Vinschger, die auszogen: Ein Vinschger im Osten
Publiziert in 42 / 2011 - Erschienen am 23. November 2011
Die Arbeitslosigkeit der Nachkriegsjahre war im Vinschgau besonders drückend. Piercarlo Perli aus Mals hat sich daher auf den Weg in die Welt gemacht und ist als „Botschafter Südtirols“ im ehemaligen Ostdeutschland zu Erfolg gekommen. Wir haben Piercarlo Perli in Mals getroffen und ihn nach seinen Erlebnissen befragt.
„Der Vinschger“: Herr Perli, wie kommt ein Malser zum ersten italienischen Restaurant im ehemals sozialistischen Ostdeutschland?
Piercarlo Perli: Das ist ein langer Weg, den ich nur in Stichworten erzählen kann. Wie für viele gab es in meiner Jugendzeit keine Arbeit in Südtirol. Ich hätte nach dem Willen meines Vaters bei der Vinschgerbahn Eisenbahner werden sollen. In den Schulferien habe ich beim Gasthof Greif in Mals als Aushilfskellner gearbeitet. Diese Freude an der Arbeit mit Touristen ist mir im Herzen geblieben und hat meinen Weg bis heute bestimmt. So wurde nichts aus der Eisenbahnerkarriere. Ich bin dann als Tellerwäscher in die Schweiz gegangen und habe dann Barkeeper gelernt. Damals lernte ich auch meine Frau kennen. Dann fuhr ich nach England, um die Sprache zu lernen und habe in verschiedenen Lokalen gearbeitet. Ich habe mich um Arbeit auf einem Passagierschiff beworben und wir sind dann auf einem norwegischen Passagierschiff auf Weltreise gegangen. Danach habe ich als Barkeeper im Spielkasino in Aachen gearbeitet und in einer anderen deutschen Stadt in der Spielbank über 12 Jahre die Gastronomie aufgebaut. Nach der deutschen Wende habe ich mich selbständig gemacht und bin nach mehreren Etappen nach Quedlinburg in Sachsen-Anhalt gekommen. Da gab es gar nichts an internationaler Gastronomie. So habe ich 1991 mein Restaurant mit Pizzeria „Pasta mia“ aufgebaut und begonnen, italienisches Eis her zu stellen.
Wie sind Sie in Quedlinburg aufgenommen worden?
Piercarlo Perli: Sehr gut! Ich war dort der erste richtige Fremde nach dem Mauerfall und mein Restaurant war eine kleine Sensation. Ich habe mich auch gleich im Leben der Stadt engagiert, unter anderem für behinderte Kinder und Erwachsene, bei verschiedenen Vereinen, bei der Feuerwehr und den Schützen und beim Karnevalsverein. Ich habe gruppenweise Kinder eingeladen und ihnen gezeigt, wie man Pizza macht, die sie dann selbst verspeisen konnten.
Quedlinburg ist auch UNESCO-Weltkulturerbe. Hat das Ihr Geschäft beeinflusst?
Piercarlo Perli: Diese Tatsache hat sich sehr gut auf den Betrieb ausgewirkt. Wir haben ein internationales Publikum. Da ich aus Südtirol komme, habe ich mich dann auch getraut, neben der italienischen Küche auch Südtiroler Spezialitäten anzubieten. Vieles davon habe ich bei meiner Mutter gelernt. So kann ich auch Werbung für Südtirol machen, denn Südtirol ist beim internationalen Publikum sehr bekannt und beliebt. Unsere Speisekarte ist in mehreren Sprachen abgefasst, in deutscher, russischer, englisches und japanischer. Rund 70% meines Umsatzes verdanke ich dem Tourismus.
Was fehlt Ihnen als Vinschger in Quedlinburg?
Piercarlo Perli: Die Berge, die Äpfel, die Marillen und die Sonne!
Sie kommen gerne in den Vinschgau?
Piercarlo Perli: Jahrelang hat es mir nichts ausgemacht von hier weg zu sein. Das Heimweh wird aber zunehmend stärker. Meine Frau und ich kommen jedes Jahr drei bis vier Mal nach Südtirol und irgendwann werden wir gänzlich nach Südtirol zurückkehren.
Interview: Friedrich Haring
Friedrich Haring