Stilfs

Publiziert in 19 / 2003 - Erschienen am 9. Oktober 2003
Das Dorf am Steilhang Fotos: Florian Peer, Text: Andrea Perger Erstmals erwähnt 1090 als "de Stilvis", ab 1614 Stilfs, Mundart: "Stilz", amtl. ital. Name: "Stelvio". Der Ortsnamen wurzelt in einer vorrömischen Wortform und bedeutet soviel wie "großflächiges Gelände". Quellen: Dorfbuch Stilfs"Die Ortsnamen Südtirols und ihre Geschichte", Band 1 von Egon Kühebacher, herausgegeben vom Landesdenkmalamt Bozen "Stilfs- Geschichte eines Bergdorfes" von Gerd Klaus Pinggera, herausgegeben von der Gemeinde Stilfs Historisches Für das Gebiet um Stilfs wird aufgrund der Lage bereits um 3000 v.Chr. Besiedelung vermutet. Funde zeugen von Siedlungs- und Handelstätigkeit in der älteren Bronzezeit (1800- 1250v. Chr.).Zur Römerzeit lag Stilfs an der Verbindung zwischen Lombardei und dem Etschtal (Wormsionsteig). Später dominierte die rätische Kultur das Gebiet. Erste urkundliche Erwähnung im Jahre 1229 (Stilvis), ab ca. 1000 intensivere Erschließungstätigkeit, ab 1200 vermehrte Ansiedlung. Erste Blüte während der Bergbautätigkeit im 15. und 16.Jhd. als auch die Struktur des Dorfes entstand. Ab ca. 1540 eigener Priester. 1544 Gewohnheitsrechte werden aufgezeichnet. Nach den verheerenden Dorfbränden im 18. und 19.Jhd. lösen Steinbauten die Holzhäuser im Dorfbild ab.19.Jhd.: Aus keinem anderen Ort des Obervinschgau stammen so viele Karrner wie aus Stilfs. Erst nach dem großen Brand 1862 ließen sich viele von ihnen nieder. Dorfzahlen 2001 lebten 610 Menschen in Stilfs. Die Einwohnerzahl sinkt dabei seit Jahren. Die Schülerzahlen lassen aufhorchen. Im Schuljahr 00/01 waren 68 Schüler in die Volksschule eingeschrieben, 02/03 lediglich 44, wovon 22 Fahrschüler sind, also aus den umliegenden Dörfern stammen. In allen fünf Klassen waren voriges Jahr insgesamt nur 15 Schüler, die aus dem alten Dorfteil von Stilfs stammen. Auch die Immobilensituation spricht eine eindeutige Sprache: 12 Wohneinheiten sind an Käufer aus dem Ausland oder aus anderen italienischen Provinzen verkauft worden, 18 Einheiten sind unbewohnt, 10 werden nur noch als Zweitwohnungen gelegentlich benützt, etwa 48 Einheiten werden von Menschen über dem 60sten Lebensjahr bewohnt (Was passiert mit diesen Einheiten in der Zukunft?). Insgesamt ist dies über die Hälfte der gesamten Wohneinheiten im Ort. Im Dorf sind nur 4 Betriebe ansässig und 3 kleinere Läden, von denen 2 von älteren Menschen geführt werden. Die Bäckerei schloss voriges Jahr endgültig, die Metzgerei hat ihre Niederlassung vor ein paar Jahren aufgegeben. Gut ist im Ort die Versorgung älterer Bürger durch den Hauspflegedienst, das Angebot "Essen auf Rädern" wird momentan aufgebaut. 3x pro Woche ordiniert die Ärztin Dr. Stocker Raffaela. Information: Roland Angerer Dorfleben Die Stilfser sagen über ihr Dorf, dass hier sogar die Hennen Steigeisen brauchen und dass man die Erdäpfel festnageln muss, damit sie nicht ins Tal rollen. Steil ist es im Dorf am Hang und so sind viele Häuser kunstvoll in den Hang hineingearbeitet und zeugen vom damaligen und auch heute noch vorhandenen handwerklichen Geschick der Stilfser. Von den vielen Brunnen laufen noch mehr Gassen in alle Himmelsrichtungen auseinander und zusammen. Oft bestehen Querverbindungen aus Stiegen. Eng ist’s im Dorf, aber hier haben die Menschen gelernt damit umzugehen. "Viel Verkehr gibt es im Ort nicht, aber so kann man die Kinder beruhigt spielen lassen!", sieht eine Mutter die Lage. Es ist diese Ruhe und Abgeschiedenheit, die die Stilfser mit denen wir gesprochen haben, an ihrem Dorf so schätzen. Und so