Eines der Schwarz-Weiß-Fotos, die Marie Capesius während ihrer Schaffenszeit in Stilfs gemacht und selbst vor Ort entwickelt hat.
Marie Capesius, Maria „Ricky“ Herzl und Daria Habicher (v.l.) vor dem Pfeiferhaus in Stilfs.
Mit ihren Polaroid-Fotos will die Künstlerin das einfangen, was man nicht sieht.
Am 29. September war die BWA („Bolzano Art Weeks“) zu Gast in der BASIS in Schlanders.
Isolde Veith informierte die Gäste über die Tätigkeiten in der „Ideenspüle“.
Auf dem Kirchplatz in Stilfs wurde die Performance „COLLABORATION“ von Christian Falsnaes aufgeführt.
Auf dem Kirchplatz in Stilfs wurde die Performance „COLLABORATION“ von Christian Falsnaes aufgeführt.

Raus aus der Stadt …

… und hin zur Natur. Die Residenzkünstlerin Marie Capesius hat versucht, in Stilfs mit der Kamera das einzufangen, was man nicht sieht.

Publiziert in 18 / 2024 - Erschienen am 8. Oktober 2024

Stilfs/Schlanders - Das Plätschern des Brunnenwassers vor dem Haus, der Klang von Ziegen- und Schafschellen, sporadische Begegnungen mit Menschen in den stillen Gassen und im Hintergrund der mächtige Ortler. In Stilfs hat die Künstlerin Marie Capesius das gefunden, wonach sie sich lange gesehnt hatte. „Ich wollte raus der Stadt und hin zur Natur“, sagte die aus Luxemburg stammende, 35-jährige Künstlerin französischer Muttersprache, als sie am 27. September im Pfeiferhaus in Stilfs in ihre Ausstellung einführte. Einen Monat lang hatte sie in Stilfs gearbeitet und gelebt. Sie war die erste Künstlerin, die sich im Rahmen des PNRR-Projektes „Stilfs – Resilienz erzählen“ als Residenzkünstlerin im Bergdorf aufgehalten hatte. Wie Daria Habicher, die Koordinatorin der PNRR-Supportgruppe, ausführte, gehört die Künstler/innen-Residenz zu den kulturellen Maßnahmen des PNRR-Projektes. Einen großen Dank zollte sie Clara Mayr, die das Pfeiferhaus in den vergangenen Jahren neu belebt hat und bereit war, Marie Capesius im Haus aufzunehmen. Für die Aufenthalte weiterer Künstlerinnen und Künstler in den nächsten Jahren wird ein eigener Standort in Stilfs ins Auge gefasst. Daria Habicher: „An einem Konzept dafür wird derzeit in Zusammenarbeit mit BASIS Vinschgau Venosta gearbeitet.“

Besonderer Ort und besonderes Haus

Mit ihren Werken, die während des letzten Wochenendes im September im Pfeiferhaus besichtigt werden konnten, wollte die multimediale Künstlerin das Publikum anregen, selbst darüber nachzudenken, was sie mit ihren Polaroid-Fotos, Schwarz-Weiß-Bildern, Videoaufnahmen und fragmentarischen Texten zum Ausdruck bringen will. „Fotografie hat mit Emotionen zu tun“, sagte Marie Capesius. Es gehe ihr darum, „mit der Kamera etwas einzufangen, was man nicht sieht.“ Dass die Betrachterinnen und Betrachter der Fotos jeweils etwas Anderes sahen und die Bilder für sich interpretierten, lag damit auf der Hand. „Man muss an diesem besonderen Ort nicht weit gehen, um viel zu sehen und zu erleben. Die Zeit scheint hier irgendwie still zu stehen. Ich bin sehr dankbar für die Wochen, die ich hier verbringen durfte,“ sagte die Künstlerin. Marie Capesius befasst sich in ihrem Schaffen mit der Frage, welche Geschichten die Menschen bewusst oder unbewusst in sich tragen und wie diese Geschichten von Generation zu Generation weitergegeben werden. Das mehrwöchige Schaffen in Stilfs ist Teil ihres Projektes „Psychogenealogie“. Im Gegensatz zur Arbeit einer klassischen Fotografin verbindet sie ihre Arbeit mit visuellen, textlichen und performativen Elementen. Die Gruß- und Dankesworte im Namen der Gemeinde überbrachte bei der Ausstellungseröffnung die Kulturreferentin Maria „Ricky“ Herzl.

BAW in Schlanders und in Stilfs

Nach Schlanders und Stilfs gezogen hat es am 29. September die BWA, die „Bolzano Art Weeks“. Am Vormittag waren die Teilnehmenden zu Gast in der BASIS in Schlanders. Hannes Götsch und Katrin Gruber führten in die Entstehung und Entwicklung von BASIS Vinschgau Venosta ein. In Bezug auf die Kreativwerkstatt teilten sie mit, dass mit der Gemeinde Schlanders vereinbart werden konnte, den Leihvertrag für die Nutzung von rund der Hälfte der „Palazzina Tagliamento“ als Kreativwerkstatt für weitere 9 Jahre zu verlängern. Eine große Herausforderung werde es nun sein, das Geld für die Instandsetzungsarbeiten aufzubringen, vor allem für die Anpassung der Räume an die Brandschutzbestimmungen.

Einblick in die „Ideenspüle“

Neben den Ateliers von Claudia Aimar, Daniel Costa, Roland Parth und Florian Slotawa in der Kreativwerkstatt lernten die Gäste auch die „Ideenspüle“ im BASIS-Hauptgebäude kennen. Wie Isolde Veith ausführte, werden in der „Ideenspüle“ u.a. Workshops mit Kindern, Erwachsenen, gemischten Gruppen sowie Menschen mit besonderen Bedürfnissen in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Vinschgau organisiert. Eine große Rolle spielt das Upcycling, sprich die Verarbeitung von Abfallprodukten oder anderen nicht mehr genutzten Dingen in neuwertige Produkte. Auch für die Aufführung des Theaterstücks „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupèry, das die Theatergruppe „voLL kReatiV … voLL iNklusiV“ des Südtiroler Theaterverbandes und die Theaterwerkstatt der Integrierten Volkshochschule Vinschgau am 29. September im Kulturhaus in Schlanders aufgeführt haben, war in der „Ideenspüle“ fleißig gearbeitet worden.

Performance „COLLABORATION“

Zu Mittag ging es weiter nach Stilfs, wo Daria Habicher und Roland Angerer von der PNRR-Supportgruppe zu einer Dorfbegehung einluden. Auf dem Programm standen auch die Besichtigung des Pfeiferhauses von Clara Mayr und der Besuch der Ausstellung von Marie Capesius. Der Höhepunkt war am Nachmittag die Performance „COLLABORATION“ von Christian Falsnaes auf dem Kirchplatz in Stilfs. Die Performance basiert auf einer Reihe von Experimenten, die Christian Falsnaes mit Studierenden an der Universität für Kunst und Design in Bozen durchgeführt hat. Zum ersten Mal aufgeführt worden war „COLLABORATION“ übrigens in der Galerie Andersen’s in Kopenhagen. In Stilfs wurde die Performance zusammen mit dem Publikum in einer Art Workshop erarbeitet und neu inszeniert.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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