Analyse des “Entwurfes KlimaPlan Energie – Südtirol 2050 Update 2021”

Der Klima Club Südtirol hat nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem “Entwurfes  KlimaPlan Energie - Südtirol 2050 Update 2021” die folgende Analyse erstellt.  

- Kapitel 1. Bilanz der letzten 10 Jahre Klimaschutz in Südtirol 
Am 14. September wurde auf einer Pressekonferenz der Entwurf “KlimaPlan Energie - Südtirol 2050 Updaten 2021”vorgestellt. Zehn Jahre vorher - im Juni 2011 - wurde der erste Klimaplan “Energie-Südtirol-2050” noch unter dem damaligen Landeshauptmann Durnwalder ausgearbeitet und veröffentlicht. Die wichtigsten Vorhaben aus dem Plan von vor zehn Jahren wurden auch im neuen Entwurf aufgegriffen. Es wurde bewertet, ob die Ziele, welche sich die Politik damals vorgenommen hatte auch erreicht wurden - oder nicht. Hierbei hat die Landesregierung nun selbst festgestellt, dass die Ziele größtenteils verfehlt wurden. 

Ziel 2500 W pro Person pro Jahr bis 2020 wurden verfehlt. 
Der allgemeine Energieverbrauch, gemessen in Leistung pro Einwohner, ist in den letzten Jahren gestiegen, der Zielwert von 2500 Watt pro Einwohner wurde klar verfehlt. Derzeit liegen wir bei 3000 Watt pro Person Dauerleistung. Dieser bedenkliche Umstand wird mit dem Satz kommentiert: „Gleichsam wird aber auch offensichtlich, dass dieses Ziel doch etwas zu ambitioniert war”. Und nun wird dasselbe Ziel, das 2020 nicht erreicht wurde, um zehn Jahre bis 2030 verschoben. 

Der Anteil der erneuerbaren Energien im Verhältnis zum Gesamtenergieverbrauch hat sich in den letzten 5 Jahren reduziert. 
Im Bereich erneuerbare Energie ruht sich Südtirol erfahrungsgemäß auf den Lorbeeren der Vergangenheit aus. Der hohe Anteil von Strom aus Wasserkraft lässt Südtirol hier im europäischen wie im italienischen Vergleich brillieren. Dies sollte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Anteil der erneuerbaren Energien im Verhältnis zum Gesamtenergieverbrauch in den letzten fünf Jahren reduziert hat. 

Das Ausbauziel der Photovoltaik bis 2020 wurde nicht erreicht. 
Auch bei der Photovoltaik wurde das selbstgesteckte Ziel von 300 MW installierter Leistung bis 2020 verfehlt. Bis 2020 wurden lediglich 257 MW erreicht. Mit anderen Worten: Südtirol ist knapp 15% hinter dem Ziel zurückgeblieben. Für 2030 hält der Klimaplan weiter an einem sehr zaghaften Ausbau der Photovoltaik fest.

Das Reduktionsziel der CO2-Emissionen für 2020 wurde nicht erreicht. 
Eine Betrachtung der CO2-Emissionen fällt schwer, da im Klimaplan eine Berechnungsmethode verwendet wurde, die nicht international standardisierten Methoden entspricht, sondern “vereinfacht” ist. Für die Berechnung werden nur jene CO2-Emissionen berücksichtigt, die direkt mit dem Energieverbrauch zusammenhängen. Sowohl im Klimaplan von 2010 als auch im derzeitigen Entwurf sind die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft (wie z. B. Lachgas und Methan) nicht berücksichtigt. Diese Emissionen aus der Landwirtschaft betragen laut Berechnungen der Eurac ca. eine Tonne pro Jahr und pro Kopf und damit rund ein Fünftel der gesamten CO2-Emissionen in Südtirol. Die CO2-Emissionen sind in den letzten 5 Jahren sogar gestiegen und betragen derzeit knapp 4,5 Tonnen CO2 pro Person und Jahr; das Ziel wäre gewesen, bis 2020 4t pro Person und Jahr zu erreichen (wie erwähnt, ohne die Emissionen aus der Landwirtschaft). 

