Vom Recht zu sterben
Publiziert in 9 / 2009 - Erschienen am 11. März 2009
Die 17 Jahre im Wachkoma gelegene Eluana Englaro ist kein Einzelfall und rückt auch hierzulande Betroffene ins Interesse der Öffentlichkeit. In der benachbarten Klinik „St. Anna“ in Lana werden zurzeit 13 Wachkoma-Patienten betreut. Das sind 13 Schicksale. 13 betroffene Familien, die sich täglich mit dieser Situation auseinanderzusetzen haben und sich sicher mit den alles entscheidenden Fragen befasst haben: Sollen die Geräte abgestellt werden? Gibt es Chancen, dass das Familienmitglied erwacht? Was dann? In welchem Zustand? Kann ein menschenwürdiges Leben geführt werden?
Unumstritten ist, dass Handlungsbedarf in der italienischen Gesetzgebung besteht. Derzeit gibt es keine Rechtsbestimmung, welche den Zustand eines Wachkoma-Patienten regelt. Das Mitte-Rechtslager um Regierungschef Silvio Berlusconi hat bereits einen Gesetzesvorschlag eingereicht, welcher zwar eine Patientenverfügung vorsieht, dem Patienten aber keinerlei Entscheidungsfähigkeit einräumt.
Wir wollten wissen: Was denken Vinschgerinnen und Vinschger darüber?
Aaron Punt
„Ich spreche mich grundsätzlich für die Euthanasie aus, da in den meisten Fällen der Betroffene kein menschenwürdiges Dasein mehr führen kann. Es ist aber zu beachten, dass die Würde des Menschen dabei auf keinen Fall missachtet wird. Natürlich gibt es Wunder, doch diese sind leider sehr rar und im Normalfall enden solche Schicksale tragisch. Auch die Frage, ob der Patient in der Wachkomaphase vom ganzen Geschehen etwas mitbekommt, ist nicht zu 100 Prozent geklärt und dadurch wird es auch schwieriger, sich vollständig für die Euthanasie auszusprechen. Trotzdem ist die Meinung der Eltern ausschlaggebend, denn es leiden nicht nur der Patient, sondern auch sie. Für die Eltern stellt es meist eine große Belastung dar und wenn sie sich für die Euthanasie aussprechen, dann werden sie als Eltern sicher nur das Beste für ihr Kind wollen.
Falls eine Patientenverfügung vorliegt, so sollte diese auch bindend sein, da sie dem Willen des Patienten entspricht und dieser sollte schließlich respektiert werden.
Zum Fall Eluana Englaro: Ich finde es tragisch, dass sich die Politik in solche Dinge einmischt, die Kirche mobilisiert und gegen die Patientin gearbeitet hat. Von der Art und Weise ganz zu schweigen: Es kann nicht möglich sein, dass ein Regierungschef das Urteil der höchsten juristischen Instanz umgehen will. Das schnelle Ableben der 38-Jährigen kommt für mich deshalb nicht sonderlich überraschend. Vielleicht wollte sie dem ganzen Trubel um ihre Person ein Ende bereiten und endlich den ihr gebührenden Frieden finden.“
Anna Theiner, Manuel Gruber, Anna Zangerle
„Wir sprechen uns absolut gegen die aktive und passive Sterbehilfe aus, finden eine Willenserklärung aber sinnvoll, da sie die Meinung des Patienten vertritt. Liegt keine vor, so sollte die Familie über das Schicksal des sich im Wachkoma befindenden Familienangehörigen entscheiden können.“
Elisabeth Mair
„Als Außenstehende fällt es nicht leicht, sich eine Meinung über ein so komplexes Thema zu bilden. Der Mensch ist nicht befugt, über Leben und Tod zu entscheiden, doch hat ein jedes Lebewesen das Recht, in Würde zu sterben. Menschen, die 20 Jahre im Wachkoma liegen und denen keine Chance auf eine Besserung eingeräumt wird, können durch die Entfernung der Geräte ihre Ruhe finden. Sicher ist es für die Angehörigen des Patienten nicht einfach, aber man muss auch loslassen können.
Unabhängig von der ethnischen Frage ergibt sich ein finanzielles Problem. Wer soll für die Komapatienten aufkommen, wenn die Familie nichts beisteuern kann? Den Staat kostet es zig Millionen im Jahr.
Ich hoffe innig, nie in eine solch prekäre Lage zu gelangen und die Entscheidung über Leben und Tod eines Angehörigen treffen zu müssen. In diesem Falle wäre eine Patientenverfügung von großem Vorteil, da sie einem eine große Last von den Schultern nimmt und letztendlich die Entscheidung etwas leichter gestalten kann.
Früher oder später wird sich auch der Staat mit dem schwierigen Thema befassen und eine ehrliche Diskussion über die Situation der Wachkomapatienten führen müssen. Es hat keinen Sinn, strenge Gesetze zu erlassen, welche die emotionale und menschliche Seite völlig vernachlässigen.“
Cristina Franzelin
„Mit dem Thema Sterbehilfe muss sehr vorsichtig umgegangen werden. Ich bin gegen die aktive Sterbehilfe, und befürworte das Abschalten der Maschinen nur in Ausnahmefällen, wenn sich der Patient in einer aussichtslosen Lage befindet. Die Meinung der Ärzte sollte entscheidend mit einfließen können. Selbstverständlich spielt bei dieser Entscheidung die Familie des Patienten auch eine große Rolle und es darf auf deren Standpunkt nicht verzichtet werden. Patientenverfügungen sind sicher eine große Hilfe für Ärzte und Angehörige, sollten aber nur die Grundlage für die endgültige Entscheidung bilden.“
Jasmin Mair
Jasmin Mair