Pollinger: „Auch bei uns sind solche Katastrophen ohne weiters möglich“
Publiziert in 17 / 2005 - Erschienen am 7. September 2005
Die jüngste Hochwasserkatastrophe in Österreich, in Bayern und in der Schweiz hat auch Erinnerungen an Unwetter- und Hochwasserkatastrophen im Vinschgau und in ganz Südtirol wachgerufen. 1983 etwa hatte es landesweit Überschwemmungen und Murbrüche gegeben. Der Vinschgau, wo es 68 Stunden lang ununterbrochen geregnet hatte (insgesamt schätzungsweise 220 Millimeter), war damals am stärksten betroffen. Vom Vinschgauer Oberland bis hinunter nach Laas und Latsch war es zu teils gewaltigen Verwüstungen gekommen. In Matsch zum Beispiel rutschte ein Teil des Friedhofes ab, bei Lichtenberg kam es zu einer gewaltigen Vermurung, in Planeil, Schlinig, Matsch, Stilfs und anderen Orten mussten Häuser infolge von Muren evakuiert und Menschen von der Luft aus mit Lebensmitteln versorgt werden. In Latsch standen ganze Straßenzüge unter Wasser.
„Am leichtesten vergleichbar sind die Schadensbilder, wie sie jetzt etwa in Pfunds und im Paznauntal vorliegen, mit jenen, die wir 1987 in Passeier hatten oder die es bei den Hochwasserkatastrophen 1965 und 1966 im südalpinen Raum gegeben hat“, sagte Rudolf Pollinger, Direktor der Landesabteilung Wasserschutzbauten, dem „Der Vinschger“. Pollinger war bereits zweimal in Pfunds, um sich ein näheres Bild von der Lage zu verschaffen. Selbst als Wildbachfachmann hätte man die größte Not, solche Ereignisse, wie sie in Pfunds aufgetreten sind, vorab einzuschätzen bzw. vorauszusagen. In Pfunds habe man sich bisher mehr um den Bach aus dem Radurschltal auf der anderen Dorfseite gekümmert, der den Chroniken zufolge schon mehrfach Verwüstungen angerichtet hat.
Was jetzt in Pfunds passiert ist, sei keine Mure, sondern ein stark Material führendes Hochwasser. „Es kamen im rund 25 Quadratkilometer großen Einzugsgebiet in kürzester Zeit riesige Wassermengen zusammen“, sagt Pollinger. Der Stubnerbach habe Unmengen von Material, das sich im großen, mit relativ wenig Wald bestückten, felsigen und vollständig natur belassenen Einzugsbiet vermutlich im Laufe von Jahrhunderten angesammelt hatte, einfach über die engen Schluchten durch das Tal „hinausgespült“. Verbauungsmaßnahmen dürften sich als schwierig gestalten. Die Strecke vom Auslauf des Baches bis zum Dorf sei kurz und schmal, es gebe kaum Platz. Auch über Umstrukturierungen im alten, Ortsbild prägenden Dorfbereich werde nachzudenken sein. „Ich glaube, dass den Technikern der Kopf rauchen wird“, sagt Pollinger. Hochwasserkatastrophen, wie es sie jetzt nördlich des Alpenhauptkammes gab, seien auch bei uns „absolut vorstellbar“.

Josef Laner