Gesundheitsforschung im Vinschgau

Publiziert in 17 / 2011 - Erschienen am 4. Mai 2011
Vinschgau - Gesundheit ist zwar nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts, heißt es in einem Sprichwort. Trotz des Fortschritts in der Medizin sind heute viele Volkskrankheiten und ihre Ursachen noch nicht erforscht. Wie funktioniert medizinische Forschung überhaupt? Und wie lange dauert es, bis die Ergebnisse einer Studie in die Arztpraxis gelangen und den Patienten zu Gute kommen? Viele Vinschger können darauf antworten. Denn sie haben bereits einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsforschung geleistet: Von 2002 bis 2004 haben rund 1.200 Vinschger aus Martell, Stilfs und Langtaufers bei einem medizinisch-genetischen Forschungsprojekt der Euro­päischen Akademie Bozen (EURAC) mitgemacht, der so genannten GenNova Studie. Ziel dieser Studie war es, über mehrere Generationen mögliche genetische und umweltbedingte Ursachen häufiger Krankheiten zu erforschen, wie Migräne, Parkinson oder Gallensteine. Mithilfe dieses Projekts ist es den EURAC-Forschern auch gelungen, eine der Ursachen für das „Syndrom der unruhigen Beine“ (RLS-Syndrom) nachzuweisen. Darüber hinaus stießen die Wissenschaftler auf unerwartete Ergebnisse: Sie entdeckten in ihren Untersuchungen, dass auffällig viele Studienteilnehmer unter einer Funktionsstörung der Schild­drüse litten. Diese Entdeckung führte dazu, dass am Krankenhaus in Schlanders ein Ambulatorium für Schilddrüsenprobleme eingerichtet wurde. Helmuth Weiss ist Internist am Krankenhaus in Schlanders. Im Interview erklärt er, was es mit dem Ambulatorium für Schilddrüsenprobleme und mit der medizinischen Forschung im Vinschgau auf sich hat. Welche Symptome hängen denn mit einer Funktionsstörung der Schilddrüse zusammen? Helmuth Weiss: Die Symptome bei einer Überfunktion sind Gewichtsabnahme, Nervosität, Konzentrationsschwäche, erhöhter Puls – bei einer Unterfunktion sind die Symptome umgekehrt: Gewichtszunahme, Schwellungen, niedriger Blutdruck. Gerade weil die Symp­tome so vielfältig und für viele Krankheiten kennzeichnend sind, ist die Diagnose im Einzelfall oft schwierig. Eine medizinische Studie der EURAC hat gezeigt, dass die Vinschger vermehrt unter Schilddrüsenproblemen leiden. Welche Auswirkungen hatten diese Erkenntnisse? Helmuth Weiss: Ohne die systematischen Untersuchungen im Rahmen der Studie wäre es wahrscheinlich nicht so deutlich herausgekommen, dass viele Vinschger Probleme mit der Schilddrüse haben. Die Wissenschaftler haben diese Erkenntnis an Vinschger Hausärzte weitergeleitet. Sensibilisiert für diese Problematik, achten die Ärzte jetzt mehr auf die Schilddrüse, wenn Patienten über die bereits beschriebenen Symptome klagen. Ein weiterer Schritt war das Einrichten des Ambulatoriums für Schilddrüsenprobleme, was die Diagnose und die Behandlung der Patienten enorm erleichtert. Sie haben die Einrichtung des Ambulatoriums für Schild­drüsenprobleme am Krankenhaus in Schlanders vorangetrieben. Was hat sich dadurch für die Vinschger verändert? Helmuth Weiss: Die damalige Forschung hat gezeigt, dass es notwendig ist, hier ein solches Ambulatorium einzurichten. Wo früher ein Patient mit Verdacht auf Schilddrüsenprobleme mehrmals für verschiedene Unter­suchungen wie Ultraschall, Laboruntersuchungen, usw., ins Krankenhaus kommen musste, kann er dies heute in einer einzigen umfassenden Visite erledigen. Wir behandeln im Ambulatorium rund 50 Patienten im Monat. Das zeigt, dass es auf jeden Fall gebraucht wird. Und es zeigt für mich, wie wichtig medizinische Forschung ist. Daher finde ich es sehr wichtig, dass auf diesem Gebiet im Vinschgau auch noch weiter geforscht wird.
Vinschger Sonderausgabe

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