kommt es, dass wir etliche von ihnen auf den "Banklen" bei den Brunnen oder im kühlen Schatten hinter den Häusern antreffen. Auf ihre uralten Bräuche sind die Stilfser besonders stolz. Neben Bräuchen, die sich auch in anderen Dörfern erhalten haben, wie etwa das Scheibenschlagen, ist in Stilfs besonders das "Pfluagziachn" und das "Klosn" eine einmalige Sache. Das "Pfluagziachn" ist ein Fasnachtsumzug, der nach einem festen Drehbuch abläuft. Mit dem Lauf der Sonne, also von Ost nach West, zieht der Zug durchs Dorf. Aber nicht nur närrisches Treiben liegen diesem Spiel zugrunde, sondern auf diese Weise- sollen die bösen Wintergeister vertrieben und ein gutes Vegetationsjahr heraufbeschworen werden. Alle Figuren werden von Männern dargestellt. Ein anderer Brauch, dessen Wurzeln allerdings unbekannt sind, ist das "Klosn" , ein Nikolausspiel. Auch hier werden alle Gestalten von Männern verkörpert. Der traditionelle Bauernstand ist im Brauchtum tief verwurzelt, heute jedoch wird nur mehr wenig Landwirtschaft im Ort betrieben. Durch die Hanglage und die Höhe finden wir hier keine Apfelanlagen wie in der Talsohle und die Viehwirtschaft hat ihre Rentabilität auch längst eingebüßt. Viele Wiesen bleiben unbewirtschaftet. Aber nicht nur Ställe stehen leer, sondern auch immer mehr Wohnhäuser im Dorfkern. Das Renovieren ist durch die engen und steilen Gassen schwierig und vor allem sehr teuer. Deswegen sind viele Stilfser abgewandert, auch gibt es kaum Arbeitsmöglichkeiten im Dorf. Die Abwanderung könnte zur existentiellen Bedrohung für den Ort werden. Denen die geblieben sind, gefällt es aber so gut in ihrem kleinen charismatischen Dorf, dass sie nach eigenen Aussagen nirgendwo sonst leben möchten, die Lebensqualität wird als sehr gut beschrieben. Ein beliebter Treffpunkt ist neben den bereits erwähnten Brunnen der Fischweiher in der Sportzone vor dem Dorf. Hier trifft man sich zum Angeln, nach einem Spaziergang, oder einfach so, zum Entspannen. Auch die Vögel, vor allem Schwalben, fühlen sich in Stilfs sichtlich wohl. Morgens sammeln sie sich in Scharen auf den Drähten und damit dies auch in Zukunft so bleibt, werden in einem Projekt blinde Drähte gespannt, denn die Leitungen werden nun unterirdisch verlegt. Man kann sagen was man will über Stilfs, aber für mich war jeder Besuch dort ein schöner Ausflug und die Gespräche mit den Stilfsern sind immer wieder herzerfrischend. Das Schönste an diesem Bergdorf und seinen Menschen aber ist die Verbundenheit zwischen Mensch und Natur, aber auch zwischen den Menschen untereinander, die sich immer wieder im Dorfbild, in der Umgebung und den Gesprächen zeigt, entstanden vielleicht gerade durch diese besondere (Steil-) Lage. Für die Zukunft ist dem Dorf zu wünschen, dass sich die Verantwortlichen zusammensetzen und endlich Impulse schaffen, die wieder zu neuem Wachstum führen könnten. Wanderung Die Stilfser Alm liegt auf 2077 Metern Meereshöhe. Mit dem Auto vor Stilfs links abbiegen, vorbei an der Sportzone erreicht man der Beschilderung folgend einen kleinen Parkplatz. Von dort aus ist die Alm in einer gemütlichen Gehstunde erreichbar. Diese Wanderung ist auch für Familien mit Kindern und Untrainierte noch zu empfehlen, da der Weg nur geringe Steigung aufweist. Von der Alm aus können Trainierte verschiedene Gipfel mit fabelhafter Aussicht besteigen. Die Alm ist bewirtschaftet.
Andrea Perger

Diese Seite verwendet Cookies für funktionale und analytische Zwecke. Lesen Sie unsere Cookie-Richtlinien für weitere Informationen. Durch die Nutzung dieser Website erklären Sie sich damit einverstanden.

Close