Raum und Landschaft in Südtirol: Das Spiel mit dem Begriff Sozioökonomie
Gastkommentar
Vinschgau - Wenn Gemeinden und Landespolitik landschaftsfressende und umweltbedenkliche Projekte gegen negative Landschafts-Umwelt-Naturschutz-Gutachten durchboxen wollen, dann immer öfter einem neuen „Zauberwort“: Die Projekte - neue Hotels, Chaletdörfer, Skigebiete, Seilbahnen, Almstraßen und Ähnliches - sind eben „sozio-ökonomisch notwendig“ - und damit basta. Weil der Begriff „Sozioökonomische Gründe“ so wissenschaftlich klingt, verwenden ihn manche Politiker als Totschlag-Argument gegen Umwelt-und Landschaftsschutz-Argumente. Dabei vergessen sie, was der zweite - sehr strapazierte – Lieblingsbegriff der Politik, die Nachhaltigkeit, bei raumordnungs-relevanten Entscheidungen bedeutet: Um „nachhaltig“ zu wirken, müssen die wirtschaftlich-sozialen Interessen einer Gesellschaft heute jene Grenzen respektieren, die Landschafts- und Umweltschutz setzen. Und nicht umgekehrt. Der Landes-Gesetzgeber hat das schon längst erkannt: Schon das geltende Landes-Raumordnungsgesetz (1997) bestimmt in seinem Artikel 5 (Abs. 4) klar und deutlich, dass bei allen raumordnungsrelevanten Entscheidungen im Zweifel „im Interesse der künftigen Generationen vor allem den Erfordernissen der Ökologie Rechnung zu tragen ist“. Und auch im neuen Landesgesetzes Raum & Landschaft (ab Juli 2020) haben sozio-ökonomische Faktoren nicht per se Vorrang in Politik und Gesellschaft. Dessen Art. 1 („Das Gesetz regelt die Aufwertung der Landschaft, die Raumentwicklung und die Einschränkung des Bodenverbrauches“) stellt diese unter dem Begriff der „Raumentwicklung“ ausdrücklich in den Kontext des Landschaftsschutzes und – sogar! - der „Einschränkung des Bodenverbrauchs“. Gemäß Art. 2 gehören soziale und wirtschaftliche Interessen bzw. „Ziele“ zu den insgesamt 11 Faktoren die zusammen und wechselwirkend die ökologische Entwicklung unseres Lebensraumes in umfassendem Sinn gewährleisten sollen. Wenn also die Gesamtentwicklung unseres Landes diesen Grundsätzen verpflichtet ist, dann können „sozio-ökonomische“ Interessen niemals gegen die Ökologie ausgespielt werden.