Ein seltenes Bild (von links): Sr. Johanna, Sr. Benedicta, Sr. Domenica, Museumsdirektorin Romina Ebenhöch, Sr. Pia und Geschäftsführer Uli Veith stellen sich der Fotografin.
Der Schal des Eishockeyclubs Kloten-Flyers von Schwester Benedicta.
Ein Gläschen in Ehren (von links): Sr. Benedicta, Sr. Domencia und Sr. Pia (im Gespräch mit einem Gast).
Die weitgereiste Sr. Birgitta bekannte sich als Liebhaberin des Latte Macchiatos von Starbucks „mit Sahne und Karamel“, im Bild mit der Besucherin Sr. Magdalena.

Herz und Seele des Klosters

Jede der acht Schwestern in St. Johann in Müstair wird sichtbar.

Publiziert in 16 / 2024 - Erschienen am 10. September 2024

St. Johann Müstair (CH) - Seit 40 Jahren ist das Kloster St. Johann in Müstair ein Welterbe der UNESCO und als solches weitum bekannt. Beinahe bescheiden wirkt diese Zahl, wendet man sich der Gründungsidee des Klosters zu. Seit bald 1.250 Jahren wirkt dort eine aktive klösterliche Gemeinschaft in ungebrochener Tradition, und seit mindestens 861 Jahren ist eine Frauengemeinschaft hier belegt. Die acht Benediktinerinnen leben heute noch hinter den Mauern der großen Klosteranlage in Klausur und bewegen sich meistens fernab des Museums und der Besuchenden. Für die zahlreichen Gäste des UNESCO-Welterbes, die jedes Jahr zu Besuch kommen, ist dieser Teil des Klosterlebens so kaum erfahrbar. Dabei ist das Interesse an den Personen, die den Ort lebendig und einzigartig machen, groß. Das Herz und die Seele des Klosters Müstair sind die Benediktinerinnen. Einen ersten Schritt in Richtung einer besseren Sichtbarkeit des heutigen klösterlichen Lebens konnte das Kloster Müstair im Juni mit der Einrichtung der neuen Dauerausstellung „INNENLEBEN“ in den barocken Nonnenzellen machen. In kurzen Videointerviews erzählen die Schwestern dort von ihrem Leben im Kloster, darunter ihrer Berufung, ihrem Glauben und ihrem Tagesablauf.

Jede einzelne Schwester soll sichtbar werden

Mit der Ausstellung „In Persona“, die am vergangenen Samstag eröffnet wurde, soll dieser Aspekt vertieft werden. „Mit ihr soll nicht nur die Gemeinschaft als Ganzes, sondern jede einzelne Schwester sichtbar werden“, sagte die Museumsdirektorin Romina Ebenhöch, die die zahlreichen Gäste durch die Ausstellung führte. „Der Ausdruck ‚In Persona’ steht für die Präsenz und Anwesenheit einer Person und meint in eigener Person, persönlich, selbst“. Jede Schwester hat stellvertretend für dieses Selbst ein Objekt ausgewählt. Der Raum, in dem die Ausstellung platziert ist, ist das sogenannte Refektorium, der ehemalige Speisesaal. Er ist neben der Kirche als Ort des gemeinschaftlichen Stundengebets der Raum, an dem die Gemeinschaft täglich mehrmals zusammenkam und auch heute noch kommt. In der Vitrine, die einer langen Tafel nachempfunden ist, befinden sich acht Objekte, stellvertretend für die acht Schwestern, die noch im Kloster St. Johann leben. Sie verkörpern ihre Talente und persönlichen Vorlieben und zeigen den Reichtum, der in der Gemeinschaft versammelt ist. Dabei beleuchtet die Ausstellung auch den zum Teil überraschenden Raum, den es in der klösterlichen Gemeinschaft für Individualität gibt. Entstanden ist eine facettenreiche Zusammenstellung an Objekten, die von eigenen künstlerischen Arbeiten über Familienerbstücke bis hin zu Hobbies wie Lesen, Sammeln von besonderen Steinen oder sportlichen Fanartikeln sowie die Vorliebe zum Latte Macchiato von Starbucks reichen. Dabei fehlt auch ein Schal des Eishockeyclubs Kloten-Flyers nicht, der aus dem Besitz von Schwester Benedicta stammt. Abgerundet wird die durchaus empfehlenswerte Ausstellung durch zwei Objekte, die die Gemeinschaft wiederum als Ganzes darstellen: einen wöchentlich wechselnden „Ämtli-Plan“ für das Stundengebet und den Tischdienst sowie eine Auswahl von Professringen. Mit ihnen wird das Konzept der Gemeinschaft als eine generationenübergreifende Tradition deutlich. Die Museumsdirektorin dankte den Benediktinerinnen, dass sie mit so vielen Ideen und einer großen Offenheit zur Umsetzung der Ausstellung beigetragen haben und dass sie sich stets für Projekte des Klosters engagieren.

Bun Viadi: Wege von und nach Müstair

Gleichzeitig wurden am vergangenen Wochenende die „Europäischen Tage des Denkmals“ gefeiert. Dieses Jahr hieß das Motto „Vernetzt“, ein Gedanke, an den man in Müstair sehr gut anbinden kann. In der Präsentation „BUN VIADI“, dem rätoromanischen Ausdruck für „Gute Reise“, werden im Museum aussagekräftige Objekte zum Thema Mobilität in der Vormoderne gezeigt. Über tausend Münzfunde, Kleingeld aus ganz Europa, im Südhof des Klosters lassen darauf schließen, dass dort im Hochmittelalter (ab 1239) der jährliche Markt stattfand und Kaufleute wie Kunden gleichermaßen anzog. Besonders aufschlussreich sind auch drei Objekte aus der Frühen Neuzeit, die über 7.000 Kilometer überwunden haben und die im Zusammenhang mit dem Jakobsweg nach und von Santiago de Compostela stehen. Ein weiterer archäologischer Schatz ist eine tragbare Klappsonnenuhr aus Holz aus der Zeit um 1470, die zur ältesten ihrer Art zählt. Sie konnte auf Reisen mitgenommen werden und gab so die Zeit Mithilfe des Sonnenstandes an. Informationen zu Öffnungszeiten und Führungen unter www.muestair.ch oder unter visit-museum@muestair.ch, Tel. +41 81 8586189.

Ingeborg Rainalter Rechenmacher
Ingeborg Rainalter Rechenmacher

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