Der Dozent und Facharzt Johannes Schnabl bei seinem Vortrag im Kulturhaus in Schluderns.
Rund 30 Interessierte konnte die Bibliotheksleiterin Magdalena Rinner zum Vortrag begrüßen.

„Rechtzeitig zum Arzt“

Professor Johannes Schnabl: Bei Hörproblemen nicht jahrelang zuwarten

Publiziert in 37-38 / 2021 - Erschienen am 9. November 2021

Schluderns - Wenn jemand spürt, dass er Probleme mit dem Hören hat, soll er nicht jahrelang warten, sondern möglichst bald zum Arzt gehen. Das war eine der Kernaussagen des Dozenten und HNO-Facharztes Johannes Schnabl, der am 4. November im Kulturhaus in Schluderns vor rund 30 interessierten Personen über Hörstörungen und deren Behandlung informierte sowie mit Neuigkeiten aus der Forschung und Praxis aufwartete. Johannes Schnabl, aufgewachsen in Bozen, ist nach 15-jährigem Aufenthalt im Ausland – Ausbildung, Weiterbildung und Tätigkeit als HNO-Arzt an verschiedenen Universitätskliniken für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde – vor einigen Jahren nach Bozen zurückgekehrt und führt dort eine HNO-Praxis. 

Immer mehr Menschen betroffen

Einleitend schickte Schnabl voraus, dass die Schwerhörigkeit mit einer massiven Einschränkung der Lebensqualität einhergehen kann. Dass immer mehr Menschen an Hörstörungen leiden, sei auch darauf zurückzuführen, dass die Menschen immer älter werden. Weltweit sind ca. 650 Millionen Menschen betroffen, in Europa leidet etwa jeder 5. Mensch an Schwerhörigkeit. In Österreich haben rund 1,6 Millionen Personen Hörstörungen. An der sogenannten Altersschwerhörigkeit leiden ca. 40 Prozent aller Menschen ab dem 65. Lebensjahr. Laut Johannes Schnabl sei davon auszugehen, dass die Zahl von Menschen mit Hörstörungen weiter zunehmen wird. Zu den Ursachen dafür gehören z.B. der Lärm am Arbeitsplatz, der Lärm in den Städten und bei Freizeittätigkeiten, Stress und andere Gründe mehr.

Viele mögliche Folgen

Wenn das Hörvermögen abnimmt und nichts dagegen unternommen wird, kann das zu teils scherwiegenden Folgen führen. Als Beispiele nannte der Facharzt nicht nur die Depression („Ich werde alt und schwerhörig …“), sondern auch Aggressionen den Gesprächspartnern gegenüber: „Diese Person spricht immer so leise, undeutlich und viel zu schnell.“ Auch auf die Vereinsamung verwies der Referent, auf die bewusste oder unbewusste Scheu, öffentliche Veranstaltungen zu besuchen, auf ein erhöhtes Unfallrisiko, auf Verfolgungsgefühle („Es wird über mich getuschelt …“) und auf die Demenz. „Das Risiko, dass Schwerhörige an Demenz erkranken, ist um das Fünffache höher“, so Schnabl. Auch über die verschiedenen Arten von Hörstörungen und deren Ursachen informierte der Facharzt auf einfache und verständliche Art. Im Zusammenhang mit der Behandlung von Hörstörungen verwies Schnabl grundsätzlich darauf, dass die Technik immer besser werde, bei Hörgeräten ebenso wie bei Implantaten und implantierbaren Hörsystemen. Nicht unerwähnt ließ er aber auch die Tatsache, „dass wir es mit einem riesengroßen Markt zu tun haben, bei dem es im Hintergrund um viel Geld geht.“ Derzeit liefern sich die 4 weltweit größten Implantat-Hersteller ein Rennen um die Entwicklung eines Gerätes, das vollständig implantiert werden kann, „sodass man von außen nichts mehr sieht.“ Gewarnt hat der Facharzt davor, sich ohne ärztliche Visite einfach ein Hörgerät anzuschaffen. Noch eindringlicher rief er dazu auf, nicht jahrelang zu warten, wenn man spürt, dass man schlechter hört: „Wenn das Gehirn über Jahre nicht trainiert wird, ist es nicht mehr in Lage, die Informationen, wie sie Hörgeräte vermitteln, zu verarbeiten.“ Nicht ratsam sei es auch, mit Wattestäbchen tief in die Ohren einzudringen: „Wattestäbchen sind wie Pfeifenstopfer.“ Es soll nicht versucht werden, mit ihnen Ohrenschmalz zu entfernen. In solchen Fällen ist eine Ohrenspülung beim Arzt angebracht.

„Tragen, auch wenn es unfein ist“

Zum Thema Altersschwerhörigkeit hielt Schnabl u.a. fest, dass die Lebensqualität der Betroffenen mit Hilfe von Geräten und Implantaten erhalten bzw. gesteigert werden kann. „Ich bin zu alt, bei mir hilft das alles nichts mehr“: Solche und ähnliche Aussagen widerlegte der Facharzt mit den Ergebnissen einer wissenschaftlichen Studie, wonach die Behandlungen bei älteren Menschen nicht weniger erfolgreich seien wie bei jüngeren Semestern: „Bei Patienten über 60 wurde eine gute Hörverbesserung ohne Kontraindikation festgestellt.“ Dass sich viele ältere Menschen beim erstmaligen Tragen von Hörgeräten schwertun, sei verständlich und nachvollziehbar: „Ein Gerät kann sich anfangs unfein und lästig anfühlen. Aber es braucht einfach eine mehrwöchige Eingewöhnungszeit.“ Auch auf spezielle und persönliche Fragen aus dem Publikum ging der Facharzt ein. 

Spende für „Comedicus“

Organisiert hatte den Vortagsabend die Bibliothek Schluderns mit Unterstützung des Bildungsausschusses und der KFS Zweigstelle Schluderns. Die Bibliotheksleiterin Magdalena Rinner dankte dem Referenten für den aufschlussreichen Vortrag. Dem Wunsch von Johannes Schnabl, allfällige Spenden dem Verein „Comedicus“ (Clowntherapie in den Krankenhäusern) zukommen zu lassen, kam die Bibliothek nicht nur nach, sondern hat den eingegangenen Spendenbeitrag sogar verdoppelt.

Josef Laner
Josef Laner
Vinschger Sonderausgabe

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