Der neue Bestatter

Publiziert in 22 / 2008 - Erschienen am 11. Juni 2008
In Naturns gibt es seit Ende letzten Jahres einen neuen Bestatter. Da er ein Quereinsteiger ist, zudem eine Ausbildung im theologischen Bereich besitzt und das Thema Tod vielleicht ein wenig mit anderen Augen sieht als manch anderer Bestatter, wollen wir nachfragen, woher er kommt, welche Vorstellungen er hat, was er anders macht und warum er diesen Beruf gewählt hat. „Der Vinschger“: Warum haben Sie diesen Beruf gewählt? Jonas Christanell: Der Mensch sucht in Trauersituationen Halt und Unterstützung; diese braucht er auch. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Organisation und Dienstleistung, sondern den Menschen beschäftigen in dieser Zeit zudem noch ganz andere Fragen. Daher ist es wichtig, neben allen Dienstleistungen und Organisationen den Trauerprozess vom ersten Moment an in die richtigen Wege zu leiten. Genau dies kann und möchte ich den Menschen bieten. Auf welche Ausbildungen können Sie zurückgreifen? Jonas Christanell: Ich habe an der Universität Innsbruck Erziehungswissenschaften mit kombinierten Fächern, darunter auch Psychologie, studiert. Darauf aufbauend habe ich in Brixen am Höheren Institut für Theologische Bildung den akademischen Grad „Magistero in science religiose“ erworben. Zudem absolvierte ich an der Universität Bozen Brixen den postuniversitären Lehrgang in „Integration“. Ein weiterer wichtiger Punkt in meinem Leben war aber sicherlich auch die Ausbildung zum ECDL-Prüfer, welche für den gesamten Umgang mit dem Computer ausschlaggebend ist. Wirken sich dieses Wissen und diese Kompetenzen auf ihre Tätigkeit als Bestatter aus? Jonas Christanell: Die theologische und pädagogische Ausbildung ist sicherlich das Fundament in der Begleitung der Angehörigen, daher geht unser Angebot über einen reinen Sargverkauf darüberhinaus und es scheint mir wichtig, diese Kompetenzen in den Dienst für den Menschen zu stellen. Was unterscheidet Sie? Jonas Christanell: Ich glaube es ist sicherlich die Ausbildung, welche den Menschen in den Mittelpunkt der Bestattungsaktivität rückt; dies neben der Auswahl an Särgen, Parten und Zubehör, welches eine individuelle Bestattung zulässt. Besonders aber auch die Begleitung über die Beerdigung hinaus, Antworten auf Fragen, wie man mit Kindern in solchen Situationen umgehen soll, welche Rituale bei Trauersituationen helfen und was man vermeiden sollte, sind zentrale Punkte unserer Philosophie. Wer kann sich an Sie wenden? Jonas Christanell: Wir sind für alle Bürger, welche sich in Trauersituationen befinden erreichbar, auch wenn es nicht unser Ziel ist, eine Massenabfertigung zu betreiben, denn dann kann man nicht individuell auf jeden Menschen eingehen; und dies ist nicht unser Ziel und auch nicht die Ideologie, die hinter diesem Bestattungsunternehmen steht. Was steht für Sie im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit? Jonas Christanell: Es ist immer der Mensch, der mit seinen Bedürfnissen und Anliegen im Mittelpunkt steht; aber auch der Verstorbene, welchem eine würdevolle Behandlung und ein entsprechender Umgang zu Teil wird. Welche Rolle spielt die Individualität bei ihren Bestattungen? Jonas Christanell: Ich glaube die Individualität ist der wichtigste Aspekt bei einer Bestattung; denn die Zeit, welche mit dem Bestatter verbracht wird, ist jene Zeit, in welcher der Trauerprozess begonnen hat und somit auch geleitet werden kann. Sie halten für verschiedene Institutionen auch Vorträge… Können interessierte Gruppen bzw. Vereine Sie auch für einen Vortrag zum Thema Tod und Trauer rufen? Jonas Christanell: Meine Ausbildung und Auseinandersetzung mit dieser Thematik erlaubt es Vorträge zu halten. Gerne halte ich in allen Ortschaften, für alle Interessierten zu diesem Thema Vorträge; eine kurze telefonische Nachfrage genügt. Ich glaube generell, dass das Thema Tod und Trauer ein Tabuthema darstellt, über welches jeder gerne sprechen möchte, sich aber nicht traut. Dies obwohl es sehr wichtig ist zu wissen, welche Dinge in Trauersituationen helfen. Das gilt nicht nur für die Angehörigen, sondern auch für Freunde oder Bekannte. Welche Rolle spielt der christliche Glaube bei ihnen? Jonas Christanell: Unser Glaube ist geprägt von Symbolen und Ritualen; es ist auch die Art, die der Mensch in solchen Situationen braucht, das was ihm Halt und Zuversicht gibt; und gerade da haben wir in unserer Religion einen Fundus, der reich an Hilfen ist und den es auszuschöpfen gilt. Was umfasst ihre Dienstleistungen? Jonas Christanell: Neben einer Erreichbarkeit von 24 Stunden am Tag, einer individuellen Begleitung und Betreuung, bieten wir eine Vielzahl von Särgen, Parten, Sterbebildern, Dankkarten, Blumen, Annoncen in der Zeitung, die Erledigung aller Formalitäten und Abläufe, die Überführung vom Sterbeort in die Kapelle oder in das Heimathaus zur Hausaufbahrung. Wie sieht der Alltag als Bestatter aus? Jonas Christanell: Wir sind rund um die Uhr erreichbar, zudem kann uns auch jeder Hinterbliebene, den wir in einem Trauerfall begleiten, zu jeder Uhrzeit, selbst mitten in der Nacht erreichen, auch wenn er nur einen Gesprächspartner für seine Fragen und Nöte sucht. Kommen Sie auch zu den Angehörigen nach Hause? Jonas Christanell: Wenn es die Situation erforderlich macht, oder es die Angehörigen wünschen, so ist dies eine Selbstverständlichkeit für uns, bei welcher wir uns die Zeit nehmen, die jeder braucht. Wo finden Sie die Angehörigen? Jonas Christanell: Jeder Betroffene findet uns in Naturns, in der Bahnhofstraße/Lidostraße, in einer Räumlichkeit mit viel Licht, zentral, aber dennoch ein wenig abseits vom hektischen Dorfgeschehen, sodass sich die Hinterbliebenen in ihrer Trauer nicht noch zudem öffentlich exponieren müssen. Interview: Christel Strasinsky „Unser Kind ist nicht mehr“ Partschins: In der Bibliothek Partschins wird am Donnerstag, 12. Juni um 20 Uhr das Buch „Unser Kind ist nicht mehr“ (Autorinnen: Irene Volgger und Carmen Unterthiner) vorgestellt. Am Leseabend wird auch Jonas Christanell als Diskussionspartner teilnehmen.
Christel Strasinsky

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.

Close