Kapitel 2 Aufklärung, Sensibilisierung und Information
Das Thema Klimaschutz wurde in Südtirol bisher sowohl medial als auch politisch stark vernachlässigt. Während in den 90er Jahren noch eine Reihe öffentlich bezahlter ExpertInnen über Jahre hinweg Sensibilisierungsarbeit leisteten für die Umstellung auf individuelle Müllbehälter, gab es beim Thema Klimakrise in den letzten Jahren zwar eine Reihe von privaten Initiativen - z. B. Fridays For Future South Tyrol, Zukunftspakt für Südtirol, Scientists for Future South Tyrol; Dachverband für Natur und Umweltschutz, Vereinigung Südtiroler Biologen - aber keine umfassende Kommunikationsstrategie. Es gibt zwar durchaus gute Initiativen von einigen Bezirksgemeinschaften und öffentlichen Institutionen zum Thema Klimaschutz (z. B. jene der Stadt Meran und des Burggrafenamtes), eine Informationsstrategie von Landesseite ist aber nicht erkennbar. Die Informationstätigkeit in den 90ern mit einer Vielzahl von Informationsveranstaltungen in ganz Südtirol hat durchaus Wirkung gezeigt, so dass die Mülltrennung zum aktuellen Standard wurde. Die Herausforderungen durch die Klimakrise sind im Vergleich zu jenen der 90er-Jahre ungleich größer. 

Trotzdem ist die Bevölkerung und große Teile der Entscheidungsträger nur unzureichend informiert, was in den nächsten Jahrzehnten auch auf uns SüdtirolerInnen zukommen wird. In den vergangenen zehn Jahren wurde nur ein einziges mal vom Land mitgeteilt, ob die Teilziele des Klimaplans erreicht wurden. Mitsprache für die Bevölkerung gab es nicht. Im Entwurf des neuen Klimaplans stehen zwar auf zwei Seiten Schlagwörter wie “Sensibilisierung und Identifikation”, “Partizipation” oder Sätze wie “Sämtliche Bürgerinnen und Bürger sind deshalb eingeladen, auch selbst Verantwortung zu übernehmen…..”, “ Klimaschutz ist nur im kontinuierlichen Dialog und mit ständigem Bemühen für mehr Sensibilität umsetzbar.” Es finden sich im Klimaplan aber weder Maßnahmen noch ein Zeitplan, wie dieser “kontinuierliche Dialog” und “mehr Sensibilität” erreicht werden können. Im Klimaplan sind weder Kosten noch die Art der Finanzierung der dringend notwendigen Sensibilisierung und Information aller Bevölkerungsschichten angeführt, ebensowenig, wer dafür verantwortlich ist. 

Kapitel 3 Was kann der neue Klimaplan? 
Da einige Sektoren (z. B. die Landwirtschaft) aus dem Plan ausgespart wurden und eine “einfachere” Berechnungsmethode für die CO2-Emissionen angewandt wurde, sind die Zahlen des Südtiroler Klimaplan nur schwer mit Plänen aus anderen Ländern und Regionen sowie mit den Vorgaben des IPCC (Weltklimarat) und der EU abgleichbar. Im Kapitel 6 werden viele gute und innovative, sehr breit gefächerte Beispiele gelistet sowie Ideen vorgeschlagen, was Südtirol in den kommenden Jahren tun müsste. Es sind aber eben bloß Ideen. 

