Lichtenberg (links) gegen Naturns III; im Vordergrund Reinhold Ziernhöld gegen André Christanell (rechts)

Die verflixte 7. Runde der Schachmeisterschaft

Publiziert in 5 / 2013 - Erschienen am 13. Februar 2013
Der 7. Spieltag der 44. Landesmeisterschaft wird den Naturnser Schach-Recken noch lange in Erinnerung bleiben. Naturns - Martin Luther King‘s Spruch „Ich habe einen Traum“ ist hinlänglich bekannt. Bis 16.00 Uhr am Samstag, 19. Jänner durften gleich vier Naturnser Schachmannschaften nicht nur träumen, sondern sich sogar konkrete Hoffnungen machen. Die einen, endlich in der Ehrentafel der Landesmeister aufzuscheinen, die anderen, in der höchsten Spielklasse zu verbleiben, die dritten, als Meister in die nächst höhere Spielklasse aufzusteigen, und die vierten, Brettpunkte zu sammeln und eine weitere Begegnung siegreich zu beenden. Bei Einbruch der Dunkelheit dieses 7. Spieltages der 44. Landesmeisterschaft waren die Träume zwar noch nicht geplatzt, aber es machte sich bei zwei der vier Mannschaften die Erkenntnis breit, dass auch im Denksport Schach das Glück verschlungene Wege geht. Als Spitzenreiter mit zwei Punkten Vorsprung war Spielführer Hans Unterthurner in der höchsten Liga gegen eine Bozner Mannschaft angetreten, die im unteren Mittelfeld herumkrebste. Mit einem Remis, also einer Punkteteilung, mussten er und seine fünf Mitstreiter ernüchtert die Heimreise antreten. Der winzige Punkt Vorsprung konnte die Naturnser Spitzenmannschaft am 8. Spieltag zwar gegen das Schlusslicht Lask Bozen II mit 5:1 problemlos halten. Schwieriger wird es in der 9. Runde gegen Brixen/Milland oder in der 10. Begegnung gegen den SK Gries. Noch höllischer aufpassen müssen die Naturnser gegen Kaltern/Tramin in der Schlussrunde. Jeder Ausrutscher wäre fatal; auch nur eine Punkteteilung ist in der dünnen Luft der Spitzenmannschaften ein Ausrutscher. Die erfreuliche Ausnahme an diesem 7. Schicksalstag war Naturns II. Spielführer Thomas Gurschler und seine Mannen schafften in der höchsten Spielklasse gegen Brixen/Milland eine kleine Sensation und konnten einen wertvollen Punkt gegen den Abstieg verbuchen. Erstens kommt es anders.... Ebenfalls als Spitzenreiter war Naturns III in die 7. Runde gegangen. Der Gegner kam diesmal aus dem nordwestlichen Vinschgau. Es war ein richtiges Vinschger Derby. Es erinnerte an die Einleitung bei „Asterix und Obelix“: Lichtenberg, das kleine Dorf im Nordwesten, gegen das große Naturns im Südosten. Mannschaftsführer Toni Christanell, seines Zeichens nicht nur Präsident der Naturnser, sondern auch Schachbundvizepräsident, sah der Aufgabe gelassen entgegen. Man hatte am Spieltag zuvor den starken Algundern ein Unentschieden abgezwackt und man vertraute auch ein wenig auf die „Papierform“, also auf die ELO-Punkte. Vereinfacht erklärt: Der ungarische Meister Arpad Elo hatte ein Berechnungssystem erfunden, nach dem immer dann das persönliche Punktekonto anstieg, wenn ein höher eingestufter Spieler besiegt worden war. Der Naturnser André Christanell saß auf Brett 1 mit 1.559 Punkten Reinhold Ziernhöld mit 1.547 Punkten gegenüber. Markus Gurschler aus Staben konnte 1.567 gegen 1.565 von Reinhold Schöpf aufweisen. Wolfgang Wielander aus Schlanders war mit 1.416 der am schwächsten dotierte Naturnser und hatte mit Fabian Schöpf und seinen 1.452 ELO-Punkten als einziger einen etwas höher eingestuften Gegner vor sich. Präsident Toni Christanell hatte 231 Punkte mehr als Jürgen Rieger auf dem Konto. Auch Ferdinand Gunsch aus Lichtenberg lag mit 1.396 Punkten um 128 Punkte hinter seinem Gegenüber, Markus Ilmer aus Algund. Demnach hätte Naturns mit 4:1 siegen müssen, im schlimmsten Fall mit 3 1/2 zu 1 1/2 Punkten. Es kam aber ganz anders. Die Lichtenberger waren in Tageshochform. Oder war es der Zaubertrank eines Obervinschger Druiden? Lichtenberg im Spielrausch Als Gäste hatten die Lichtenberger den minimalen Vorteil, auf drei der fünf Bretter mit Weiß zu spielen. Schwarz darf als Nachziehender laut Schachbrevier erst dann auf ein Remis hoffen, wenn der anziehende Weiße seine erste Schwäche zeigt. An einen Sieg sei erst zu denken, wenn der Gegner einen weiteren Fehler macht. Reinhold Ziernhöld und Reinhold Schöpf haben brav verteidigt und die Gegner sind ihnen entgegen gekommen. Nach 50 Minuten seiner Bedenkzeit - Ziernhöld hatte erst 17 Minuten der ihm zustehenden 120 verbraucht - musste André Christanell seinem Onkel Toni zuflüstern: „Ich habe geopfert und mich verrechnet“. Übersetzt heißt das meistens, man hat mit einer wertvolleren Figur - in der frühen Phase einer Partie Läufer oder Springer - einen Bauern geschlagen. Es geht meistens um freie Linien und um Bedrohungen, über die man entweder die Qualität mit Positionsvorteil zurück erhält oder einen Angriff auf den gegnerischen König einleiten kann. Nach wenigen Stunden stand der Naturnser Supergau im Unteren Vinschgau fest. Lichtenberg fegte Naturns III mit 4,5 zu 0,5 Punkten vom Brett. Spielleiter Toni Christanell konnte sich als einziger gerade noch retten. Die Chance auf den Aufstieg war verpasst. Seine Mannschaft wird sich mit den 3. Platz abfinden müssen. Weil im selben Raum gleichzeitig Naturns IV vom Mitfavoriten Algund mit 5:0 abgefertigt worden war, hätte an diesem Abend die Naturnser Schachfahne auf Halbmast gesetzt werden müssen. Günther Schöpf
Günther Schöpf
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