Robert Kaserer (rechts im Bild mit Raimund Rechenmacher und Christine Roilo) eröffnete die 1. Vinschger Chronistentage.

Das Privileg, vor Ort zu sein

Publiziert in 9 / 2010 - Erschienen am 10. März 2010
Schlanders – Die Musik war jung, die Aussteller und Besucher im gesetzten und fortgeschrittenen Alter, wie man höflich zu sagen pflegt. Biblio­thekar Raimund Rechen­macher und Bezirkschronist Robert Kaserer ließen zur Eröffnung der 1. Vinschger Chronistentage ein Blechbläserquartett der Mittelschule Schlanders aufspielen. In Anwesenheit der höchsten Archiv-Instanz des Landes, der Direktorin des Südtiroler Landesarchivs Christine Roilo, und der Kulturreferentinnen aus Schlanders, Schluderns und Prad begrüßte Robert ­Kaserer „seine Chronisten“ und einige wenige Interessierte. „Die Öffentlichkeit soll erfahren, was Chronisten machen“, begründete er die Ausstellung. „Vielleicht erreichen wir damit, dass sich mehr für die Chronistenarbeit interessieren.“ Ziel sei es, in jeder Gemeinde Chronisten wirken zu lassen, meinte Kaserer. Noch seien Chronisten Einzelkämpfer, was nicht sein sollte, aber sie seien auch „Zeitzeugen, die vor Ort beobachten und registrieren“. Archivdirektorin Christine Roilo bezeichnete das Erleben der gemeinsamen Vergangenheit als wichtigsten Beitrag der Chronisten an die Dorfgemeinschaft. „Chronisten sind manchmal allzu bescheiden“, meinte Roilo. „Wir befinden uns in einer Übergangszeit. Die Chronisten der ersten Stunde brauchen Nachfolger. Daher müssen sie an die Öffentlichkeit gehen.“ Robert Kaserer war es gelungen, 25 Chronisten, Heimatforscher, Sammler, Dorfbuchautoren und Interessierte zu überzeugen, die Ergebnisse ihrer „Lust an der Geschichte und der Freude am Sammeln“ – nach Christine Roilo – in Foyer und Kapelle der Schlandersburg auszustellen. Chronisten aus 17 verschiedenen Ortschaften in 10 Gemeinden von Graun bis Naturns waren vertreten. Chroniken - im Sinne des Wortes zeitlich festgehaltene Ereignisgeschichte - hatten über Notizen, Zeitungsausschnitte, Fotos, Dias, Sterbebilder, Parte­zettel, Einladungen und Prospekte Manni Strimmer (Laas), Christl Valentin (Glurns), Robert Ruepp (Schluderns), Roland Peer (Burgeis), ­Ludwig ­Wilhalm (Graun), Isabella ­Erhard (Laatsch), Herbert Mair ­(Göflan), Friedrich ­Ganthaler (Naturns), Maria Fliri (Naturns) und Robert Kaserer (Tschars) zusammengestellt. Auf Einzelaspekte wie Andreas Hofer, Landwirtschaft, Seilbahnen, Seestauung, Architektur, Dorfbildänderungen, Vereinsgeschichte und Genealogie (Familienforschung) eingegangen sind Friedrich ­Gurschler (Schnals), Adolf Fliri (Naturns), Stefan Mayr (St. Valentin), ­Helene Dietl Laganda (Mals), Konrad Trafoier (Tarsch), ­Michael Lochmann (Naturns) und Raimund ­Rechenmacher (Kortsch). Seltene oder heimatkundliche Bücher, eigene Forschungsberichte in Buchform, in Heftreihen, in Dorfbüchern oder Vor­arbeiten zu Dorfbüchern aufgelegt hatten Wilfried ­Stimpfl (Laas), Hermann Theiner (Latsch), Martina Oberhofer (Goldrain), ­Heinrich ­Kofler ­(Schlanders), Christoph Anstein (Glurns) und Johann Prenner ­(Schlanders). Eine Besonderheit waren die Ab­lichtungen der Beschreibungen von „Tiroler Insurgenten von 1809“. Die Entdeckung in den „Acta des Ministeriums des Königlichen Hauses und des Äußeren“ gemacht hatte Richard Huber, ein an Geschichte interessierter Bayer, der sich im Vinschgerischen Goldrain heimisch fühlt. Dass den Chronisten die neuen Medien nicht mehr fremd sind, bewiesen die digitalisierten Bilder aus dem Atzwanger-Archiv der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts und die ebenfalls elektronisch abspielbaren Video- und Super-8-Filme mit Aufnahmen aus vergangenen Zeiten. Dem Kommen und Gehen am Sonntagnachmittag (28. Februar)­ nach zu schließen sind die 1. Vinschger Chronistentage ein Erfolg gewesen.
Günther Schöpf
Günther Schöpf

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