Klimaneutralität ist kein erklärtes Ziel in diesem Klimaplan. Keine einzige Berechnung wird angeführt, welchen Einfluss die einzelnen Vorhaben auf die Erreichung der Klimaziele haben. Damit kann nicht belegt werden, ob die Summe der Maßnahmen geeignet ist, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Es gibt keine Vorschläge dazu, was die einzelnen Projekte kosten und wie diese finanziert werden sollen, keine Vorschläge für Begleitmaßnahmen, keine Zeitpläne, keine Verantwortlichen für die Umsetzung. Kurz gesagt, es handelt sich um einen Plan ohne jegliche Planungsinstrumente. Einer der größten Schwachpunkte in diesem Dokument ist, dass an dem Ziel aus dem ersten Klimaplan von 2011 (1,5 t CO2/p/a bis 2050) festgehalten wird und eine CO2-Neutralität bis 2050 gar nicht angestrebt wird. Dies steht im klaren Widerspruch zu den EU-Vorgaben und den Zielen des Pariser Klimaabkommens mit der zu erreichenden Klimaneutralität bis 2050. Noch verstärkt wird dies durch den Umstand, dass die Ausgangslage in diesem Dokument von derzeit 4t/p/a nicht der Realität entspricht, da die Treibhausgas-Emissionen aus der Landwirtschaft nicht berücksichtigt sind. Effektiv produziert jeder Südtiroler und jede Südtirolerin derzeit 5,3 t CO2-Äquivalent pro Jahr bei einem territorialen Ansatz. Rechnet man die sog. „graue Energie" ebenso dazu, dann liegt der pro-Kopf-Wert in Südtirol bei ca. 7,5 t CO2-Äquivalent (Eurac Klimareport 2018). Bei der Ausarbeitung von Klima-Plänen ist - um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten - die Anwendung des territoriale Ansatzes Standard. Das würde bedeuten, dass 2050 zum angestrebten Ziel von 1,5 t noch eine Tonne CO2-Äquivalente aus der Landwirtschaft dazu zu rechnen sind (da es hierfür bisher keine Reduktionsziele gibt), womit wir mit dem neuen Klimaplan als Ziel für 2050 2,5 t CO2-Äquivalent pro Kopf und Jahr anstreben würden. Weiters wird dem Umstand, dass sich die Welt in den letzten zehn Jahren weitergedreht hat und dass sich die Situation dramatisch verschärft hat, überhaupt nicht Rechnung getragen. Es gibt mittlerweile strengere Vorgaben durch die Pariser Klimaziele und durch die neue Klimaschutzverordnung der EU. Im erst kürzlich veröffentlichten Bericht des Weltklimarates wird die Weltgemeinschaft eindringlich aufgefordert, größere Anstrengungen zu unternehmen, damit das Schlimmste noch verhindert werden kann. 

Im neuen Klimaplan werden keine sektorbezogene Vorgaben zur Einsparungen von Treibhausgasen gemacht, sondern nur die energiebezogenen Emissionen berücksichtigt, weshalb man nicht von einem Klimaplan, sondern von einem Energieplan sprechen muss. Vorgaben sind insofern wichtig, weil alle Sektoren Zeit brauchen, um Ihre Wirtschaftsweise anzupassen und umzustellen. An der Überarbeitung des Klimaplans wurde fast zwei Jahre gearbeitet. Es wäre also genügend Zeit gewesen diese Vorgaben auszuarbeiten und mit den einzelnen Stakeholdern zu diskutieren. Der Plan enthält zudem keine Exit-Strategie, wie Südtirol aus bestehenden Öl- und Gasheizungen heraus kommt. Heizen mit Methangas ist derzeit in Südtirol günstiger als jede andere Alternative. Es besteht in der Wissenschaft absoluter Konsens darüber: Wir müssen die Verbrennung von fossilen Energien auf Null bringen, und zwar noch vor 2050. Gasheizungen wie sie derzeit in Südtirol noch immer in großen Mengen installiert werden, haben eine Lebensdauer von ca. 30 Jahren. Im Klimaplan fehlt ein regelmäßiges Monitoring zur Überprüfung der Zielerreichung. Ebenso die Ernennung einer Experten-Kommission, die der Politik aufgrund der Monitoring-Erkenntnisse Vorschläge für Nachbesserungen und Richtungsänderungen unterbreiten kann. Dabei gibt es bereits gute Beispiele, wie so etwas funktionieren kann: z. B. in Großbritannien mit dem “Committee on Climate Change”, welches auch als Vorbild für den “Expertenrat für Klimafragen” in Deutschland diente. Nur bei wenigen Vorhaben im Entwurf zum neuen Klimaplan sind konkrete Ausbauziele für 2030 festgeschrieben. So ist es das Ziel, die Produktion von Energie aus erneuerbaren Energiequellen von derzeit 65% auf 80% zu steigern. Das bedeutet konkret, dass wir bis 2030 ca. 1,9 Mrd kWh/a Energie zusätzlich aus erneuerbaren Quellen produzieren müssten. Aus den im Klimaplan angegebenen Zahlen lässt sich jedoch nicht nachvollziehen, woher diese 1,9 Mrd kWh/a kommen sollen. Der Plan enthält außerdem keine Schutz- und Anpassungsmaßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der Klimakrise. 

