere zweite Haut

Publiziert in 4 / 2017 - Erschienen am 8. Februar 2017
Werner Schönthaler hat sich dem Hanf verschrieben. Tschengls - Die Geschwindigkeit, mit der wir unsere zweite Haut wechseln, wird immer schneller und die gelben Säcke der Caritas werden immer mehr und immer voller. Diesem Trend stellen sich aber auch immer mehr Menschen entgegen, indem sie beim Kauf von Textilien wachsamer und genauer vorgehen. Jemand, der sich ganz persönlich und mit viel Einsatz gegen die Wegwerf-Kleidung stemmt, ist Werner Schönthaler und viele seiner Freunde. Es hat ihn unter anderem gestört, dass pro Jahr rund 150 Tonnen Süd­tiroler Schafwolle zum Müll geworfen werden. Ein kleiner Teil davon wird nun in der Sozialgenossenschaft Bergauf im Ultental verarbeitet. Nun hat er sich einer ganz besonderen Pflanze verschrieben: Hanf. Hanf ist eine ganz besondere Pflanze Ein Viertel der weltweit ausgesprühten Pestizide wird für den Anbau der Baumwolle verwendet, für die Gewinnung von einem Kilogramm Baumwolle werden rund 11.000 Liter Wasser verbraucht. Kunstfasern sind in der Produktion höchst giftig und zudem für allerlei Allergien verantwortlich. Beim Waschen und bei der Entsorgung von Kunstfasern lösen sich Mikropartikel, die dann in den Wasserkreislauf kommen und zuletzt über die Nahrung zurück in unseren Körper gelangen. So wurde z. B. in einer Studie nachgewiesen, dass ca. 95% der Österreicher Plastikpartikel im Blut haben! Es ist auch bekannt, dass im Produktionsprozess vor allem im asiatischen Raum häufig auf eine Art Sklaverei der Ärmsten der Armen zurückgegriffen wird, da nur so die Schleuderpreise und die hohen Gewinne einiger Weniger möglich sind. „Für all dies sind wir mitverantwortlich, wenn wir solche Textilien kaufen“, so Schönthaler. Noch wenig Sensibilität bei Textilien Italien war einst die Nr. 1 in der Textilproduktion. Überall hört man in letzter Zeit von Nach­haltigkeit sprechen, bei den Textilien herrscht bis jetzt jedoch noch wenig Sensibilität. Hanf wächst praktisch überall, er hat eine eigene traditionsreiche Geschichte als die stärkste Pflanzenfaser, ohne die Kolumbus keine Schiffstaue und Segel gehabt hätte. Besonders gut gedeiht der Hanf auch in Südtirol. Hanf habe im Gegensatz zur Baumwolle auch die Fähigkeit, Flüssigkeiten wie etwa den Schweiß schnell aufzunehmen und auch schnell wieder abzugeben. Hanf sei daher so wie auch die Wolle in starkem Maße antibakteriell und selbstreinigend, verschmutzt so weniger und langsamer, und ist für unsere Gesundheit zuträglicher. „Das Rohmaterial ist fast gratis“ Werner Schönthaler lässt es nicht bei der Theorie bleiben, er experimentiert praktisch und erfolgreich selbst mit der Pflanzenfaser aus Hanf. „Das Rohmaterial ist fast gratis: mit ca. 3 m² Feld lässt sich 1 m² Stoff erzeugen. Die dazu notwendigen Werkzeuge sind altbekannt, einfach und leicht zu bedienen, man braucht nur Zeit. Kein Geld! Jeden Abend 1 bis 2 Stunden spinnen ergäbe ca. alle 3 Monate eine Jacke“, so Werner Schönthaler. Überdies seien das Arbeiten mit Naturfasern und das Spinnen sehr beruhigend, meditativ und soziale Bindungen stärkend, da diese Tätigkeiten besonders in einer kleinen Gemeinschaft schön seien. An seinem Hof oberhalb von Tschengls hat Schönthaler eine Reihe von Praktikanten und Praktikantinnen aus dem international anerkannten WWOOFing-Programm jeweils für einige Monate zu Gast, die den Umgang mit dieser Naturfaser bereits kennen oder verbessern wollen. „Schnauze voll von Industrieware“ So war im Spätherbst noch Talia aus den USA auf Tschengls anzutreffen, die gekonnt mit der Verarbeitung von Hanffasern umging. Talia ist Studentin für ­Textildesign und hatte, wie sie selbst meinte „die Schnauze voll von der Industrieware“. Werner und Talia rufen dazu auf, zur Verwendung natürlicher Rohstoffe, wie Wolle, Leder und Hanf zurückzu­kehren, weg von giftigen Farben und kurzlebigen, ungesunden Wegwerf-Textilien. Friedrich Haring Talia Connelly Trotz ihres jugendlichen Alters kann die ausgebildete Fashion Designerin auf eine ganze Reihe von beruflichen Erfahrungen, Beteiligungen an internationalen Modewettbewerben sowie der Mitwirkung an verschiedensten internationalen Projekten hinweisen, die sowohl mit Design als auch mit sozialen Zielsetzungen in Verbindung stehen. Nach Tschengls kam Talia Connelly über das World Wide Opportunities on Organic Farms (WWOOF). Sie widmete sich dort der Verarbeitung von Hanffasern und lernte in diesem Zusammenhang eine Reihe von Initiativen zur innovativen Verarbeitung von natürlichen Textilien kennen (www.taliaconnelly.com).
Friedrich Haring
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Vinschger Sonderausgabe

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