Der wertvollste Kastanienhain Südtirols
Paul Kofler aus Kastelbell gewinnt die „Kastanienhain-Meisterschaft 2024“.
Kastelbell - Im Frühjahr sind das Herbstlaub und die Kastanienigel zu entfernen, im Sommer ist darauf zu achten, dass die Bäume immer ausreichend Wasser bekommen und im Herbst steht die Ernte ist Haus. In den Zeiten dazwischen werden Schnittsanierungen und verschiedene Pflegemaßnahmen durchgeführt: Wer seinen Kastanienhain gut in Schuss halten will, muss mehr oder weniger das ganze Jahr über anpacken. Einer, der seine Kastanienbäume seit Jahrzehnten mit besonderem Fleiß, fachmännischem Können und viel Herzblut hegt und pflegt, ist Paul Kofler aus Kastelbell. Entsprechend groß war die Freude des leidenschaftlichen Kastanienbauers und seiner Frau Sonya, als die Familie am 11. Oktober den Preis für den „wertvollsten Kastanienhain Südtirols“ entgegennehmen konnte. Es war die „Initiative Baumgart“, die sich dazu entschieden hatte, heuer erstmals eine Kastanienhain-Meisterschaft zu organisieren. In den zwei Jahren zuvor hatte sich die Initiative landesweit auf die Suche nach besonders wertvollen Streuobstwiesen gemacht.
25 Bewerber
Für die Kastanienhain-Meisterschaft hatten sich 25 Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter von Hainen in ganz Südtirol gemeldet. Dass der rund 3.500 Quadratmeter große Kastanienhain von Paul Kofler, auf dem oberhalb des Dorfes Kastelbell auf einer Meereshöhe vor rund 650 Metern knapp 100 Kastanienbäume im Alter von 2 bis zu schätzungsweise 400 Jahren gedeihen, als Sieger auserkoren wurde, kam nicht von ungefähr. Dieser Hain hatte die vielen Kriterien, nach denen eine Fachperson alle 25 Haine bewertete, am besten erfüllt. Der allgemeine Zustand des Hains fiel ebenso ins Gewicht, wie die Einbindung in das Landschaftsbild sowie eine Vielzahl von agronomischen, ökologischen und ökonomischen Kriterien. Offiziell überreicht hat den Preis Philipp Bodner, Forscher von Eurac Research, im Namen aller 9 Institutionen, aus denen die „Initiative Baumgart“ besteht: Eurac Research, Obstbaumuseum, Amt für Natur, Sortengarten, Roter Hahn (Südtiroler Bauernbund), Bioland, Heimatpflegeverband, Versuchszentrum Laimburg und Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Der Hain von Paul Kofler vom Keschtnhof „repräsentiert alle Werte, denen wir uns als Initiative Baumgart verschrieben haben“, sagte Bodner. Ein traditioneller Vinschger Lattenzaun und Trockensteinmauern wurden bewusst aufgebaut bzw. wieder in Stand gesetzt. „So fügt sich der Hain wunderschön in die umliegende Landschaft ein und wird sehr gut gepflegt. Die alten Kastanienbäume bieten mit ihren zahlreichen Baumhöhlen und den extensiv bewirtschafteten Wiesen Unterschlupf für viele Tier- und Pflanzenarten“, so die Jury. Nicht zuletzt trage die Anlage auch zum wirtschaftlichen Erfolg des Betriebes bei.
„Seit jeher Bio“
Helmuth Scartezzini, der ehemalige langjährige Leiter des Amtes für Obst- und Weinbau, referierte kurz über den Anbau von Edelkastanien in Südtirol. Die Kastanie sei immer rein biologisch angebaut worden, also ohne jegliche Chemie. Der Kastanienrindenkrebs, die Kastaniengallwespe und weitere Krankheiten bzw. Schädlinge seien immer biologisch, sprich mit natürlichen Gegenspielern, bekämpft worden. Max Gögele, der Obmann des Kastanienvereins Vinschgau, würdigte den leidenschaftlichen Einsatz seines Vizeobmannes Paul Kofler für die Pflege und den Erhalt seines Kastanienhains. Im Vinschgau wachsen derzeit auf insgesamt rund 60 Hektar Kastanienbäume. Die Jahresernte beläuft sich auf ca. 50 Tonnen.
Das Eisacktal „ausgebremst“
Überrascht zeigte sich Max Gögele, dass der Vinschgau die Kastanienhochburg Eisacktal und andere Kastaniengebiete bei der Meisterschaft „ausgebremst“ hat, wie er sich ironisch ausdrückte. Auf den 2. Platz hat es übrigens Christoph Ladurner aus Labers geschafft und den 3. Rang sicherten sich Luise Pichler und Oliver Tarsia aus Vahrn. Helmut Tauber informierte im Namen des HGV, der die Meisterschaft mitgetragen hat, über die vielfältigen Initiativen und Veranstaltungen, die in vielen Landesteilen rund um die Kastanie stattfinden. Die Kastanie sei ein sehr wertvolles Produkt. Eine besondere Herausforderung sieht Tauber in der Verwertung bzw. Veredelung der Kastanien von zweiter und dritter Qualität.
Viel Lob und Anerkennung
Mit Worten des Lobes und der Anerkennung für die Pflege und den passionierten Einsatz von Paul Kofler für seine Bäume warteten auch Bürgermeister Gustav Tappeiner, die Kulturreferentin Monika Pichler Rechenmacher, Vizebürgermeister und Tourismusvereinspräsident Manfred Prantl sowie weitere Redner auf. Kastanienhaine seien landschaftsprägend und wertvolle Elemente in der Natur- und Kulturlandschaft. Darüber hinaus haben Kastanien einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert in der Kulinarik und Gastronomie. Paul Kofler bedankte sich seinerseits bei der „Initiative Baumgart“ sowie bei seiner Familie, vor allem bei seiner Frau Sonya. In einem durchschnittlichen Jahr erntet die Familie Kofler übrigens rund 2.000 Kilogramm Kastanien. Verkauft werden sie am Hof in Marein, auf Märkten und in den Detailgeschäften der Obstgenossenschaften OVEG und JUVAL. Zu den besonders gefragten Gesprächspartnern gehörte im Anschluss an die Preisverleihung Franz Winkler aus Kortsch. Winkler hatte sich bereits zu Beginn der 1990er Jahre um den Erhalt und die Pflege der Kastanienbäume im „Keschtn-Egart“ in Kortsch bemüht.