Kapitel 4 Was muss Südtirol tun, um das Pariser Klimaabkommen noch einhalten zu können? 
Auch Südtirol sollte im Hinblick auf EU-Vorgaben bis 2030 seinen CO2-Ausstoß halbieren. Trotz aller bereits im Klimaplan von 2011 vorgesehenen Maßnahmen hat der CO2-Ausstoß in den letzten zehn Jahren nicht abgenommen. Verantwortlich für den hohen Treibhausgasausstoß sind im Kern die fossilen Heizungen, die Verbrennungsmotoren im Verkehr und die Landwirtschaft

Der aktuelle Klimaplan 2021 versucht nun mit etwas verschärften, aber ansonsten weitgehend identischen Mitteln, das Ziel einer Halbierung nun in nur acht Jahren zu erreichen. Er steht damit von vornherein auf verlorenem Posten. Um die Ziele trotzdem noch erreichen zu können, muss Südtirol bis 2030 rund die Hälfte der fossilen Technologien durch CO2-neutrale ersetzen, konkret Wärmepumpe statt Gas- und Ölheizungen, E-Auto statt Verbrennungsmotoren. 

Diese Umstellung wird zwar im Klimaplan unter vielen anderen Maßnahmen aufgelistet, jedoch mit bei weitem unzureichenden Ausbau-Zielen. Genauso liegt das Photovoltaik-Ausbauziel weit unter den Möglichkeiten. Photovoltaik ist die einzige aktuell noch relevant ausbaufähige regenerative Ressource in Südtirol. Nun gilt es, die genannten Technologien als klare Prioritäten zu benennen, effektiv notwendige Ausbauziele zu definieren und diese in einer gemeinsamen und beispiellosen Anstrengung umzusetzen. 

Gleichzeitig zu den technischen Maßnahmen muss es auch einen gesellschaftlichen Wandel geben. 
Diesen Wandel muss die Politik mit Begleitmaßnahmen massiv unterstützen, damit möglichst alle Teile der Bevölkerung mitgenommen werden können. Die Politik muss dabei für eine sozial gerechte Verteilung der Lasten sorgen. Auch dafür müssen entsprechende Maßnahmen vorgesehen und geplant werden. Zugleich müssen Strukturen gebildet werden, um insbesondere bei der technischen Umstellung die enorme Wertschöpfung möglichst im Lande zu erzeugen. All diese Maßnahmen und Ziele, die Finanzierung, die Begleitmaßnahmen und Verantwortlichkeiten - wobei alle Sektoren und Einsparziele enthalten sein sollten - müssten in einem einzigen, verbindlichen und verständlichen Dokument zusammengefasst und veröffentlicht werden. 

Das Land muss dabei all seine Möglichkeiten nutzen, um diese Umstellung voranzutreiben, unterstützt von einer unabhängigen Kommission, die jährlich Ausrichtung und Erfolg überprüft. 

Klima Club Südtirol, Der Club wurde Anfang 2021 von eine Gruppe erfahrener Südtiroler ExpertInnen aus dem Umwelt-, Energie- und Rechtsbereich gegründet. Die Gründungsmitglieder: Johann Czaloun, Maschinenbauingenieur, Entwicklungen (Seilbahnwesen/Photovoltaik); Thomas Egger, langjährige Erfahrung in Energie-, Umwelt- und Prozessmanagement; Gerd Huber, Ingenieur der Umwelt- und Verfahrenstechnik; Eva Ladurner, Biologin mit Schwerpunkt Artenschutz und Biodiversität; Roland Plank, Mikrobiologe, langjährige Erfahrung in der Umwelt- und Energieberatung; Martin Sulser, Ingenieur der Energie- und Umwelttechnik; Ulrike Vent, Rechtsanwältin in Meran.__ 

Klima Club Südtirol

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